Nach dem 1:0-Sieg über Dortmund gibt es nur Lob für Holger Stanislawski

Sinsheim. Wenn nicht nur Laufwege der Hoffenheimer Spieler, sondern auch die von Holger Stanislawski und seinem Assistenten André Trulsen aufgezeichnet würden, käme sicher ein bemerkenswertes Stück zeitgenössischer Kunst heraus. Was die beiden am Spielfeldrand aufführen, gleicht oft einem experimentellen Tanztheater, ursprünglich, leidenschaftlich und ansteckend.

Als der Trainer von 1899 Hoffenheim einmal ruhig auf einem Fleck verharrte, dirigierte er, mitten auf dem Rasen stehend, seine Mannschaft bei ihrer Stadionrunde. Nach dem 1:0-Sieg über Borussia Dortmund lenkte der 41-Jährige seine Spieler wie ein Fluglotse vor alle vier Tribünenseiten.

In dem Moment erschloss sich jedem, was Hoffenheims Kapitän Andreas Beck meinte, als er von Stanislawski sagte: "Er ist der Kopf der Mannschaft." Die Badener gewannen wie vergangene Saison mit 1:0, diesmal aber fühlt es sich offenbar anders an. Gewonnen hat, so die neue Botschaft, die Mannschaft, was nur die halbe Wahrheit ist, weil sich eben doch vieles beim Cheftrainer bündelt. "Der Trainer sorgt für Emotionen an der Linie, das tut allen gut", so Beck. In der 9. Minute traf Sejad Salihovic mit einem fulminanten Freistoß zum Sieg.

Der fiel am Ende glücklich aus, weil müde Dortmunder spät in Fahrt kamen und dann in der zweiten Hälfte viele Chancen ausließen. Zu dem Zeitpunkt waren Mario Götze und Shinji Kagawa nach kraftraubenden Länderspieleinsätzen schon vom Feld gegangen. Dortmunds Trainer Jürgen Klopp beklagte sich über Folgen der Lobeshymnen für den neuen Volkshelden Götze nach dem 3:2-Sieg im Länderspiel über Brasilien. "Ich muss mit den Auswirkungen leben", sagte er und gab zu, man habe, weil Götze und Kagawa müde wirkten, sogar überlegt, die beiden draußen zu lassen.

Das Problem, mit Stars und den Auswirkungen von Fußballfesten wie dem gegen Brasilien umgehen zu müssen, hat Holger Stanislawski im beschaulichen Kraichgau nicht. Topspieler wie Luiz Gustavo und Carlos Eduardo sind weg. An deren Stelle ist der "liebenswerte Diktator" oder "verrückte Hamburger" (Stanislawski über Stanislawski) der Star, obwohl er sich dagegen wehrt und bei jeder Gelegenheit vom neuen Wirgefühl einer Mannschaft predigt.

Mit Charme überspielt er Schwächen seiner Abwehr und stuft bisherige Tabuthemen zu beiläufigen Alltagssorgen herunter, wenn er erzählt, man sei dabei, "das Trauma der Herbstmeisterschaft von 2008 zu verarbeiten". Im Training lebt er dosierte Lockerheit vor und lässt zu Musik Wettbewerbe durchführen, an deren Ende die "Strafe" für die Verlierer aus einer Tanzeinlage vor aller Augen besteht.

Belastende Saisonziele gibt es derzeit in Hoffenheim zumindest offiziell keine. Man genießt vielmehr kleine Schritte und den Augenblick mit Holger Stanislawski. Und der ehemalige Trainer des FC St. Pauli versucht weiter von sich abzulenken: "Die Jungs sind wichtig, die stehen im Mittelpunkt."