Der Nationalspieler steht gegen Kasachstan wohl in der Startelf. Der Linksverteidiger über die HSV-Krise und die Harmonie beim DFB.

Mainz. Beim Aufwärmen vor seinem 20-minütigen Einsatz in der Lobby des Hyatt Regency plaudert Dennis Aogo locker über sein persönliches Befinden. Auf einer Skala von eins bis zehn stuft er sich auf acht ein. Rundum glücklich sei er, privat wie beruflich, trotz der schwierigen Situation beim HSV. Schließlich steht er im Kader für das EM-Qualifikationsspiel der DFB-Auswahl am Sonnabend gegen Kasachstan (20 Uhr), was ihn stolz macht.

Aber nach dem offiziellen Anpfiff nimmt das Gespräch sofort an Fahrt auf, der 24-Jährige verzichtet auf langes Taktieren und gesteht, dass die Gegensätze zwischen dem DFB und dem HSV nicht krasser sein könnten. "Man sieht, wie harmonisch Mannschaftssport sein kann, auch wenn man das eigentlich nicht vergleichen darf. In der Nationalmannschaft sind wir nur über einen kurzen Zeitraum zusammen", sagt der vierfache Nationalspieler.

Beim DFB hat Joachim Löw, seit 2006 als Bundestrainer im Amt, gerade bis 2014 verlängert, während Aogo beim HSV seit 2008 mit Martin Jol, Bruno Labbadia, Ricardo Moniz, Armin Veh und Michael Oenning mit fünf Trainern zusammenarbeitete. Ob er es wohl bis zu seinem Vertragsende 2015 schafft, das Dutzend vollzumachen?

"Wenn man jedes Jahr als Spieler einen neuen Trainer bekommt, ist das auch für einen Spieler keine schöne Situation", bemängelt Aogo und formuliert offensiv: "Jeder Trainer hat andere Vorstellungen, will anders spielen, bringt womöglich noch andere Spieler mit. So verändert sich innerhalb einiger Monate bisweilen alles. Als Einzelner kann man sich darauf vielleicht noch einstellen, aber irgendwann ist es ein zusammengewürfelter Haufen von Spielern." In der Konsequenz könne eine Mannschaft dann zwar von den Namen her top besetzt sein, aber gar nicht zusammenpassen. "Und diese Mannschaft soll dann Erfolg haben, das geht doch nicht!" Genauso kritisch betrachtet er auch die vielen Trainerwechsel in der Liga. Mit Seriosität habe dieses schnelllebige Geschäft nichts mehr zu tun. Volltreffer.

Aogo ist ein Profi, der sich generell viele Gedanken macht, manchmal zu viele, wie er gesteht. In der schlimmsten Phase der HSV-Krise nabelte er sich komplett ab, las keine Zeitungen mehr und versuchte, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, also auf die Arbeit auf dem Platz. "Ich habe versucht, komplett abzuschalten." Ein Defensivverhalten, das er sich auch von Frank Rost gewünscht hätte, der nach dem 0:6 in München seiner Wut freien Lauf gelassen hatte. "Wir müssen daraus auch lernen, dass wir bestimmte Sachen einfach intern lösen. Mit Franks Aussagen war ich von Anfang an nicht einverstanden, damit hat er niemandem geholfen. Der Verein war in diesem Moment am Boden, wir waren zu diesem Zeitpunkt führungslos. Als Mannschaft haben wir definitiv dazu beigetragen, dass diese Unruhe hereingekommen ist. Das darf uns in Zukunft nicht mehr passieren." Ganz Deutschland wisse doch inzwischen, was beim HSV schiefgelaufen sei: "Das muss man dann nicht auch noch im Abstand von ein, zwei Monaten in der Öffentlichkeit thematisieren und diskutieren, das sorgt nur für Unruhe."

Seit Aogo im Januar verlängerte, hat sich die Situation komplett gedreht, dem Kader droht eine finanzielle Diät. Seine Entscheidung hat er dennoch nicht bereut, weil es für ihn nach Bayern München keinen deutschen Verein mit einem so hohen Stellenwert gibt.

Damit sich dies auch künftig in der Tabelle ausdrückt, schlägt Aogo folgende Strategien vor: Zunächst gelte der Einheitsgedanke. "Es darf nicht das 'Die da oben machen ihr Ding' und 'Wir unten machen unser Ding' geben." Und: "Ein Verein muss den Weg kennen, eine Vorstellung haben, was und wie man spielen will, dementsprechend dann einen Trainer und die passenden Spieler verpflichten. Es kann nicht sein, dass jedes Jahr Trainer und in der Folge Spieler ausgetauscht werden. Letztlich schafft man dadurch auch Alibis für die Spieler. Da kann jeder fragen: Was hier los ist, wie soll ich da Leistungen bringen?" Die Nachspielzeit beginnt.

Aogo ist zwar Verteidiger, aber er redet wie ein Angreifer. Er glaubt noch immer an das "Maximalziel", also die Europa League. Der HSV zwei, drei Jahre nicht im Europacup? Aogo will es nicht glauben. Vertrauen hat er indes in die Arbeit von Michael Oenning. Trotz der kurzen Vorbereitungsphase sei die Handschrift seiner bevorzugten Spielweise zu erkennen.

Dass er beim Umsetzen eine wichtige gestalterische Rolle einnehmen will, ist selbstverständlich - was auch an seiner Position liege. "Das Anforderungsprofil für Außenverteidiger ist allgemein riesig geworden, das ist eine der anspruchsvollsten Positionen", sagte er. "Es gibt Spiele, in denen man als Außenverteidiger die meisten Ballkontakte hat. Man muss einen ordentlichen Spielaufbau haben, darf aber die Defensive nicht vernachlässigen."

In jedem seiner Worte schwingt die Gier mit, sich weiterzuentwickeln, besser zu werden. Das Länderspiel gegen Kasachstan ist ein weiterer Schritt nach vorne. Joachim Löw setzt auf ihn. Schon während der WM in Südafrika versprach er ihm Einsätze, nun ist er der letzte Hamburger im Kader, obwohl er so lange verletzt war. Diese Form von Kontinuität beim HSV - das wäre für Aogo ein Traum. Und Abpfiff.

So könnte Deutschland spielen

Neuer – Lahm, Mertesacker, Hummels, Aogo – Khedira, Schweinsteiger - Müller, Özil, Podolski – Klose