Bei Bayern nur Ersatz, für den DFB unersetzbar - gegen Kasachstan kommt der Nationalstürmer im EM-Qualifikationsspiel zu seinem 107. Länderspiel

Mainz. Oliver Bierhoff kann machen, was er will: Er sieht immer gut aus. Die Haare liegen perfekt wie einst in seinem Werbespot für L'Oreal-Shampoo, eine zarte Bräune lässt auf einen kürzlich verbrachten Sonnenurlaub schließen. Falten? Fehlanzeige. Und doch: Auch Bierhoff altert - wenn auch von der Öffentlichkeit unbemerkt.

Miroslav Klose (32) allerdings weiß, dass der Zahn der Zeit auch am makellosen Manager der Fußball-Nationalmannschaft nagt. Er hat gute Vergleichswerte. Zum einen sieht er den 42-Jährigen regelmäßig, wenn sich die Elitekicker mal wieder zu einem Länderspiel treffen. Zum anderen kennt er Bierhoff noch in kurzen Hosen. "Miro hat mich schon geflachst, dass er noch mit mir zusammengespielt hat und ich ja ganz schön alt geworden wäre, weil ich schon so lange raus bin", sagte Bierhoff gestern mit einem Schmunzeln.

Vor exakt zehn Jahren war es, am 24. März 2001, als die beiden zum ersten Mal zusammen für Deutschland auf dem Feld standen. Bierhoff als Stürmer von Weltrang, der Deutschland fünf Jahre zuvor mit seinem Golden Goal zum Europameister gemacht hatte. Und Klose, der zwar schon 22 Jahre alt, aber trotzdem unerfahren wie ein Dreikäsehoch war. Als der Stürmer des 1. FC Kaiserslautern im dritten Qualifikationsspiel zur WM 2002 für Oliver Neuville eingewechselt wurde, stand das deutsche Team am Rande eine Blamage. Zwar hatte es die ersten beiden Partien gegen Griechenland und England gewonnen, doch nun stand es 1:1 gegen Albanien. Als Klose zwei Minuten vor Schluss den Siegtreffer köpfte, ersparte er nicht nur Teamchef Rudi Völler unangenehme Fragen, sondern legte den Grundstein für eine der bemerkenswertesten Karrieren beim DFB.

Am Sonnabend wird Klose sein 107. Länderspiel bestreiten, es gibt keinen Zweifel, dass er auch im EM-Qualifikationsspiel gegen Kasachstan wieder auf dem Feld stehen wird. Da kann sein Sturmkonkurrent Mario Gomez, mit dem er in Verein wie in der Nationalelf um den Platz im Sturm streitet, in der Bundesliga treffen, wie er will. Denn Klose hat sich von den gängigen Bewertungsmaßstäben längst abgekoppelt.

Normalerweise analysiert ein Bundestrainer die Leistungen in Liga und Europapokal, addiert die vergangenen Länderspiele dazu und zieht die Quersumme. Bei Klose allerdings käme da nicht viel heraus. Beim FC Bayern machte er 13 von 27 Saisonspielen, in den vergangenen sieben wechselte Trainer Louis van Gaal ihn jeweils für rund 20 Minuten ein. Insgesamt gelang ihm ein Saisontreffer. Würde Löw seinen Paradestürmer wie jeden anderen Nationalspieler behandeln, würde er nach so einer Bilanz dessen Nummer aus dem Handy löschen. Doch im DFB-Dress stand Klose bei seinen vergangenen 13 Einsätzen jeweils bei Anpfiff auf dem Feld, seine letzte Einwechslung datiert aus dem Jahre 2009.

Er ist eine Institution geworden, unumstößlich und unverzichtbar. Während die Kollegen auf seinem langen Weg - all die Kuranyis, Asamoahs und Gomez' - immer wieder schwächelten, konnte es bei Klose noch so bescheiden im Verein laufen. "Klose bleibt gesetzt. Über ihn gibt es bei uns keine Diskussionen. Er hat bei uns ein hohes Standing - unabhängig davon, ob er beim FC Bayern spielt oder nicht. Man hat bei der WM gesehen, wie wichtig er für uns ist. Es gibt keinen Grund, an ihm zu zweifeln", sagte Löw jüngst.

Kam Klose zur Nationalmannschaft, dann traf er: 59 Mal in 106 Spielen. Er köpfte Deutschland mit seinem Tor im WM-Viertelfinale 2006 gegen Argentinien ins letztlich siegreiche Elfmeterschießen, sein Treffer zum 1:0 in der WM-Qualifikation gegen Russland im Oktober 2009 brachte das deutsche Team nach Südafrika, wo er vier Tore erzielte. Mit 14 Treffern bei drei Weltmeisterschaften ist er hinter Ronaldo und zusammen mit dem großen Gerd Müller der zweitbeste Torschütze bei Weltturnieren.

"Es ist eindrucksvoll, wie er jede Krise beiseiteschiebt, wenn er zu uns kommt", lobt Bierhoff. Neun Treffer noch, dann hat er den Rekord von Müller (68 Treffer) eingestellt. "Das wünsche ich ihm", sagt Bierhoff, "er ist einfach ein ganz wichtiger Spieler für uns."

Wichtig - und unglücklich. Er leidet auf der Bayern-Bank, kommt aber an Gomez nicht vorbei. "Ich muss mich damit begnügen, was mir Louis van Gaal gibt. Ich habe mich langsam daran gewöhnt, zum Zuschauen verdammt zu sein", sagte er der "Bild" und ergänzte: "Noch so ein Jahr wird es nicht geben. Ich spiele ja auf jeden Fall unter einem anderen Trainer." Das stimmt, schließlich verlässt van Gaal den Rekordmeister. Vielleicht tut Klose das aber ebenfalls. Sein Vertrag läuft im Sommer aus.