Weil Klub-Mäzen Dietmar Hopp Luiz Gustavo ohne sein Wissen verkaufte, warf Trainer Ralf Rangnick in Hoffenheim hin

Zuzenhausen/Berlin. Noch vor dem Kinostart ist dem Erfolgsmärchen der Erzählonkel abhanden gekommen. Mittwoch startet "Das Leben ist kein Heimspiel", ein Streifen über den rasanten Aufstieg der TSG 1899 Hoffenheim vom Dorfklub zum ambitionierten Bundesligaverein - doch einer der Protagonisten des Films wird dann schon Geschichte sein. Ralf Rangnick, der so engagiert den Wandel im Kraichgau mitbestimmt hat und den Regisseuren Rouven Rech und Frank Pfeiffer als Kronzeuge für die Langzeit-Dokumentation diente, ist seit gestern nicht mehr Trainer. Nach internen Reibereien mit Klub-Mäzen Dietmar Hopp, die im Verkauf von Mittelfeldspieler Luiz Gustavo gipfelten, zog Rangnick entnervt die Konsequenzen. Im Fachjargon heißt es allerdings: Trennung "in beiderseitigem Einvernehmen".

Die Demission des 52 Jahre alten Trainers, der die Geschicke der TSG seit dem Sommer 2006 gelenkt und den Klub von der Regionalliga bis in die deutsche Eliteklasse geführt hat, kennzeichnet den Tiefpunkt einer unruhigen Vor- und Nachweihnachtszeit. Bis zum Silvestertag ging Rangnick offenbar noch von einem Verbleib aus. Erst der von Hopp und Manager Ernst Tanner ohne Rangnicks Zustimmung vorangetriebene Wechsel des besten Hoffenheimer Spielers während der Hinrunde, Luiz Gustavo, für 15 Millionen Euro zu Bayern München bewegte den Coach zum raschen Umdenken. "Es ist wohl einzigartig, dass so ein Spieler ohne das Wissen des Trainers verkauft wird", sagte er bei einer Pressekonferenz. "Ich bin vor zwei Tagen noch fest davon ausgegangen, der Mannschaft weiter vorzustehen." Allerdings hätten schon die jüngsten Gespräche mit Milliardär Hopp in den zurückliegenden zwei Wochen gezeigt, "dass es in Zukunft nicht mehr so ist, dass der Klub einen Trainer wie mich braucht". Neben Rangnick wurde auch die Dienstzeit von Co-Trainer Peter Zeidler jäh beendet. Die sportlichen Geschicke des Klubs soll Assistent Marco Pezzaiuoli leiten (Vertrag bis 2014).

Der personelle Aderlass kennzeichnet die echte erste Zäsur bei der TSG. Nach dem Aufstieg 2008 hatte der Verein noch die Bundesliga aufgemischt und die Hinrunde mit Offensivfußball als Erster beendet. Eine Erfolgsstory, für die Rangnick mit seiner unbestrittenen sportlichen Kompetenz und Mäzen Hopp mit seinem Vermögen einstanden. Der Sponsor ermöglichte kostspielige Transfers, der Trainer formte sukzessive eine Spitzenmannschaft nach seinem Gusto. Eine "Edel-Symbiose" sei die Zusammenarbeit lange gewesen, meinte Rangnick.

Bis zu diesem Winter. Denn zuletzt erwies sich der frühere SAP-Mitbegründer Hopp als kühler Analyst. Der Klub müsse lernen, auf eigenen Füßen zu stehen, sagte der Mäzen angesichts eigener Investitionen von rund 170 Millionen Euro. Im Sommer war nicht zuletzt deshalb schon der brasilianische Spielgestalter Carlos Eduardo gewinnbringend für 20 Millionen Euro an den russischen Verein Rubin Kasan verkauft worden. Nun sorgte dessen Landsmann Luiz Gustavo für einen ähnlichen Reibach - und den Weggang des kritisch gestimmten Trainers. "Der Ablauf 'Luiz Gustavo' war die letzte Bestätigung. Da war alles klar", so Rangnick. "Die Frage ist, wie der Transfer über die Bühne ging. Daraus habe ich meine Schlüsse gezogen."

Dass die sportliche Zielsetzung unter dem Transfergebaren und der Trainer-Demission leiden könnte, nimmt der Klub offenbar billigend in Kauf. "Wir sind ein vergleichsweise kleiner Bundesligaklub mit einem Stadion für 30 000 Zuschauer und rund 6000 Mitgliedern. Verständlich, dass Ralf Rangnick, nachdem das 'Projekt Erste Liga' schon nach zwei Jahren vollendet war, Herausforderungen in anderen Dimensionen sucht und damit naturgemäß in Hoffenheim an Grenzen stößt", ließ Hopp vermeintlich rührselig in einer Erklärung wissen. "Das bedeutet nicht, dass wir für die TSG Hoffenheim nicht ambitionierte sportliche Ziele verfolgen. Diese müssen sich aber an unseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen orientieren." Auch das ab der Saison 2012/13 vorgeschriebene Financial Fairplay, wonach die Klubs verpflichtet sind, über einen gewissen Zyklus hinweg nicht mehr auszugeben, als sie einnehmen, habe bei den jüngsten Transfergeschäften eine Rolle gespielt. Derlei Ausrichtung ist neu im bisherigen Fußball-Wunderland Hoffenheim und hat nicht nur vorsätzlich den Trainer verprellt, sondern kommt offenbar auch für einen Teil des kickenden Personals recht überraschend. Kapitän Andreas Beck erfuhr vom Rücktritt des Trainers aus dem Internet, danach erhielt er eine Mitteilung des Klubs.