Der Bayern-Präsident Uli Hoeneß wirft Trainer Louis van Gaal falsche Personalpolitik und Selbstherrlichkeit vor. Nun wartet die Öffentlichkeit gespannt auf eine Reaktion des Niederländers.

München. Lange hatte er geschwiegen, jetzt ist Uli Hoeneß, 58, zur Abteilung Attacke zurückgekehrt. Und was er zu sagen hatte, wird beim deutschen Fußballmeister und -Pokalsieger in den nächsten Tagen und Wochen für gehörige Aufregung sorgen. Hoeneß, seit fast einem Jahr Präsident des FC Bayern München, hat seinen Trainer Louis van Gaal am Sonntagabend im Pay-TV-Sender Sky in ungewöhnlich scharfer Form zum ersten Mal öffentlich hart kritisiert und die jüngste Personalpolitik des Vereins verteidigt. "Es ist sehr schwierig, mit Louis van Gaal zu reden, weil er anderer Leute Meinungen nicht akzeptiert. Er hält dich zwar für einen netten Kerl und lächelt dich auch an. Was du sagst, interessiert ihn letztlich aber nicht", sagte Hoeneß in der Fußball-Talkrunde "Sky 90". "Ich habe aufgrund meiner neuen Funktion beim FC Bayern mit ihm nicht mehr viel zu besprechen, weil ich an den montäglichen Sitzungen nicht mehr teilnehme, es ist aber ähnlich wie bei Felix Magath: Ein Fußballverein darf heutzutage keine One-Man-Show mehr sein." Das könne ansonsten gefährlich werden. Schalkes Absturz sei das beste Beispiel.

Hoeneß' Vorwurf: Der Niederländer habe Spieler aus der zweiten Reihe in der Vergangenheit zu lange systematisch schwachgeredet. Es gebe beim FC Bayern vier, fünf Profis, "die hier permanent falsch eingeschätzt werden", sagte Hoeneß. Es sei richtig gewesen, diese vor der Saison gegen die ausdrückliche Empfehlung van Gaals gehalten zu haben. "Der Vorstand hat gesagt: Jetzt ist genug. Jetzt sind sie da und helfen uns, die Kohlen aus dem Feuer zu ziehen." Und was diese Leute könnten, hätten sie unlängst bewiesen, als van Gaal aufgrund der momentan herrschenden Personalnot gezwungen war, sie regelmäßig aufzustellen.

Durch ironische Kommentare zum 4:2-Erfolg am Freitagabend gegen den SC Freiburg verdeutlichte Hoeneß, um welche Spieler es sich unter anderem handelt - Nationalstürmer Mario Gomez, Verteidiger Martin Demichelis und Anatoli Timoschtschuk. "Das erste Tor gegen Freiburg schießt Demichelis, der eigentlich gehen kann", sagte er. Das zweite Tor erzielte Gomez, der im Sommer eigentlich schon in Liverpool gewesen sei. Den ukrainischen Mittelfeldspieler Timoschtschuk bewertete Hoeneß von der Tribüne als besten Spieler der zweiten Halbzeit. "Dann wundert man sich, wenn man ein Jahr lang immer wieder hört, dass er nicht gut genug für Bayern sei. Jetzt zeigt sich plötzlich, dass die Spieler sehr brauchbar für uns sind", sagte Hoeneß.

Er sei der Meinung, dass man "auch mal was sagen" müsse. Seit einem halben Jahr habe es in ihm gegärt, habe er sich über bestimmte Vorgänge im Verein geärgert, nun sei der richtige Zeitpunkt gekommen, um diese Probleme gezielt anzusprechen. "Ich will ja in dieser Saison noch deutscher Meister werden, da muss man Reizpunkte setzen", stellte Hoeneß klar. Allerdings sei er sich sicher, dass van Gaal diese Kritik nicht annehmen werde. "Er wird sie aber aufnehmen und damit leben müssen", erklärte Hoeneß. Van Gaal habe eine ganz starke Meinung, die kaum Spielraum lasse. "Er gibt dir immer das Gefühl: Ich respektiere deine Meinung, aber ich setze meinen Kopf durch."

Wie van Gaal auf diesen Frontalangriff reagieren wird, bleibt abzuwarten. Zwei Szenarien sind denkbar. Er kümmert sich nicht um das Geschwätz von Uli, wer ist das?, Hoeneß, oder er stellt seinen Job zur Verfügung. Mit der zu erwartenden Abfindung ließe es sich die nächsten Jahre wunderbar in seiner Villa in Portugal leben.