59 in Deutschland geborene Türken spielen in der Süper Lig. Die Scoutingzentrale des türkischen Fußballverbands liegt in Köln.

Hamburg. Es ist nicht einfach in diesen Tagen, sich mit Erdal Keser für ein Telefongespräch zu verabreden. Der 49 Jahre alte Türke, der in den Achtzigerjahren fünf Jahre lang die Fußballschuhe für Borussia Dortmund schnürte, ist derzeit sehr beschäftigt. Nach einigen missglückten Versuchen meldet sich Keser dann aber doch am anderen Ende der Leitung, sagt, dass er gerade im Auto unterwegs sei und deswegen nun endlich Zeit habe zu sprechen.

Erdal Keser leitet die Europazentrale mit insgesamt 25 Scouts

Das Gesprächsthema ist durchaus brisant: Es geht um nicht mehr und nicht weniger als Kesers Auftrag für sein Vaterland. So wird seine Arbeit etwas pathetisch in den türkischen Medien beschrieben. Keser, im anatolischen Sivas geboren und im westfälischen Hagen aufgewachsen, leitet als Technischer Direktor den europäischen Hauptsitz des türkischen Fußballverbandes (TFF) in Köln, der für die Sichtung türkischer Talente in ganz Europa verantwortlich ist. Drei Mitarbeiter unterstützen Keser in dem kleinen Büro mit Rheinblick, insgesamt 25 Scouts sichten für die Türkiye Futbol Federasyonu in ganz Europa. "Unsere Tür steht für alle Türken offen, die sich von den anderen Verbänden vernachlässigt fühlen", sagt Keser, der nicht wirklich überrascht ist, dass wenige Tage vor dem Länderspiel zwischen Deutschland und der Türkei in Berlin (Fr, 20.45 Uhr/ZDF) das Interesse an seiner Arbeit auch in den deutschen Medien steigt.

"Wir wollen nur Spieler, die sich auch mit dem Herzen für die Türkei entscheiden", sagt Keser, der derzeit sehr aktiv um die Herzen und Füße von Ömer Toprak (SC Freiburg), Ilkay Gündogan und Mehmet Ekici (beide 1. FC Nürnberg) buhlt. Besonders der 21-jährige Innenverteidiger Toprak steht auf Kesers Wunschliste ganz oben. "Er ist ein sehr talentierter Spieler. Wir haben mehrfach telefoniert", bestätigt Keser.

Deutsche Wertarbeit ist in den türkischen Auswahlmannschaften äußerst begehrt. Vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland hat Nationaltrainer Guus Hiddink sieben Profis, die in Deutschland geboren sind (siehe Infokasten), für sein vorläufiges Aufgebot nominiert. Und auch im Kader der U-21-Mannschaft stehen bereits zu rund einem Drittel Auswanderersöhne, die in dem Land ihrer Väter wegen ihres Akzents die "Almanci", die Deutschländer, genannt werden.

HSV-Profi Tunay Torun ist einer dieser "Almanci". Der in Hamburg geborene Türke besitzt beide Staatsbürgerschaften, er fühlt sich wohl in Deutschland, will aber trotzdem nur für die Türkei spielen. "Hamburg ist mein Zuhause, die Türkei ist meine Heimat", sagt der U-21-Nationalspieler, der seit der U 15 alle Auswahlmannschaften der Türkei durchlaufen hat. Als 15-Jähriger wurde Torun, der damals in der Jugend des FC St. Pauli auf Torejagd ging, erstmals von einem der zahlreichen türkischen Scouts angesprochen. "Ich wurde zu einem Sichtungslehrgang eingeladen, für den rund 50 Türken aus ganz Europa nominiert wurden", erinnert sich der Hamburger, "die besten drei wurden für die U-15-Nationalmannschaft nominiert. Ich war dabei."

Ähnlich funktionierte die Sichtung auch bei den Bundesligaprofis Hamit und Halil Altintop sowie Nuri Sahin, von denen keiner für einen türkischen Verein gespielt hat, die in der Nationalelf aber eine wichtige Rolle übernehmen. "Ich bin stolz, dass ich in Deutschland groß geworden bin und leben darf", sagt Borussia Dortmunds Sahin. Seine Entscheidung, für das Land seiner Eltern zu spielen, habe er trotzdem nie bereut. "Ich habe seit der U 15 für die Türkei gespielt. Da würde es einfach nicht passen, wenn ich mich auf einmal für Deutschland entscheide."

Derzeit spielen 59 in Deutschland geborene Türken in der Süper Lig

Dabei entscheiden sich viele Deutsch-Türken nicht nur für die türkischen Auswahlmannschaften. Immer mehr Fußballer, die von deutschen Vereinen ausgebildet wurden, entscheiden sich auch zu einem Wechsel in die türkische Süper Lig. 59 Deutsch-Türken spielen derzeit in der ersten türkischen Liga, jedes Jahr werden es mehr. Der gebürtige Hamburger Ömer Sismanoglu, ein Freund Toruns, wechselte 2009 vom FC St. Pauli nach Kayserispor, Serhat Yapici ging ein Jahr vorher vom Kiezklub zum Hacettepe SK. Das nationale Herz hat bei diesen Wechseln allerdings nur begrenzten Einfluss. Der häufigste Grund für die Rückkehr in die Heimat der Eltern ist schlicht und einfach: Geld. Auch das gibt es in der Türkei.