Siegtorschütze Andreas Brehme erinnert sich an das Endspiel der WM 1990 gegen Argentinien - Deutschland wurde Weltmeister.

München. Das waren noch Zeiten, als die Argentinier der Wunschgegner der deutschen Fußballer waren. "Wir wussten alle, wenn wir im Halbfinale die Engländer schlagen, werden wir sicher Weltmeister. Da gab es kein Vertun", erinnert sich der Hamburger Andreas Brehme. Am Vortag, es ist der 3. Juli 1990, hat Argentinien im ersten Vorschlussrundenspiel Gastgeber Italien 5:4 im Elfmeterschießen besiegt, und es ist nun an den Deutschen, die Engländer auszuschalten. Das gelingt, ebenfalls mit 5:4 im Elfmeterschießen. In der regulären Spielzeit schießt Brehme per Freistoß, der von einem Engländer unhaltbar abgefälscht wird, das 1:0, Gary Lineker gleicht später zum 1:1 aus. Das Elfmeterschießen ist gegen diesen Gegner Formsache.

Also Argentinien, Finale am 8. Juli 1990 in Rom. Die Revanche für das Endspiel vier Jahre zuvor in Mexiko. Damals siegte Argentinien 3:2. Doch die Vorzeichen haben sich verändert. Der Titelverteidiger ist nur noch ein Schatten seiner selbst, Spielmacher Diego Maradona, der überragende Akteur der WM 1986, muss ersten Tribut für seinen ausschweifenden Lebensstil inklusive Drogenkonsum zahlen. "Der Lack bei ihm war ab. Das war nicht mehr der Maradona, den wir kannten und schätzten", sagt Brehme. Die Deutschen dagegen bieten unter Teamchef Franz Beckenbauer die beste Mannschaft seit ihrem WM-Triumph 1974 auf. Sie spielen sich in Italien schnell in die Rolle des Turnierfavoriten.

"Die Argentinier hatten im ganzen Turnier keine überzeugende Leistung gebracht. Es war ein Wunder, dass sie wieder im Finale standen. Die wären beinahe schon in der Gruppenphase rausgegangen", sagt Brehme. Im Viertelfinale gegen Jugoslawien wie im Halbfinale gegen Italien mussten sie ins Elfmeterschießen. "Nur weil sie mit Sergio Goycochea einen richtigen Elfmeterkiller im Tor hatten, sind sie weitergekommen. Ohne den wären sie längst nach Hause geflogen", sagt Brehme. Goycochea, ein ansonsten eher durchschnittlicher Torhüter, wehrt jeweils zwei Strafstöße ab.

Der Optimismus der Deutschen vor dem Finale ist auch dadurch gerechtfertigt, dass vier Argentinier gesperrt sind: Julio Olarticoechea, Sergio Batista, Ricardo Giusti - und Claudio Caniggia, der kongeniale Spielpartner Maradonas, der einzig gefährliche Angreifer der Argentinier. Brehme: "Die waren schon geschwächt, das ist richtig. Aber das war ja nicht unser Problem. Das hatten sie sich mit ihrer robusten Spielweise selbst zuzuschreiben."

Im Endspiel schießt Brehme in der 85. Minute das 1:0. Es ist ein Elfmeter. Rudi Völler ist im Strafraum gefoult worden oder auch nicht, der mexikanische Schiedsrichter Codesal Mendez jedenfalls zeigt auf den Punkt - "weil er das vorher zweimal versäumt hatte", so Brehme. Goycochea ahnt die Ecke, Brehme zielt derart platziert, dass der Ball unhaltbar links unten im Tor einschlägt. "Unser Sieg war hochverdient. Es war ein einseitiges Endspiel, wahrscheinlich das einseitigste in der Geschichte der WM", sagt Brehme.

Als der Schlusspfiff ertönt, stürmen die deutschen Spieler auf ihren Teamchef zu und umarmen ihn, führen Freudentänze auf und laufen eine Ehrenrunde nach der anderen. Beckenbauer hält sich aus dem Trubel raus. Er spaziert in Gedanken versunken über den Platz. Das Bild geht noch heute um die Welt.

"Dass wir Weltmeister wurden, war keine Überraschung", sagt Brehme, der damals für Inter Mailand spielte, "wir hatten eine Supermannschaft mit 22 gleichwertigen Spielern. Und das Wichtigste war: Die Stimmung war sensationell, fast wie im Urlaub. Der Franz ließ uns alle Freiheiten, weil er wusste, dass er sich auf uns verlassen konnte. Und schließlich haben wir ihn auch nicht enttäuscht."