Die großen Spiele gegen die Südamerikaner in einer Serie. Heute: Harald Schumacher über das Endspiel 1986 gegen Argentinien.

Hamburg. Am Sonnabend kommt es im Viertelfinale in Kapstadt zum sechsten WM-Duell zwischen Deutschland und Argentinien. Die beiden Endspiele 1986 in Mexiko (3:2 für Argentinien) und 1990 in Italien (1:0 für Deutschland) sowie das dramatische Viertelfinale 2006 in Berlin (5:3 für Deutschland im Elfmeterschießen) zählen zu den Fußball-Klassikern. In einer Serie berichten deutsche Nationalspieler, wie sie die Spiele erlebt haben. Zu Beginn sprachen wir Harald "Toni" Schumacher, 56, der 1986 gegen Argentinien im deutschen Tor stand. Er erzählt von seiner Begegnung mit Diego Maradona, von verpassten Chancen und seinem Rat an die Löw-Elf.

Abendblatt: Herr Schumacher, was ist Ihre spontane Erinnerung beim Stichwort Finale 1986 gegen Argentinien?

Harald Schumacher : Dass ich die Chance hatte - genau wie 1982 im Endspiel gegen Italien -, Weltmeister zu werden. Und dass ich dieses große Ziel leider nicht erreicht habe.

Spüren Sie noch Bitterkeit?

Nein. Damals war die Enttäuschung riesig, keine Frage. Doch heute weiß ich, dass ich zu den ganz wenigen Fußballern auf der Welt gehöre, denen es vergönnt war, zweimal im Finale einer Weltmeisterschaft zu stehen.

Ausgerechnet im Endspiel hatten Sie nicht Ihren besten Tag.

Das stimmt. Das 0:1 durch den Kopfball von Jose Brown ging eindeutig auf meine Rechnung. Als der Freistoß von rechts in den Strafraum flog, habe ich mich verschätzt und bin am Ball vorbeigeflogen. Auch die beiden anderen Tore hätte ich verhindern können, wäre ich in Topform gewesen. So wie ich es zuvor während des gesamten Turniers war.

Es war ein dramatisches Spiel. Deutschland kam nach einem fast aussichtslosen 0:2 wieder zurück und glich zum 2:2 aus.

Und dann ist ausgerechnet mit uns Deutschen das südamerikanische Temperament durchgegangen. Die Argentinier waren stehend k. o. nach unserem Ausgleich. Da wollten wir sie noch in der regulären Spielzeit niederringen, sofort das 3:2 machen. Klüger wäre es gewesen, einfach ruhig und kontrolliert zu spielen. Und dann hat noch ausgerechnet Hans-Peter Briegel auf Abseits gespielt, obwohl ihm als unserem schnellsten Spieler kein Argentinier weggelaufen wäre. So konnte Jorge Burruchaga allein auf mich zulaufen und den Siegtreffer erzielen. Den sensationellen Pass auf Burruchaga hatte übrigens Maradona geschlagen.

Was verbinden Sie mit Maradona?

Er war der alles überragende Spieler dieser Weltmeisterschaft. Keiner konnte auch nur annähernd sein spielerisches Niveau erreichen. Ich weiß noch, dass wir vor dem Endspiel alle gedacht haben, wenn Diego kein Tor erzielt, können wir es schaffen. Diego hat dann auch nicht getroffen - aber verloren haben wir trotzdem.

Was verbinden Sie sonst mit der WM in Mexiko?

Es gab kaum Abwechslung im Quartier. Wir haben nur vor jedem Spiel mit unserem Delegationschef Egidius Braun, dem späteren DFB-Präsidenten, eine nahe gelegene Kapelle besucht, um dort zu beten. Tief beeindruckt hat uns damals der Besuch in einem Waisenhaus. Die Zustände waren schrecklich, die Kinder dort mussten in Obstkisten schlafen. Damals haben wir mit Egidius Braun die Mexiko-Hilfe des DFB aus der Taufe gehoben.

Hatten Sie mal freie Tage, ähnlich wie jetzt die deutsche Mannschaft?

Nein, wir waren praktisch eingesperrt. Auch unsere Frauen durften uns nicht im Hotel besuchen. Und da die Journalisten auch im Teamquartier wohnen durften, standen wir 24 Stunden am Tag unter öffentlicher Kontrolle.

Herr Schumacher, jetzt kommt es wieder zu einem Duell mit Argentinien. Ist die Rollenverteilung ähnlich wie vor 24 Jahren?

Nein, damals war der Abstand zu Argentinien ungleich größer. Wir hatten nicht die spielerische Qualität, über die die heutige Mannschaft verfügt. Dafür konnten wir kämpfen wie kein anderes Team. Und mit dieser Einstellung hätte es fast zum Titel gereicht.

Was erwarten Sie am Sonnabend?

Es wird deutlich schwerer als gegen England. Die Argentinier sind eine Weltklassemannschaft. Aber wir haben eine Chance, sie zu bezwingen.

Lesen Sie morgen: Jens Lehmann über das Viertelfinale 2006 in Berlin