Die großen Spiele gegen Argentinien - heute spricht Jens Lehmann über das Elfmeterschießen im WM-Viertelfinale 2006.

München. Es war nicht so geplant, aber lange überlegen musste Jens Lehmann nicht, als ihn die neuen Kollegen vom TV-Sender Sky fragten, ob er am Sonnabend beim Viertelfinale des DFB-Teams gegen Argentinien nochmals den Experten geben wolle. Lehmann wollte. Auch wenn er sich an die Rolle mit dem Mikrofon in der Hand noch lange nicht gewöhnt hat: "Das ist ein wenig schwierig. Von der Fifa wird ja sehr rigoros beobachtet, dass man nicht über die Linie tritt. Ich hab's dann mal gemacht, es ist zwar keiner gekommen, aber die haben schon blöd geguckt."

Natürlich hätte er gern noch mal WM gespielt, erzählt er nun beim Pressetermin im Münchner "Café Glockenspiel". Der Abschied vom Rasen fällt schwer, selbst ein Comeback schließt er nicht aus: "Ich sehe mich noch mehr als Spieler denn als Moderator oder Kommentator. Aber so ist das Leben." Dieses Leben hat ihm schon so manches beschert, auch "die für uns Deutsche schönste WM, die man überhaupt haben konnte". Einer der Höhepunkte dabei: das Elfmeterschießen gegen Argentinien, fast auf den Tag genau vor vier Jahren. Von Wehmut ist nichts bei ihm zu spüren: "Ich hoffe, dass es wieder ein Elfmeterschießen geben wird. Dann ist meine Geschichte mal passé." Ob diese gehaltenen Elfer sein tollster Moment als Profi waren? "Nö. Ich hätte das mal besser ausleben sollen. Danach gab's ja die Enttäuschung im Halbfinale."

Dennoch kann er lange über dieses besondere Erlebnis reden, auch über den berühmten Zettel: "Das war ja kein Running Gag, sondern reine Notwendigkeit. Der Zettel entstand zwischen Tür und Angel, auf einem Sofa nach dem Mittagessen. Ich hatte meine Informationen, Andy Köpke seine aus der DFB-Datenbank, und er hat das dann zusammengeschrieben. Ich hatte in meinen bisherigen Elfmeterschießen auch immer Zettel dabei. Die sind halt nur nicht so gezeigt worden. Ich hatte die auch nicht immer in den Stutzen."

CACAU FÄLLT AUS - PODOLSKI AUCH?

Die Quote der Vorhersagen und der tatsächlichen Elfmeterschüsse beziffert er mit etwa 50 Prozent. "Cruz hat in die laut Zettel angekündigte Ecke geschossen: allerdings links hoch, nicht halbhoch. Und Mascherano - hat der verwandelt? Hat der überhaupt geschossen? Ach nee, Maxi Rodriguez. Der hat ihn reingetan. Der stand auch auf dem Zettel. Ayala kannte ich noch aus Mailand. Der stand auf dem Zettel, aber in meiner anderen Ecke. Ich bin also einmal gegen den Zettel gesprungen, aus dem Bauch raus." Weitere Geheimnisse lässt er sich nicht entlocken, sagt nur: "Es gibt eine Taktik beim Elfmeterschießen." Wie die aussieht? "Nur so viel: Es gibt diesen Zeitpunkt, wenn sich der Schütze nicht mehr umentscheiden kann. Selbst wenn er den Torwart ausgucken will. Wenn ich in dieser Millisekunde springe, habe ich größere Chancen. Cambiasso stand nicht auf dem Zettel, da musste ich halt überlegen, was ich mache. Der hatte vorher in der Champions League gegen Villarreal gespielt, bevor wir mit Arsenal gegen Villarreal gespielt haben. Und dann sieht man im Spiel, wie der Spieler gern den Ball verteilt, wie er einen Freistoß schießt - und den hat er auch in seine Elfer-Ecke geschossen. Man bekommt ein Gefühl dafür, wo er sich sicher fühlt. Das Schöne ist ja: Man hat als Torwart manchmal ein bisschen Zeit, während des Spiels daran zu denken. Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch kein Elfmeterschießen verloren."

Manuel Neuer auch nicht, weiß Lehmann: "Er hat auch schon Elferschießen gewonnen, vor zwei Jahren gegen Porto. Also: keine schlechten Voraussetzungen fürs Viertelfinale."