Borussia Dortmunds Titelverteidigung euphorisiert eine ganze Region. Jetzt will der BVB auch noch den DFB-Pokal gegen Bayern gewinnen.

Dortmund. Irgendwann, im späteren Verlauf des Abends, wurde sich Jürgen Klopp auch der persönlichen Bedeutung der Titelverteidigung bewusst. Mittlerweile waren die Gläser kleiner geworden. Vom Pils, das der Trainer des alten und neuen deutschen Meisters noch im Stadion aus XXL-Gläsern genossen hatte, war man mittlerweile auf Weißwein umgestiegen.

Es schien ihm fast ein wenig peinlich zu sein, dass man ihn nun die Reihe der großen Bundesligatrainer einreihen will, denen es gelungen war, zweimal hintereinander deutscher Meister zu werden. Viele waren es nicht, nur acht bisher. Und darunter waren lediglich vier, die nicht in Diensten des Rekordmeisters Bayern München standen. Zuletzt war es Ottmar Hitzfeld vor 16 Jahren gelungen, den Titel gegen die Bayern zu verteidigen - dem Architekten der großen Ära in den 90er-Jahren. Und vorgestern kam dann Klopp dazu. Ein Meilenstein in seiner Karriere, der ihm offenbar immer noch abstrakt erschien.

Dortmund feiert nach 2:0 gegen Gladbach die Meisterschaft!

"Wir hatten in den letzten Jahren so viel Glück mit so vielen Entscheidungen", sinnierte er, bevor er im Piazza Navona, dem Stammitaliener von BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, gemeinsam mit der Mannschaft, den Funktionären und Mitarbeitern der Geschäftsstelle bei einem Viergängemenü die achte Meisterschaft in der Vereinsgeschichte feierte. Er dankte speziell Sportdirektor Michael Zorc und Geschäftsführer Watzke für ihr Vertrauen in den mittlerweile knapp vier Jahren gemeinsamer Zusammenarbeit.

Entstanden sei eine Meistermannschaft, die gar nicht so schwer zu trainieren sei. Weil sie eben nicht nur über große Qualität verfüge, sondern über einen noch größeren Enthusiasmus. "Da kann ich gar nicht so viel falsch machen, dass ich diese Jungs nicht ans Laufen kriege", sagte Klopp fast schon kokett bescheiden. Er ist halt, und das unterscheidet ihn noch immer von früheren großen Vereinstrainern, ein absoluter Teamspieler.

Klopp, der längst zum Gesicht des BVB geworden ist, lässt trotz aller Extrovertiertheit Luft für andere. Manchmal sogar unfreiwillig. Weil er eine knappe Stunde nach Schlusspfiff am Sonnabend durch diverse Bierduschen reichlich ramponiert aussah, tauchte er auch nicht bei der obligatorischen Pressekonferenz auf. Er ließ seinem Chef Watzke den Vortritt. Der Trainer sehe zurzeit "wirklich nicht gut aus", sagte der Geschäftsführer und fügte durchaus selbstironisch an, dass er "vier Jahre davon geträumt" hätte, einmal Jürgen Klopp vertreten zu dürfen.

Schließlich gab es durchaus Spekulationen, dass Klopps große Popularität von anderen Dortmunder Funktionsträgern geneidet würde. Allein: Sie stimmen nicht. Ein entscheidender Grund für den anhaltenden Erfolg ist, dass in Dortmund auf administrativer Ebene jeder das macht, was er am besten kann. Watzke, der Sanierer nach der bedrohlichen Finanzkrise, setzt die Rahmenbedingungen, in denen Zorc die Mannschaft zusammenstellt, die Klopp dann nach seinen Vorstellungen formen kann. Jeder wesentliche Beschluss der vergangenen Jahre fiel einstimmig. Die Einigkeit und Entschlossenheit der Führungstroika überträgt sich auf die Mannschaft. Trotz des unerwarteten Erfolgs in der vergangenen Saison konnte es so gelingen, Teamgeist und Geschlossenheit aufrechtzuerhalten. Schwierige Phasen wie nach dem holprigen Saisonauftakt, als die spielerische Leichtigkeit abhandengekommen schien und der Druck der Favoritenbürde noch ungewohnt war, wurden souverän gemeistert. Neuzugang Ilkay Gündogan, der zunächst große Probleme hatte, die Lücke, die der Abgang von Nuri Sahin gerissen hatte, zu füllen, wurde die Zeit gegeben, die er brauchte.

Auch als der Titelverteidiger nach dem sechsten Spieltag acht Zähler Rückstand auf die Bayern hatte, blieben gegenseitige Schuldzuweisungen aus. Selbst als Shootingstar Mario Götze fast vier Monate verletzt ausfiel, konnte dies auf beeindruckende Art und Weise kompensiert werden. Die Zahlen sprechen für sich: 26 Spiele ungeschlagen, Vereinsrekord mit derzeit 75 Punkten, Ligarekord mit 41 Zählern in der Rückrunde - dazu noch zwei Siege über den Verfolger aus München.

Der Überraschungsmeister der vergangenen Saison ist gereift. Die Spielweise wurde variabler: Auch die Ballbesitzzeiten konnten deutlich erhöht werden. "Die Mannschaft hat sich auf hohem Niveau verbessert und findet immer besser die Balance zwischen Kontrolle und Stechen", lobte Watzke die fortschreitende Entwicklung. Den Titel zu verteidigen sei "außergewöhnlich". Er selbst, das gab er zu, hätte damit zu Saisonbeginn "nie gerechnet".

"Wenn es jemals einen verdienten Meister gegeben hat, dann sind wir das", sagte Klopp voller Stolz auf seine Spieler, die zum Showdown noch einmal einen Nerventest bestehen mussten. Noch im Mannschaftshotel Lennhof, vor der Abfahrt ins Stadion, konnten sie sich bereits als Meister fühlen, als sie im Fernsehen verfolgten, dass Werder Bremen gegen Bayern führte. Kurz nach der Ankunft im Stadion, als sie in den Katakomben die Schlussphase der Partie erlebten, wussten sie: Sie sind es doch noch nicht.

"Das war die größte Herausforderung an eine Mannschaft, die ich je betreut habe", so Klopp, der sich in dieser speziellen Situation jedoch auf seinen Kapitän verlassen konnte: Es war Sebastian Kehl, der die Mannschaft einschwor. Die Folge war eine gewohnt nervenstarke Vorstellung, ein ungefährdetes 2:0 (1:0) über Borussia Mönchengladbach und somit ein sicher verwandelter Matchball. An vielen Plätzen in der Stadt kam es zu spontanen Meisterfeiern, auf dem Wall, dem Straßenring um die City, stauten sich hupende Autos. Bis zur offiziellen Feier müssen sich die Anhänger noch gedulden. Erst am 13. Mai, dem Sonntag nach dem DFB-Pokal-Finale in Berlin gegen die Bayern, wird es so weit sein. Erstmals könnten die Dortmunder das Double gewinnen. Dieser Triumph wäre das Sahnehäubchen auf einem erfolgreichen Spieljahr.