Jupp Heynckes schwärmte von der Willensleistung seines Teams – und der „Hunger“ auf dem Weg ins Heimfinale bleibt riesengroß. Nach dem 2:1-Erfolg im grandiosen Halbfinal-Hinspiel wollen die Münchner um Siegtorschütze Mario Gomez auch in Madrid auf Sieg spielen.

München. Das Lächeln von Mario Gomez bekam nach Schlusspfiff nur die hübsche spanische Reporterin zu sehen. Immer wieder lugte der Matchwinner während zahlreicher Interviews in Richtung der blonden Journalistin – gab sich vor den deutschen Kollegen aber gewohnt bescheiden: „Mein Tor war ein kleiner Teil, der dazu beigetragen hat, dass wir eine gute Ausgangsposition haben“, sagte der 26-Jährige eingemummelt in eine dicke Wollmütze. Vielleicht hatte er nicht gemerkt, dass er Superstars wie Cristiano Ronaldo und Karim Benzema mit seinem starken Auftritt beim 2:1 (1:0) gegen Real Madrid ganz nebenbei über 90 Minuten eindeutig in den Schatten gestellt hatte.

In der Torjäger-Liste nimmt Gomez es mit Lionel Messi auf, nun schwärmt nach dem Halbfinal-Hinspiel der Champions League jeder von ihm und nicht vom 95-Millionen-Mann Ronaldo. „Ich habe einfach gemacht, was ein Stürmer machen muss“, sagte aber Gomez nach seinem zwölften Champions-League-Treffer. Dank des Last-Minute-Erfolgs des Torjägers macht sich Bayern München berechtigte Hoffnungen auf den Einzug ins große Heimfinale. Von seinem wichtigsten Tor im Bayern-Trikot wollte Gomez trotzdem nicht sprechen. Er wolle „einfach ins Finale, wie der Rest der Mannschaft auch.“

Zwölfmal haben in der Champions League außer Gomez bisher nur zwei Spieler getroffen: Ruud van Nistelrooy in der Saison 2002/03 und Weltfußballer Messi, der die diesjährige Liste mit 14 Treffern anführt. Ronaldo hingegen war in der Königsklasse „erst“ achtmal erfolgreich. Dem Portugiesen, der in der spanischen Liga übrigens schon 41 Treffer zu Buche stehen hat, sagt man Angst vor großen Spielen nach. Die hat Gomez nun wirklich nicht.

Mit welchem Körperteil er den Ball in der 90. Minute über die Linie bugsiert hatte, wusste er selber nicht mehr: „Ich habe ihn gar nicht gesehen. Ich bin einfach rein gelaufen, weil ich dachte, der kommt gleich rein“. Das Knie reichte aus, um Real kurz vor Schluss den finalen Schock zu versetzen. „Mario hat insgesamt ein klasse Spiel gemacht. Er war läuferisch stark, hat den Ball gut gehalten, ist in die Zweikämpfe gegangen. Neben Ribery war er bester Spieler für mich heute“, lobte Trainer Jupp Heynckes seinen Torgaranten.

40 Tore in 46 Pflichtspielen hat der ehemalige Stuttgarter in dieser Spielzeit für die Bayern schon geschossen. „Das ist das, was Mario auszeichnet. Er braucht Flanken und antizipiert gut“, sagte Heynckes. Inzwischen kann Gomez aber viel mehr. Viel öfter war er aus dem Spiel heraus zur Stelle als seine prominenten „königlichen“ Kollegen, setzte seinen wuchtigen Körper zudem defensiv ordentlich ein. Zwei gute Chancen (40./71.) vergab er – im entscheidenden Moment aber schlug er zu.

Und als die spanische Schönheit mal kurz einen Moment nicht zu sehen war, sendete Gomez auch eine kleine Kampfansage für das Rückspiel am kommenden Mittwoch nach Madrid. „Mit unserer Offensivstärke sind wir auswärts immer für ein Tor gut“ – vor allem er.

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Bastian Schweinsteiger hatte sich seinen 75. Auftritt im Europapokal dagegen zumindest persönlich anders vorgestellt. Mit finsterer Miene, dick eingemummelt und vor allem wortlos verließ Bayern Münchens Strippenzieher am Dienstagabend die Katakomben der Münchner Arena. Na klar, die Chance auf das große Heimfinale ist sicherlich da, das „unnötige Gegentor“ (Mario Gomez) von Mesut Özil aber ging maßgeblich auf Schweinsteigers Kappe.

„Er hat da sicherlich etwas unglücklich agiert, wie aber auch der Rest der Mannschaft“, sagte Trainer Jupp Heynckes. Schweinsteigers Ballverlust an der eigenen Strafraumgrenze hatte in der 53. Minute den Spielzug eingeleitet, in dem die gesamte Bayern-Mannschaft von den „Königlichen“ ausgekontert worden war. Einen richtigen Vorwurf machte Schweinsteiger freilich keiner. Als er nach rund einer Stunde aber das Feld für Thomas Müller räumen musste, sah man dem 27-Jährigen die bittere Enttäuschung an. Zu gerne hätte er seinen Fehler selbst ausgebügelt.

Heynckes würdigte er beim Pflicht-Handschlag keines Blickes. Seine Laune besserte sich erst wieder ein wenig, als Gomez in der 90. Minute mit dem Siegtreffer seinen Fehler (fast) ausbügelte. Dabei hatte Schweinsteiger zuvor ein gutes Spiel gemacht. Noch etwas behäbig nach der zweiten achtwöchigen Verletzungspause binnen einer Saison: „Aber ich war zufrieden mit ihm“, sagte Heynckes und lobte Schweinsteigers „strategische Fähigkeiten gepaart mit einer Riesenerfahrung – die braucht man gegen Real“. Phasenweise wirkte er im defensiven Mittelfeld wieder wie der alte, so schmerzlich vermisste Schweinsteiger. Er ordnete das Spiel, setzte Akzente und kämpfte.

„Er hatte zwei schwere Verletzungen und ist noch nicht zu 100 Prozent fit“, erklärte Heynckes die frühe Auswechslung. Auch, dass Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge den Schachzug als „goldrichtige Entscheidung“ bezeichnete, sollte keineswegs ein Affront gegen Schweinsteiger sein. Vielmehr versucht Heynckes gerade, das „Fingerspitzengefühl“ umzusetzen, zu dem ihm Franz Beckenbauer in der „Causa Schweinsteiger“ schon vor einigen Wochen geraten hatte.

Noch genügt es für den Nationalspieler nicht, um 90 Minuten mit den topfitten Kollegen auf einem Niveau zu spielen. „Deshalb habe ich mich gefreut, dass er 60 Minuten durchgehalten hat“, sagte Heynckes. Gegen Bremen am Samstag soll Schweinsteiger wohl als einer der wenigen Stammspieler erneut eine Stunde Spielpraxis bekommen: „Damit er dann vielleicht 90 Minuten im Bernabeu durchhält“. Das Stadion in Madrid würde er am kommenden Mittwoch nämlich lieber freudig, im lockeren Shirt und voller Kampfansagen verlassen.

Internationale Pressestimmen

SPANIEN

„El País“: „Real spekulierte auf ein Remis und wurde dafür bestraft. Beide Teams zwängten die Partie in ein taktisches Korsett. Sie wussten, dass jeder Fehler entscheidende Konsequenzen haben kann, und taten daher alles, Fehler zu vermeiden.“

„El Mundo“: „Wieder einmal stolpert Real Madrid in der Hölle von München. Immer diese Deutschen! Dabei trägt der Schütze des Siegtores der Bayern einen spanischen Namen: Gómez.“

„Marca“: „Özils Tor kann Gold wert sein. Real hat gute Chancen, zum Finale nach München zurückzukehren.“

„As“: „Real kann in München einfach nicht gewinnen, auch wenn Augenthaler, Hoeneß und Rummenigge längst nicht mehr spielen. Die alten Schreckgespenster haben zwar Haare verloren, nicht aber ihre Wirkung auf die Madrilenen.“

ENGLAND

„Sun“: „Mario Gomez landete in letzter Sekunde einen Treffer und befeuerte damit Bayerns Traum von einem Finale in München.“

„Daily Mail“: „Die Bilanz von Real Madrid in München ist derart schlecht, dass man um Jose Mourinhos Hoffnungen fürchten muss, die Champions League mit drei verschiedenen Clubs zu gewinnen – selbst, wenn sie bis zum Finale in der Allianz Arena im nächsten Monat überall gewinnen. Sie sind in diesem Wettkampf zehnmal nach Bayern gefahren, und neunmal haben sie verloren.“

„The Times“: „Gómez lacht zuletzt, indem er den Bayern eine schmale Führung gibt.“

„Daily Telegraph“: „Gómez' Schmettern und Packen betäubt Real“

„The Guardian“: „Es war ein Spiel zwischen zwei Größen des europäischen Fußballs, aber es hatte eine Rohheit und eine Hitzigkeit in sich, die jeden an die Rivalität zwischen diesen Clubs erinnerte.“

ITALIEN

„La Gazzetta dello Sport“: „Bayern reale (königliches Bayern). Mou zittert. Das Gomez-Tor lässt Real erstarren.“

„Tuttosport“: „Ribery und Gomez – Oh weh, Mourinho. Bayern und Real zeigten ein wunderschönes Spiel.“

„Corriere dello Sport“: „Gomez versenkt Mourinho.“

FRANKREICH

„L'Équipe“: „Von einem explosiven Ribéry angetrieben haben die Deutschen die spanische Armada zum Kentern gebracht. Angesichts der Intensität dieser ersten Begegnung zeichnet sich für nächsten Mittwoch in Madrid ein fantastisches Halbfinal-Spiel ab.“

„France Football“: „Das ist Fußball! Bayern München hat sich in einem hochklassigen Spiel daheim im ersten Halbfinale der Champions League gegen Real Madrid mit 2:1 durchgesetzt. Eine gute Nachricht für Laurent Blanc: Franck Ribéry, Schütze des ersten Treffers, hat es lichterloh brennen lassen.“

„Le Figaro“: „Die Bayern können daran glauben! Das Team galt vor dem Halbfinale als Außenseiter, aber Bayern München hat alle Voraussagen Lügen gestraft und das Hinspiel gegen Real Madrid 2:1 gewonnen.“

PORTUGAL

„Público“: „Mourinho musste in der letzten Minute der Partie schmerzhaft zur Kenntnis nehmen, dass er mit seiner vor dem Spiel gemachten Aussage Recht hatte: Die Bayern spielen wie eine echte Mannschaft.“

„Jornal de Noticias“: „Bayern ist wirklich der Angstgegner von Real Madrid in der Champions. Ironie des Schicksals: Es war ausgerechnet das Ausgleichstor von Özil (53.) nach Pass des inspirationslosen Ronaldo, der kurz davor eine Chance in unglaublicher Form vergeben hatte, das den Anfang vom Ende von Real Madrid in der Allianz Arena einleitete. Die Bayern wachten auf, Real zog sich zurück und José Mourinho setzte irrtümlicherweise auf das Unentschieden.“

„A Bola“: „Tradition hat im Fußball noch Gewicht. Die „Merengues„ können in München weiter einfach nicht gewinnen. In zehn Auswärtsspielen bei den Bayern hat die Mannschaft aus Madrid neun Schlappen kassiert und nur ein Remis erreicht. Bayern und Real waren auf der Höhe ihrer Ruhmesblätter und lieferten ein großes Match.“

Statistik:

München: Neuer - Lahm, Boateng, Badstuber, Alaba - Luiz Gustavo, Schweinsteiger (61. Thomas Müller) - Robben, Toni Kroos, Ribery - Gomez. - Trainer: Heynckes

Real: Casillas - Arbeloa, Pepe, Ramos, Coentrao - Alonso, Khedira - Di Maria (80. Granero), Özil (69. Marcelo), Ronaldo - Benzema (84. Higuain). - Trainer: Mourinho

Schiedsrichter: Howard Webb (Rotherham)

Tore: 1:0 Ribery (17.), 1:1 Özil (53.), 2:1 Gomez (90.)

Zuschauer: 66.000 (ausverkauft)

Beste Spieler: Badstuber, Schweinsteiger, Ribery - Alonso, Özil, Benzema

Gelbe Karten: Badstuber (2), Robben, Lahm (2) - Alonso (4), Coentrao (2), Di Maria, Ramos (2), Higuain (2), Marcelo

Torschüsse: 15:13

Ecken: 6:4

Ballbesitz: 53:47 Prozent

Mit Material von dapd