Jupp Heynckes schwärmte von der Willensleistung seines Teams – und der „Hunger“ auf dem Weg ins Heimfinale bleibt riesengroß. Nach dem 2:1-Erfolg im grandiosen Halbfinal-Hinspiel wollen die Münchner um Siegtorschütze Mario Gomez auch in Madrid auf Sieg spielen.

München. Arjen Robben zögerte nicht lange, als er nach dem Spiel gefragt wurde, ob der FC Bayern München das Finale der Champions League erreicht. "Ja", so die kurze und gleichermaßen überzeugende Antwort des Niederländers nach dem 2:1-Sieg im ersten Halbfinale gegen Real Madrid. Und auch Siegtorschütze Mario Gomez demonstrierte Selbstbewusstsein. "Wir träumen nicht vom Finale, wir glauben daran", sagte der Stürmer, der in der Nachspielzeit einen Vorlage von Philipp Lahm mit dem Oberschenkel über die Linie drückte.

Gomez und seine Teamkollegen ließen sich vor der tosenden Fankurve feiern, Jupp Heynckes schwärmte nach dem verdienten 2:1 von der Leidenschaft seines FC Bayern. „Das zeichnet meine Mannschaft aus, dass wir nie aufgeben, dass wir eine super Moral haben, dass man dann auch solch einen Sieg erzwingt“, betonte der Trainer am Dienstagabend. Das in der Bundesliga im Titelkampf gescheiterte Team habe in der Champions League eindrucksvoll „Leidenschaft, Gier und Hunger“ auf dem Weg ins Heim-Finale am 19. Mai demonstriert. Und mit dem Sieg im Rücken soll in einer Woche auch die Festung Bernabéu erobert werden.

Zwar hatte Heynckes so kurz nach dem Schlusspfiff eines hochklassigen Halbfinalspiels „natürlich nicht die Strategie, wie wir dort spielen“. Aber gemauert werden soll nach den berauschenden 90 Minuten von München auf keinen Fall. „Der FC Bayern wird seinem Stil treubleiben und auch in Madrid nach vorne spielen“, versicherte der 66-Jährige.

+++ Das Spiel im Liveticker +++

Das Spiel des Jahres, das Promis wie Bundestrainer Joachim Löw oder Lothar Matthäus ins Stadion und Hunderte Millionen in aller Welt vor die Bildschirme gelockt hatte, hatte für Real vor dem Anpfiff mit einer bösen Überraschung begonnen. Unbekannte stahlen sechs Paar Schuhe und drei Trikots aus der Kabine des spanischen Rekordmeisters in der Münchner Arena. Eladio Parames, der persönliche Sprecher von Real-Trainer José Mourinho, bestätigte, dass unter anderem die Schuhe von Superstar Cristiano Ronaldo und einige Paare des deutschen Nationalspielers Mesut Özil entwendet wurden. „Wir lassen uns aber nicht einschüchtern, wir sind Real Madrid – mit oder ohne Stiefel“, wurde er zitiert.

Alle Stars des spanischen Rekordmeisters hatten jedenfalls beim Anpfiff passendes Schuhwerk. Real begann mit den deutschen Nationalspielern Özil und Sami Khedira, dafür saß Weltstar Kaka zunächst nur auf der Bank. Der Ex-Dortmunder Nuri Sahin musste gar auf der Tribüne Platz nehmen. Bayern ging dagegen in Bestbesetzung in die Partie, also auch mit Spiellenker Bastian Schweinsteiger. Dafür sah WM-Torschützenkönig Thomas Müller zunächst von draußen zu.

Viele Geschichten über die Angst der „Galaktischen“ vor der „Bestia Negra“, der schwarzen Bestie aus München, hatten vor dem Spiel die Runde gemacht. In drei von vier Halbfinal-Duellen in der europäischen Königsklasse hatte sich der deutsche Rekordmeister durchgesetzt, in vor dem Duell neun Heimspielen achtmal gewonnen und einmal remis gespielt. Doch die Gäste fanden relativ schnell zu ihrem trickreichen Kombinationsspiel und schnürten die Bayern teilweise in der eigenen Hälfte ein.

Die erste große Chance des französischen Torjägers Karim Benzema nach acht Minuten vereitelte Bayern-Keeper Manuel Neuer jedoch mit einer Weltklasseparade. Das war der richtige „Wachmacher“ für die nervösen Gastgeber, die jetzt aggressiver in die Zweikämpfe gingen. Die erste gute Kombination der Gastgeber sorgte gleich für Riesenaufregung. Franck Ribery fiel im Strafraum nach einem leichten Zupfer von Sergio Ramos, doch WM-Finalschiedsrichter Howard Webb gab zu Recht keinen Elfmeter.

Die Aufregung auf dem Spielfeld hatte sich kaum gelegt, als den Bayern der erträumte frühe Führungstreffer gelang. Nach der ersten Ecke von Kroos konnte Ramos nicht klären und der ganz stark auftrumpfende Ribery jagte den Ball aus acht Metern ins Tor. Dabei stand Luiz Gustavo im Abseits und verdeckte Torhüter Iker Casillas die Sicht.

Doch das Tor zählte und die in diesem Jahr im laufen Wettbewerb noch ungeschlagenen Madrilenen waren sichtlich beeindruckt. Es entwickelte sich ein hochklassiges Spiel mit starken Szenen auf beiden Seiten. Brenzlig wurde es vor dem Bayern-Tor vor allem nach Standards – der Freistoß des von Superstar Cristiano Ronaldo (21.) rauschte über das Tor. Nach 40 Minuten parierte Neuer zunächst sicher gegen Benzema und im Gegenzug verhinderte Casillas mit einer tollen Parade gegen Mario Gomez das 0:2.

Mit rauschendem Beifall verabschiedeten die Fans die Bayern in die Kabine – und erstarrten acht Minuten nach dem Wechsel. Die Münchner wurden im Stadion im Hochgeschwindigkeits-Stil von den „Königlichen“ eiskalt ausgekontert. Özil brauchte eine maßgenaue Flanke des ansonsten von Kapitän Philipp Lahm gut abgeschirmten Ronaldo nur noch einzuschieben. Trainer Jupp Heynckes brachte als Reaktion in der 61. Minute Müller für den nicht überzeugenden Schweinsteiger.

Bayern versuchte alles, doch der eigentlich verdiente Siegtreffer fiel nicht. Gomez hatte in der 71. Minute die Riesenchance zum 2:1 - doch er schoss aus fünf Metern freistehend über das Gehäuse. Zwei Minuten später strich ein Kopfball des Torjägers knapp über die Latte. Kurz vor Schluss wurden die Bayern dann doch noch belohnt. Gomez schob eine Flanke von Lahm zum Siegtreffer ins Netz.

„Es ist keine Schande hier zu verlieren. Es war eine etwas hässliche Partie. Beide Mannschaften haben nicht sehr gut gespielt. Normalerweise muss das Spiel 1:1 ausgehen. Aber im Fußball sind Tore wichtig", sagte Real-Coach Jose Mourinho bei "Sky". "Das erste Tor war abseits, aber ein Schiedsrichter kann mal einen Fehler machen. Warten wir das zweite Spiel ab. Ich glaube, wir sind in einer guten Position, das Finale zu erreichen“, so Mourinho.

Bayern-Star Thomas Müller glaubt an ein Weiterkommen der Bayern: „Madrid ist gefährlich. Aber man hat gesehen, dass wir gebissen haben und am Ende was reißen wollten. Jetzt ist fürs Rückspiel alles möglich. Es ist ein gefährliches Ergebnis, aber wir haben schon mal gewonnen jetzt.“

2001 hatte Bayern letztmals die Champions League gewonnen - damals hatte man im Halbfinale Real Madrid ausgeschaltet. Auch damals siegte der deutsche Rekordmeister im Hinspiel in München mit 2:1.

Statistik:

München: Neuer - Lahm, Boateng, Badstuber, Alaba - Luiz Gustavo, Schweinsteiger (61. Thomas Müller) - Robben, Toni Kroos, Ribery - Gomez. - Trainer: Heynckes

Real: Casillas - Arbeloa, Pepe, Ramos, Coentrao - Alonso, Khedira - Di Maria (80. Granero), Özil (69. Marcelo), Ronaldo - Benzema (84. Higuain). - Trainer: Mourinho

Schiedsrichter: Howard Webb (Rotherham)

Tore: 1:0 Ribery (17.), 1:1 Özil (53.), 2:1 Gomez (90.)

Zuschauer: 66.000 (ausverkauft)

Beste Spieler: Badstuber, Schweinsteiger, Ribery - Alonso, Özil, Benzema

Gelbe Karten: Badstuber (2), Robben, Lahm (2) - Alonso (4), Coentrao (2), Di Maria, Ramos (2), Higuain (2), Marcelo

Torschüsse: 15:13

Ecken: 6:4

Ballbesitz: 53:47 Prozent

Mit Material von dapd, dapd und sid