Nationaltorwart Robert Green kostet England den Auftaktsieg gegen die USA - an solche Patzer ist man auf der Insel mittlerweile gewöhnt.

Rustenburg. Sie sahen aus, als würden sie noch zu einer glamourösen Feier fahren. Die englischen Nationalspieler um Torwart Robert Green zogen sich nach dem 1:1 (1:1) gegen die USA in ihrem ersten Spiel bei der WM in Südafrika graue Westen, graue Anzüge, schwarze Krawatten und schwarze Lederschuhe an. Dabei hatten sie um kurz vor Mitternacht nur wenige Meter zum Mannschaftsbus zurückzulegen. Es war der beste Eindruck, den sie an diesem Abend machten. Auf dem Spielfeld hatten sie - wie schon so oft bei einer WM - nicht überzeugt.

Und ihr Torwart hatte sich - wie schon so oft bei einem großen Turnier - einen schweren Fehler erlaubt. Nachdem Kapitän Steven Gerrard die Engländer in Führung gebracht hatte (was den englischen TV-Zuschauern wegen einer Bildstörung auch noch vorenthalten wurde), ließ Green einen harmlosen Schuss von Clint Dempsey ins Tor rollen. "Ich hätte nicht gedacht, dass der reingeht", sagte selbst der Torschütze. Und auch einige englische Fans im Stadion Royal Bofakeng in Rustenburg konnten über den schweren Patzer ihres Torhüters nur lachen.

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"Er hatte nicht seinen besten Tag", sagte US-Verteidiger Steve Cherundolo von Hannover 96 und grinste. Und Green selbst sagte: "Ich hätte den Ball haben müssen. Es ist eben passiert. Ich kann es nicht mehr ändern. Mit der Kritik muss ich jetzt umgehen." Und die fällt erwartet scharf aus. In Anlehnung an die legendäre "Hand Gottes" von Diego Maradona titelt der "Mirror": "The hand of clod", die Hand des Dummkopfes.

Die Engländer haben ein besonderes Verhältnis zu ihren Torhütern. Denn die vermasseln ihnen in regelmäßigen Abständen immer wieder wichtige Spiele. Im WM-Viertelfinale 2002 in Japan und Südkorea gegen Brasilien ließ David Seaman einen harmlosen Freistoß von Ronaldinho ins Netz fallen, England verlor 1:2. Zwei Jahre später führten die Briten im Qualifikationsspiel für die WM 2006 2:0 gegen Österreich, ehe David James einen Ball unter seiner Brust über die Linie rutschen ließ. Das Spiel endete 2:2. Scott Carson patzte gleich in seinem ersten Länderspiel 2007, in der EM-Qualifikation gegen Kroatien (2:3). Im Hinspiel wollte Paul Robinson einen harmlosen Rückpass von Gary Neville wegschlagen. Blöd nur, dass er in den Rasen trat. Das Spiel endete 0:2, und England verpasste die EM-Endrunde.

Nun also Keeper Green, den in der Heimat einige nun eher für einen Greenkeeper, also Golf-Rasenpfleger, halten. Dabei galt der 30-Jährige von West Ham United als einer der besten Torhüter der Premier League. Mit parierten Strafstößen hat er sich den Ruf eines "Elfmeter-Killers" erarbeitet. Turniererfahrung hat er jedoch keine, 2006 fiel er wegen einer Leistenverletzung aus. Im englischen Fußball-Geschichtsbuch schreibt er folgendes Kapitel: Beim 0:1 gegen die Ukraine wurde er als erster englischer Torhüter des Feldes verwiesen. Jetzt ergänzt sein Name ein Kapitel, das viele Autoren hat. Und das die Frage aufwirft: Warum nur hat England keine guten Torhüter?

"Die Ausbildung der englischen Torhüter ist einfach nicht mit der in Deutschland vergleichbar", sagt Daniel Memmert, Leiter des Instituts für Kognitions- und Sportspielforschung an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Die englischen Klubs hätten es versäumt, die gute Nachwuchsarbeit bei den Feldspielern auf die Torhüter zu übertragen. Und nicht nur das: Memmert sieht mittlerweile schon ein psychologisches Problem. "England hat in den letzten Jahren immer nur die Hoffnung, nie die Gewissheit gehabt, einen guten Torwart zu haben. Medien und Bevölkerung vertrauen ihren Schlussleuten nicht", sagt er.

Green erfuhr erst kurz vor der Abfahrt zum Stadion, dass er Englands Tor hüten würde. Deshalb, so diskutiert England, trage auch Trainer Fabio Capello Schuld am WM-Fehlstart. Der Italiener sagt nur: "Ein Fehler hat uns den Sieg gekostet. Manchmal vergeben Stürmer Chancen, diesmal war es ein Torwart-Fehler."

Nach dem 1:1 gegen die USA wird der Druck im zweiten Vorrundenspiel gegen Algerien noch größer. Möglich, dass Capello dann auf Keeper David James (39) setzt. Der hat mehr Erfahrung, ist aber ebenso für Fehler bekannt. Die Mannschaft stärkt Green bislang den Rücken. Torschütze Gerrard hält den WM-Ball für knifflig und ist sicher, dass Green der Mannschaft noch einen Sieg retten werde. Green selbst sagt: "Man muss den Kopf oben behalten. Ich lasse mich nicht beeinflussen. Das ist das Leben eines Torwarts." Zumindest das eines englischen.

England: Green - Johnson, Terry, King (46. Carragher), A. Cole - Lennon, Lampard, Gerrard, Milner (31. Wright-Phillips) - Rooney, Heskey (79. Crouch). USA: Howard - Cherundolo, Demerit, Onyewu, Bocanegra - Bradley, Clark - Dempsey, Donovan - Altidore (86. Holden), Findley (77. Buddle).

Tore: 1:0 Gerrard (4.), 1:1 Dempsey (40.).

Schiedsrichter: Simon (Brasilien). Zuschauer: 38 646 (ausverkauft). Gelbe Karten: Milner, Carragher, Gerrard - Cherundolo, Demerit, Findley.