Der Altersschnitt des Kaders liegt nur bei 24,9 Jahren - mit Geheimcodes will Joachim Löw die fehlende Routine wettmachen

Erasmia. Wenn es den Titel "Planungs-Weltmeister" gäbe, wäre Joachim Löw sicher ein heißer Anwärter darauf. Der Bundestrainer beließ es in den vergangenen Tagen in der Vorbereitung auf das Spiel gegen Australien am Sonntag (20.30 Uhr/ZDF) nicht nur dabei, der Mannschaft die üblichen Videosequenzen zu Stärken und Schwächen des Gegners vorzuführen. Im Vorfeld des ersten WM-Spiels hat sich Löw nun auch um eine in Südafrika während der WM-Endrunde wichtige Form der nonverbalen Kommunikation gekümmert:

Die Zeichensprache.

Weil am Sonntag im 2009 fertiggestellten und 69 957 Zuschauer fassenden Moses-Mabhida-Stadion Zehntausende Vuvuzelas sämtliche Anweisungen von der Trainerbank niedertuten dürften, hat der 50-Jährige mit seinen Spielern drei, vier Codes vereinbart, um mit seinen taktischen Befehlen zur Mannschaft vorzudringen.

Löw will eben nichts dem Zufall überlassen, schon gar nicht bei der Zusammensetzung dieser Mannschaft. Der Fußballlehrer äußerte sich während der nun abgeschlossenen Vorbereitung bis zuletzt sehr zufrieden über die Leistungsbereitschaft seiner Schüler. Ob diese aber ihre Anweisungen im jugendlichen Eifer zuweilen vergessen werden, ist für Löw eine der spannenden Fragen, wenn die deutsche Mannschaft in das Turnier einsteigt. Ist diese deutsche Nationalmannschaft auch ohne Erfahrung gut? Wie gut setzen sie die Anweisungen vom Fußballvater um, wie die Positionen zu interpretieren sind, wie das Umschalten von Offensive zu Defensive und umgekehrt zu gestalten ist? "Das ist ein ganz schmaler Grat. Aber ich habe volles Vertrauen in diese Mannschaft", sagt Löw, ohne es aber genau zu wissen.

Mindestens drei Spieler aus der Mannschaft, die 2009 im schwedischen Malmö die Europameisterschaft der U 21 feierte, werden gegen Australien in der Startformation stehen: Manuel Neuer, Mesut Özil und Sami Khedira. Dazu kommt voraussichtlich Holger Badstuber, der mit seinen 21 Jahren eigentlich noch ein Junior ist. Das Quartett kommt zusammen auf 22 Länderspiele. Klingt eigentlich verrückt, so in ein WM-Turnier zu starten, aber es kommt noch besser. Auf der Ersatzbank sitzen mit Jérome Boateng (5 Länderspiele), Dennis Aogo (2) und Marko Marin (9) drei weitere EM-Juniorensieger von 2009. Serdar Tasci (12 Länderspiele) gehörte eigentlich auch fest zum Stamm dieser Mannschaft, fehlte in Schweden aber verletzt. Stefan Kießling (4 Einsätze), Thomas Müller (2), Toni Kroos (4), und Cacau (8) mangelt es ebenfalls an internationaler Erfahrung. Aber auch die Zahl der Lebensjahre ist übersichtlich: Nur 1934 (24,16) ging Deutschland mit einem noch geringeren Durchschnittsalter in ein Turnier: 24,9 Jahre (siehe Kasten unten).

Umso erstaunlicher war die folgende Aussage von Philipp Lahm am Freitag zu bewerten: "Das ist die Nationalmannschaft mit der meisten Qualität, in der ich bisher gespielt habe." Im Kader stünden, so der DFB-Kapitän, viele Spieler, die in der Offensive das Eins gegen Eins suchten. Nach seinen Eindrücken wimmelt es förmlich von technisch sehr starken, spielerisch orientierten Spielern, die "nicht das typisch deutsche Fußballspiel" verkörpern würden. "Diese junge Mannschaft ist hungrig, im Training herrschen Tempo und Begeisterung vor." Bastian Schweinsteiger, sein Stellvertreter im Kapitänsamt, mochte da nicht zurückstehen: "Das hier könnte etwas ganz Großes werden." Ob diese Lobeshymnen der Kapitän im Wartestand, Michael Ballack, der die Mannschaft ab dem Achtelfinale vor Ort unterstützen will, so gerne vernommen haben wird?

Bis zuletzt lässt sich Löw die exakte Besetzung seiner WM-Startelf offen. "Über zwei, drei Positionen machen wir uns noch Gedanken", sagte Co-Trainer Hansi Flick am Tag vor dem Abflug nach Durban am Sonnabend um 10.30 Uhr. Eventuell schon nach dem Abschlusstraining am Abend will der Trainerstab dann der Mannschaft seine Personalentscheidungen mitteilen.

Die offenen Positionen, die Flick ansprach, betreffen die Linksverteidiger-Position, wo aber alles auf Badstuber hinausläuft. Im rechten Mittelfeld erhält Piotr Trochowski wohl den Vorzug, da Löw das Wagnis mit noch mehr Unerfahrenheit (Thomas Müller) scheut und der Bayern-Jungstar bewiesen hat, dass er ein guter Joker ist.

Zwar wollte Löw bei Miroslav Klose offiziell auf die letzten Eindrücke warten, doch der mit 96 Länderspielen bestückte Stürmer hat seine Nominierung sicher, sollte er nicht auf dem Weg aus der Dusche ausrutschen.

Die Taktik gegen die defensivstarken Australier ist hingegen klar: "Wenn wir behäbig aufbauen, stehen die Australier sofort wieder in ihrer Grundordnung", warnt Löw. Ein Zeichencode ist deshalb klar gesetzt: Attacke!