Der Präsident der Vereinigung deutscher Spielervermittler über Verurteilungen, Provisionen und Spieler als Objekte von Investment-Gesellschaften.

Köln. Die Geschichte des Verbandes ist noch jung. Erst 2007 gründeten Spielervermittler die "Vereinigung der deutschen Spielervermittler" (DFVV). Inzwischen sind über 50 Berater organisiert, die vor allem gegen das Schmuddel-Image der Branche kämpfen. Vor der Jahreshauptversammlung am Montag in Köln sprach das Abendblatt mit Präsident Karl-Heinz Thielen (69), einst Nationalspieler sowie Manager der Bundesliga-Klubs 1. FC Köln und Fortuna Düsseldorf.

Abendblatt: Herr Thielen, nennen Sie Ihre Berufsbezeichnung eigentlich gern?

Karl-Heinz Thielen: Was soll denn diese Frage?

Abendblatt: Na ja, das Image des Spielervermittlers ist desaströs. In der Branche wird gern von Abzockern gesprochen. Für René C. Jäggi, den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des 1. FC Kaiserslautern, sind Vermittler "Blinddärme, die niemand braucht".

Thielen: Herr Jäggi arbeitet inzwischen selbst als Berater. Da erübrigt sich der Kommentar.

Abendblatt: Für Bundesliga-Rekordspieler Karl-Heinz Körbel bildet der große Teil der Vermittler eine "Rattengesellschaft". Auch für ihn sind Berater völlig überflüssig. Früher hatten die Spieler auch keine.

Thielen: Der gute Charly unterschätzt, wie sehr sich das Geschäft inzwischen gewandelt hat. Spieler-Transfers sind heute eine sehr komplexe Materie.

Abendblatt: DFB-Sportdirektor Matthias Sammer zählt ebenfalls zu den Kritikern Ihrer Branche.

Thielen: Das weiß ich. Und wissen Sie was? Er ist unser Gast bei unserer Versammlung am Montag. Weil er mit uns reden will. Denn diese Pauschalurteile sind einfach nur ärgerlich. Denn der weitaus größte Teil der Vermittler sind absolut seriöse Kaufleute.

Abendblatt: Das Image-Problem ist also nur eine Erfindung der Medien. Wer's glaubt ...

Thielen: Nein, unser Berufsstand leidet unter schwarzen Schafen. Es gibt inzwischen zu viele Vermittler ohne Lizenz, die illegal ihre Geschäfte machen. Unser Verband kämpft gegen diese Leute. Wir sind dort auch mit dem DFB in guten Gesprächen. Leider plädiert der Weltverband Fifa eher für eine Deregulierung des Marktes. Aus unserer Sicht der falsche Weg.

Abendblatt: Herr Thielen, glauben Sie ernsthaft, dass eine Lizenz das Problem löst? In Deutschland müssen sie dafür in einem schriftlichen Test 20 Fragen beantworten, 250 Euro Anmeldegebühr zahlen sowie ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.

Thielen: Fragen Sie doch mal den DFB nach der Durchfallquote.

Abendblatt: Um die 90 Prozent.

Thielen: Sehen Sie, man braucht eben doch Fachwissen.

Abendblatt: Früher waren die Bedingungen aber viel schärfer.

Thielen: Richtig, ich musste noch eine schriftliche und mündliche Prüfung machen, dazu 200 000 Schweizer Franken als Kaution hinterlegen. Leider sind die Hürden inzwischen niedriger. Ich plädiere ja auch dafür, dass Fortbildungen in Abständen von zwei, drei Jahren zur Pflicht werden. Die rechtliche Materie ändert sich ständig.

Abendblatt: Was ist denn so kompliziert? Ein Verein ruft Sie an und will Ihren Spieler. Sie machen den Vertrag klar und kassieren eine hohe Provision. Ist die Lizenz nicht eher eine Erlaubnis zum Gelddrucken?

Thielen: Sie haben ein falsches Bild von unserem Berufsstand.

Abendblatt: Klären Sie uns auf.

Thielen: Zunächst investiert man sehr viel Zeit und Mühe in junge Spieler, von denen man glaubt, sie könnten es vielleicht mal schaffen. Sie beobachten das Training, sprechen mit den Eltern, geben Tipps für die weitere Entwicklung. Das ist sehr zeitintensiv. Und wenn es am Ende einer von vier Kandidaten packt, ist das schon viel. Außerdem sind die Provisionen bei Einsteigern nicht gerade hoch.

Abendblatt: Dafür machen Vermittler bei prominenten Spielern richtig Kasse. Wir wissen, dass Ihr niederländischer Kollege Rodger Linse allein beim Transfer von Nigel de Jong vom HSV zu Manchester City drei Millionen Euro in Raten einstreichen wird.

Thielen: Ich kenne den konkreten Fall nicht. Aber es ist doch wohl so, dass der HSV über den Vermittler eine in dieser Höhe nicht erwartete Ablöse von 18 Millionen Euro erhalten hat. Außerdem zwingt doch niemand den Verein, eine solche Provision zu zahlen.

Abendblatt: Als Vermittler haben Sie gut reden ...

Thielen: Ich saß auch 15 Jahre für Köln und zwei Jahre für Düsseldorf auf der anderen Seite - als Manager oder als Vizepräsident. Und es gibt Situationen, da musst du hart bleiben. Beim FC habe ich in der Winterpause der Saison 92/93 in höchster Abstiegsgefahr den norwegischen Abwehrspieler Roger Nilsen verpflichtet. Auch dank ihm haben wir damals die Klasse erhalten. Bei der Vertragsverlängerung stellte der Berater dann unverschämte Forderungen. Darauf habe ich beiden Herren gesagt, dass sie den Verein wieder verlassen müssen. Viel leichter wäre es doch gewesen, den Forderungen zuzustimmen.

Abendblatt: Warum machen die Vermittler ihre Provisionen nicht einfach öffentlich? Dann ist zumindest Schluss mit dem Vorwurf der Mauschelei.

Thielen: Ebenso gut könnte ich fordern, dass alle Sportjournalisten ihre Gehälter offenlegen sollen. Ich bin aber für völlige Transparenz aller Transfer- und Provisions-Zahlen gegenüber der DFL.

Abendblatt: Wieso gibt es denn nicht wenigstens verbindliche Provisionssätze wie etwa bei Immobilienmaklern?

Thielen: Weil bei uns jeder Fall völlig anders ist. Ein 18-jähriges Talent mit einem sehr niedrigen Einstiegsgehalt kann einen hohen Aufwand verursachen. Das können Sie nicht mit einem arrivierten Bundesliga-Spieler vergleichen. Aber wissen Sie, was mich in diesem Gespräch die ganze Zeit stört?

Abendblatt: Nein.

Thielen: Wir reden hier nur über Geld, Geld, Geld. Der Fußball ist aber kein reiner Wirtschaftszweig. Er ist viel mehr. Hier geht es um Sport, um den Menschen, um den Fair-Play-Gedanken. Ich habe zu meinen Verhandlungspartnern ein sehr gutes Verhältnis. Mich nennt niemand einen Abzocker.

Abendblatt: Dann müssen wir aber auch über Vorwürfe reden, dass Spielervermittler schon Zwölfjährige als Klienten gewinnen wollen. Oder dass Talente aus Südamerika vermittelt werden, die hier stranden.

Thielen: Solche Auswüchse gibt es. Und die verurteile ich. Aber es gibt eben auch die anderen Fälle. Mich hat neulich ein Vater angerufen, ob ich seinen 15-jährigen Sohn, einen hoch talentierten Burschen, bei einem großen Klub unterbringen könnte. Dem habe ich gesagt, lass es sein, Dein Junge hat einen guten Trainer, lass ihn in seinem Umfeld. Und wenn er 18 ist, können wir reden. Auch das ist für mich seriöse Beratung. Einen Wechsel besser nicht zu machen. Dafür gibt es übrigens keine Provision.

Abendblatt: Und was kann man gegen die schwarzen Schafe in Ihrer Branche unternehmen?

Thielen: Es gibt ja klare Regeln, etwa, dass nur Rechtsanwälte sowie Spielervermittler mit Lizenz einen Transfer machen dürfen. Verstöße gegen diese Regeln können mit Strafen gegen den Verein, gegen den Spieler oder gegen den Berater geahndet werden. Aber können Sie mir einen solchen Fall in Deutschland nennen?

Abendblatt: Nein.

Thielen: Eben, genau das ist das Problem. Chelsea ist dagegen nach einem Verstoß vom englischen Verband mit einem Transferverbot belegt worden. Diese Entschlossenheit wünsche ich mir weltweit. Es kann auch nicht angehen, dass Spieler plötzlich von Investment-Gesellschaften gekauft werden, die nur den großen Reibach wittern. Fußball darf nie ein reines Geschäft werden. Fußball ist die Chance der Jugend der ganzen Welt. Er ist der größte Brückenbauer zwischen den Nationen.

Abendblatt: Hätten Sie in Ihrer aktiven Zeit mit einem Berater mehr verdienen können?

Thielen: Ich habe ja 1959 als Abiturient noch für den Kölner Vorstadtklub TuS Rodenkirchen gespielt. Da gingen meine Schuhe kaputt, meine Eltern hatten kein Geld für neue. Da hat der Präsident gesagt, der Junge schießt so viele Tore, dem zahle ich ein neues Paar. Prompt gab es Neid in der Mannschaft. Und ich war so verärgert, dass ich schließlich zum großen 1. FC Köln gewechselt bin. Von Verhandeln konnte keine Rede sein. 400 Mark im Monat waren damals die Höchstgrenze. Das hätte auch ein Vermittler nicht ändern können. Aber ich war einfach stolz, dass ich mit meinen einstigen Idolen spielen durfte.