Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat ihr letztes Training vor der EM-Generalprobe gegen Israel ohne Bastian Schweinsteiger bestritten. Damit dürfte der Mittelfeldspieler vom deutschen Rekordmeister FC Bayern München auch im Test gegen Israel fehlen. Kapitän Philipp Lahm spricht von einer „ernsten“ Blessur.

Tourrettes. Bastian Schweinsteiger drehte einsam seine Runden auf einem Platz oberhalb der Trainingsfläche in Tourrettes, wo die 22 anderen Nationalspieler wieder einmal nur Kleinfeldfußball spielten. Miroslav Klose machte dabei mit nach seinen Rückenproblemen der Vortage, die wie Joachim Löw sagte, „ein bisschen mit seinem Alter zusammenhängen“. Der 33 Jahre alte Stürmer müsse sich „reinquälen“, meinte der Bundestrainer, ebenso wie Per Mertesacker. Der Verteidiger, gerade erst 27 Jahre alt, wirkte beim Training staksig und hölzern wie immer, gelenkig wie ein Riesen-Pinocchio. Löw hat mit deutlichen und offenen Erklärungen klar gemacht, wie groß seine Probleme zehn Tage vor der Europameisterschaft sind. Auch im letzten Training vor der EM-Generalprobe fehlte Schweinsteiger. Damit dürfte der Mittelfeldspieler vom deutschen Rekordmeister FC Bayern München auch im Test gegen Israel an diesem Donnerstag in Leipzig (20.30 Uhr/ARD) fehlen. Wie ernst ist die Verletzung wirklich? Kapitän Philipp Lahm spricht von einer „ernsten“ Blessur.

Oliver Bierhoff relativierte dagegen die Sorgen um den Vizekapitän. „Ich habe volles Vertrauen, dass es gehen wird und bin für das erste Vorrundenspiel guter Dinge“, sagte der Manager der deutschen Nationalmannschaft. Eine genaue Diagnose wollte Bierhoff nicht preisgeben, er sprach lediglich von „Problemen mit der Wade“. Schweinsteiger trainierte zuletzt nicht mit der Mannschaft und wird wohl auch im Länderspiel am Donnerstag gegen Israel fehlen. Parallelen zu Ex-Kapitän Michael Ballack, der bei der EM vor vier Jahren ebenfalls an Wadenproblemen laborierte, wollte Bierhoff nicht ziehen. „Bei ihm war es eine Verletzung, die häufiger aufgetreten ist und kein einzelner Fall“, sagte Bierhoff: „Bei Bastian Schweinsteiger sollte mit dem richtigen Auskurieren die Sache erledigt sein.“

Das Team sieht Bierhoff als beste deutsche Mannschaft seit den Europameistern von 1996. „Seitdem ich dabei bin, habe ich in der Stärke keinen besseren Kader gesehen“, sagte der Schütze des Golden Goals von 1996. Bierhoff warnte aber auch gleichzeitig vor Überheblichkeit: „Wir haben in der Champions League mit Chelsea oder bei der EM 2004 mit Griechenland gesehen, dass es nicht wichtig ist, den besten Kader zu haben.“

Mit der Rückkehr nach Deutschland am Mittwochabend soll sich endlich alles zum Guten wenden. Man fühlt sich schließlich trotz der holprigen Vorbereitung seit dem 11. Mai und dem 3:5 in der Schweiz am Samstag noch immer als großer Favorit für das EM-Turnier. Aber seit 1981 ist keine deutsche Nationalmannschaft mehr so schlecht in ein Jahr gestartet wie das Löw-Team 2012. Zwei Niederlagen hintereinander wie das 1:2 gegen Frankreich in Bremen und die Pleite in Basel gab es zuletzt vor 31 Jahren, allerdings gegen die Topgegner Argentinien und Brasilien.

21 Tage nach dem Trainingsstart erwartet Löw von der EM-Generalprobe im Zentralstadion den Befreiungsschlag und wichtige personelle Hinweise. Rücksicht darauf, in der Partie gegen Israel das volle körperliche Leistungsvermögen entfalten zu können, nimmt der Trainer aber nur eingeschränkt. „Alles ist alles darauf ausgerichtet, gegen Portugal voll im Saft zu stehen“, sagte er. Die Priorität liegt natürlich auf dem ersten EM-Gruppenspiel in Lwiw (Samstag, 9. Juni, 18.00 Uhr). Irgendwie ist das Leipziger Spiel nur ein Zwischenschritt zur letzten Vorbereitungswoche, die nach einem Besuch des Konzentrationslagers Auschwitz durch eine Team-Delegation nach einem freien Wochenende am Montag in Danzig beginnt. „Mir ist diese Woche wichtig, in ihr müssen Reize gesetzt werden“, sagte Löw.

Dann will er aber genauer wissen, wie es um Klose und Mertesacker steht. Am Dienstag sagte Löw überraschend, dass es sein könne, dass nicht jeder Spieler wirklich die Fitness mitbringe, alle EM-Spiele zu bestreiten. In schlechtem Zustand befindet sich auch Schweinsteiger wegen einer hartnäckigen und schmerzhaften Wadenverletzung. Von den psychischen Problemen der Münchner, von denen nach der Niederlage der Bayern im Endspiel der Champions League so oft die Rede war, spricht niemand mehr. „Bastian lacht viel, macht Späße, redet und ist normal“, sagte Kollege Sami Khedira über den 27-Jährigen. Dass Schweinsteiger, bei der WM 2010 noch der spielstarke Organisator, in Leipzig spielen kann, ist allerdings sehr ungewiss.

Und Löw muss weiter an seiner Abwehr, der Problemzone schlechthin, basteln. Philipp Lahm wird auf die linke Seite verfrachtet, nachdem er zuletzt bei den Bayern rechts spielte. Dort soll in der Nationalelf sein Kollege Jerome Boateng auflaufen, der in München innen verteidigt. Dort spielt Holger Badstuber mit „Mister X“, entweder entscheidet sich Löw für Mertesacker ohne Spielpraxis oder für Mats Hummels, obwohl er die Spielweise des Dortmunders wenig schätzt.

Gegen Israel findet also nur ein weiterer Probelauf statt. Wenn es nicht rund wird, war es keine ernsthafte Titelprüfung. Der Gegner, auf Platz 58 der Weltrangliste liegend, ist ein anderes Kaliber als die EM-Gruppengegner Portugal (Weltranglisten-Platz 5), die Niederlande (4) und Dänemark (10). „Israel ist ein hartnäckiger Gegner“, sagte Löw.

Trainer Eli Guttman hospitierte im November beim DFB-Team. „Er hat etwas über unser Programm, unsere Denk- und Spielweise und unsere Philosophie erfahren. Er kennt unsere Mannschaft sehr gut“, erklärte Löw. Von drei Duellen verlor die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) noch keins, das letzte 2002 in Kaiserslautern ging sogar 7:1 aus. Gegen die anderen EM-Teilnehmer Kroatien (1:3) und Ukraine (2:3) verlor Israel zuletzt. Eine Niederlage mitten im EM-Training würde Löw verkraften, aber einfacher würde die komplizierte EM-Vorbereitung für sein angeschlagenes Team nicht.

Die voraussichtliche Aufstellung gegen Israel

Neuer – Boateng, Mertesacker, Badstuber, Lahm – Khedira, Kroos - Müller, Özil, Podolski – Gomez

Mit Material von dpa