Joachim Löw wird auch zur EM-Generalprobe in Leipzig nicht seine Turnier-Elf präsentieren. Schweinsteiger ist verletzt. Auch Klose und Mertesacker sind noch weit von ihrer Bestform entfernt.

Tourrettes. Sorgen um Bastian Schweinsteiger: Der Vizekapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft fällt am Donnerstag im letzten Test vor der Europameisterschaft in der Leipziger Arena gegen Israel (20.30 Uhr/ARD und im Liveticker auf abendblatt.de) wohl aus. „Er hat einen Bluterguss in der Wade“, berichtete Löw: „Das macht die Sache schwieriger als gedacht.“ Bei ärztlichen Einwänden werde er „einen Teufel tun und einen Spieler angeschlagen in ein Spiel schicken“. Die Fans sind bereits in Sorge. Wird der Mittelfeldstar überhaupt wieder rechtzeitig fit? Nach dem verschossenen Strafstoß im Finale der Champions League ist "Schweini" ohnehin mental angeschlagen. Nun zittert Deutschland um die "Wade der Nation". Erinnerungen werden wach an Michael Ballack, der vor der WM 2006 in Deutschland mit Wadenproblemen zu kämpfen hatte und im ersten Spiel nur zuschaute.

An seinem mutigen Anspruch an das zentrale Mittelfeld will Löw aber auch ohne Schweinsteiger festhalten. „Im Mittelfeld baue ich auf drei spielstarke Spieler, die offensiv und defensiv richtig gut sein müssen, egal welche Namen auf den Trikots stehen“, unterstrich der Freiburger trotz der Warnschüsse gegen die Schweizer. „Wir werden nicht davon weggehen, weil wir einmal fünf Gegentore bekommen haben“, sagte Löw und versprach für die Endrunde in Polen und der Ukraine: „Wir werden stabiler sein, wenn das Turnier beginnt, wacher, dynamischer.“ Noch jünger als bei der WM 2010 ist das Team schon mal. Mit einem Durchschnittsalter von 23,57 Jahren geht die Mannschaft in die EM. In Südafrika hatte schon der Schnitt von 24,96 Jahren international für Staunen gesorgt.

Von Besorgnis wollte Löw nach der Pleite gegen die Schweiz partout nichts wissen. „Ich überlasse es Ihnen, ob Sie sich Sorgen machen“, entgegnete der Bundestrainer kurz vor dem Ende des zweiten Trainingslagers in Südfrankreich amüsiert einem Reporter. Weder der 3:5-Test, noch die Chaos-Abwehr oder die Probleme der Vize-Bayern ordnete Löw zum Abschluss der „Tour de France“ der deutschen Nationalmannschaft als besorgniserregend ein.

„Insgesamt sind wir im Soll“, resümierte der 52 Jahre alte Gipfelstürmer am Tag vor der Abreise aus Tourrettes. Sein Team sei auf dem Weg zur EM-Topform nach einem holprigen Prolog inzwischen sinnbildlich auf dem Anstieg nach L'Alpe d'Huez, dem berühmten Radsportziel bei der Frankreichrundfahrt: „Wir müssen hart arbeiten, um da irgendwie hochzukommen.“

Die EM-Generalprobe gegen Israel ordnete Löw als gute Gelegenheit ein, sein nun auf 23 Spieler reduziertes Personal voranzubringen und Zweifel wegzuschieben. „Ein gutes Ergebnis wäre sicher wünschenswert, das würde uns den Schub geben“, betonte der Chef der deutschen EM-Mission. Die bisherigen drei Spiele gegen Israel wurden gewonnen. Ein Fest wie das 7:1 von 2002 in Kaiserslautern würde die EM-Euphorie wieder schüren. Experimente aber behält sich Löw auch für das letzte Länderspiel vor dem EM-Ernstfall am 9. Juni im ukrainischen Lwiw gegen Portugal vor.

Eine Baustelle muss Löw ganz rasch beheben: Die Mannschaft muss nach hinten wieder besser zusammenarbeiten. „Zahlen lügen nicht“, mahnte Sami Khedira mit Hinweis auf die vielen Gegentreffer in den jüngsten Länderspielen: Fünf gegen die Schweiz, zwei gegen Frankreich, drei gegen die Ukraine. In den neun Partien der EM-Saison blieb die DFB-Elf nur einmal ohne Gegentor – beim überragenden 3:0 gegen Holland. „Trotz der Euphorie um die Offensive dürfen wir die Defensive nicht vergessen“, sagte Real-Profi Khedira.

Gegen Israel wird Löw seinen Abwehrverbund umstellen. Im Geheimtraining beorderte er in Jérome Boateng (rechts), Holger Badstuber (Mitte) und Philipp Lahm (links) sofort drei Münchner in die Viererkette. Aus dem Schweiz-Spiel bleibt nur Per Mertesacker als zweiter Innenverteidiger übrig. „Es ist gut, dass die Bayern jetzt hier sind. Jetzt wird im Kollektiv gearbeitet“, unterstrich der ehemalige Münchner Miroslav Klose: „Das tut der gesamten Gruppe gut.“

Klose gilt als weiterer Wackelkandidat für die Startelf gegen Portugal. Der Römer bestritt gegen die Schweiz sein erstes Länderspiel nach langer Verletzungspause. Dabei zeigte der frühere Münchner und Bremer, dass er noch lange nicht wieder in Bestform ist. Klose hat aber in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen, dass er sich auf den Punkt vorbereiten kann. Klose dürfte zunächst den Vorzug vor dem Münchner Mario Gomez erhalten.

Löw muss das Kunststück gelingen, die acht Vize-Bayern im Eiltempo in die Spur zu bringen und zugleich die Mängel aus dem Schweiz-Spiel zu beheben. „Klar ist es eine schwierige Situation für uns alle“, gab Bayern-Torwart Manuel Neuer zu. Die „Jetzt-erst-recht-Stimmung“ der Münchner sollen die Fans bereits in Leipzig spüren.

„Keine Frage, dass mit acht Bayern-Spielern die Qualität der Mannschaft steigt. Das sind Top-Leute“, bemerkte Lukas Podolski. Darauf setzt auch Löw, der beim EM-Testlauf wohl so viele Münchner wie möglich aufbietet: „Die Leadertypen wie Lahm und Schweinsteiger sind gefordert, jetzt wieder in die Mitte der Mannschaft zu kommen.“

Mit der Streichung von Stürmer Cacau (VfB Stuttgart) sowie den drei Perspektivspielern Marc-André ter Stegen (Gladbach), Julian Draxler (Schalke) und Sven Bender (Borussia Dortmund) wollte sich der Bundestrainer zum Abschied aus Südfrankreich nicht mehr lange aufhalten. Zumindest den drei Talenten machte er echte Hoffnung auf eine rasche Rückkehr in die DFB-Auswahl. „Die jungen Spieler haben nicht nur angeklopft, sondern die Tür aufgemacht“, erklärte Löw.

Die voraussichtliche Aufstellung gegen Israel

Neuer – Boateng, Mertesacker, Badstuber, Lahm – Khedira, Kroos - Müller, Özil, Podolski – Gomez

Mit Material von dpa