Der Dribbelkünstler hat wieder Spaß. Beim 3:2 gegen Island hieß das Motto Frustbewältigung: “Wichtig für Kopf und Selbstvertrauen“.

Valenciennes. 75 Minuten hockte Franck Ribery auf der Ersatzbank. Von dort verfolgte der Star des FC Bayern München, wie sich die französische Nationalmannschaft gegen die allenfalls zweitklassigen Fußballer aus Island quälte und die anspruchsvollen französischen Fans bereits pfiffen, was ihre Lungen hergaben. Dann kam Ribery, und mit ihm der Umschwung. Ein Tor, dazu einige effektive Flankenläufe und sehenswerte Kabinettstückchen. Die „Equipe tricolore“ drehte das Spiel, gewann noch 3:2 (0:2) und am Ende schwappte gar die „La Ola“ durch das Stade du Hainault in Valenciennes.

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Eine Erkenntnis für Nationaltrainer Laurent Blanc war nach diesem ersten Härtetest für die EM 2012, dass bis zum Auftakt gegen England am 11. Juni noch viel Arbeit bleibt. Eine andere ist, dass ein gut aufgelegter Ribery den Unterschied ausmachen kann. „Es hat viel Spaß gemacht. Das Spiel nach einem 0:2 noch zu drehen, ist wichtig für den Kopf und das Selbstvertrauen. Ich habe 15 Minuten gespielt und ein Tor geschossen, das ist gut für mich“, sagte Ribery der Nachrichtenagentur dapd, nachdem er seinen ersten Länderspieltreffer seit März 2009 erzielt hatte.

Für Ribery war es eine Art Frustbewältigung nach dem „Drama dahoam“ in München mit der unglücklichen Niederlage im Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea. So dürfte dem Ausnahmetechniker die Zeit bei der Nationalelf gerade recht kommen. Als letzter Spieler ist Ribery am Sonntag zur Mannschaft dazugestoßen, in der Ukraine soll er aber voran gehen.

Frankreich soll endlich den Spaßfußballer Ribery erleben, so wie die „Grande Nation“ ihn in der Vergangenheit nur aus der Ferne in München gekannt hat. Zu selten hat der 29-Jährige in der Equipe sein Potenzial abgerufen. Nicht bei der EURO 2008 und erst recht nicht bei der WM 2010, als die französische Nationalmannschaft nach der „Schande von Knysna“ mit der Spielerrevolte in Trümmern lag.

Seitdem ist viel passiert in Frankreich. Mit der direkten EM-Qualifikation wurde der eigene Anhang wieder versöhnt. Dazu ist der zweimalige Europameister inzwischen seit 19 Spielen unbesiegt, darunter gab es Erfolge gegen Brasilien (1:0), England und Deutschland (jeweils 2:1). Was zählt, ist aber die EM, das weiß auch Blanc. Zufrieden durfte der Coach aber mit der Moral seiner Mannschaft sein. „Andere große Länder haben ihr erstes Testspiel verloren. Es ist besser, bei einem solchen Testspiel den Sieg erkämpfen zu müssen, als dass er einem in den Schoß fällt. Sie hätten die Freude der Spieler in der Kabine mal sehen sollen“, sagte Blanc.

Doch es gibt noch einige Baustellen. Die Hintermannschaft um Abwehrchef Philippe Mexes etwa, die sich haarsträubende Fehler erlaubte. Oder Mittelfeldchef Yoann Gourcuff, dem es kaum gelang, Struktur ins Spiel zu bringen. Und auch die schwache Trefferquote von Real-Madrid-Torjäger Karim Benzema in der Nationalmannschaft (13 Treffer in 43 Länderspielen) ist vielen Experten ein Rätsel.

So waren es neben Ribery (85.) die beiden Abwehrspieler Mathieu Debuchy (52.) und Adil Rami (87.), die das Spiel für Frankreich vor 20.580 Zuschauern noch aus dem Feuer holten. Island hatte nach Toren von Birkir Bjarnason (28.) und Kolbeinn Sigthorsson (34.) schon vom ersten Sieg im elften Duell mit dem Ex-Weltmeister geträumt.

Doch am Ende hielt die Serie der Elf von Blanc, der in den nächsten Tests gegen Serbien (31. Mai in Reims) und Estland (5. Juni in Le Mans) eine Steigerung erwartet. So wollten Ribery und Co. das Island-Spiel und Valenciennes schnell hinter sich lassen. Ging aber nicht. Der Flieger musste wegen Nebels in Le Touquet wieder umkehren, was irgendwo Symbolcharakter hatte. Alles läuft noch nicht rund beim EM-Mitfavoriten.