Bundestrainer Joachim Löw muss die Spieler des FC Bayern München wieder aufbauen. Helfen soll ihm dabei Kanzlerin Angela Merkel.

Eppan. Die äußeren Bedingungen waren eigentlich perfekt. Der Himmel über Südtirol zeigte sich strahlend blau, und die Temperatur lag bei 25 Grad. Dennoch entschied sich Joachim Löw am Montagvormittag gegen eine Übungseinheit unter freiem Himmel. Der Bundestrainer bat die Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in ein großes Zelt. Dort waren Fitnessgeräte aufgebaut, an denen die Profis ihre Körper in Schwung bringen und ihre Muskeln stählen sollten. Erst am Nachmittag stand noch ein Testspiel gegen eine Auswahl mit Spielern aus Südtirol an.

Löw setzt alles daran, sein Team in Form zu bringen. Denn der Weg bis zum Beginn der Weltmeisterschaft am 11. Juni ist nicht mehr lang. Dafür ist er umso beschwerlicher, auch oder gerade wegen der Spieler, die sich ab heute in die Mannschaft einreihen werden, die sieben Spieler des FC Bayern München. Nach ihrer Niederlage zum Saisonhöhepunkt im Finale der Champions League gegen Inter Mailand (0:2) macht sich der Bundestrainer zu Recht Sorgen um seinen größten Vereinsblock.

Jetzt, da der Rausch der vielen Siege beendet ist, wird Miroslav Klose, Mario Gomez, Thomas Müller und Holger Badstuber, die heute im Laufe des Tages im Quartier der Nationalelf eintreffen, sowie Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Jörg Butt, die morgen folgen, auffallen, wie kräftezehrend diese Saison für sie war.

Die meisten von ihnen haben mehr Saisonspiele bestritten als jeder andere Nationalspieler. Als glorreiche Sieben hatten sie anreisen und das Team mit breiter Brust stärken sollen. Doch daraus wurde bekanntermaßen in Madrid nichts.

Es bleibt jetzt abzuwarten, inwieweit Joachim Löw wirklich auf einen starken Bayern-Block setzen kann. Psychologisches Geschick ist jetzt gefragt, sie aus dem Tief dieser Niederlage zu holen und noch einmal Spannung aufzubauen für ein solches Turnier. "Die Bayern brauchen sicher zwei, drei, vier Tage, um die Niederlage zu verkraften", weiß Löw und hofft: "Aber dann werden sie den Schalter umlegen und das neue Ziel ins Auge fassen."

Bei Löw überwiegt zunächst die Freude darüber, dass alle ohne Verletzung durch das europäische Finale gekommen sind. Erst sagte Torhüter René Adler, dann Kapitän Michael Ballack verletzt für die WM ab, gestern kam der Ausfall Christian Träschs hinzu. "Wichtig war, dass sich im Finale kein weiterer Spieler verletzt hat", so Löw.

Nun wird er sie stark reden in den kommenden Tagen. Ihnen erklären, wie stolz sie auf diese Saison sein können. Er ganz allein muss nun den Schalter umlegen, ohne jede Schützenhilfe aus München, denn die Saison ist für die Bayern beendet.

Und das Finale in der Königsklasse zeigte, dass er sich nicht auf alle sieben Bayern-Profis gleichermaßen verlassen kann. Einzig Jörg Butt und Philip Lahm wussten in dieser Partie zu überzeugen. Die aufstrebenden Talente Badstuber und Müller bekamen zu spüren, dass im Spitzenfußball für sie noch Luft nach oben ist.

Klose und Gomez waren wieder einmal mehr Zuschauer denn Beteiligte und wussten auch als Joker nicht wirklich zu gefallen. Und Bastian Schweinsteiger war zwar erneut läuferisch sehr stark, doch auch er wusste keine Impulse nach vorn zu setzen. Das wiegt umso schwerer, da genau das von ihm nach dem Ausfall von Michael Ballack als neuem Mittelfeldchef in Südafrika erwartet wird.

Mit den meisten Bayern-Spielern wird der Bundestrainer in den ersten Tagen "sehr vorsichtig sein", um das Verletzungsrisiko nach den großen physischen und mentalen Belastungen der vergangenen Wochen niedrig zu halten. Nur Klose und Gomez müssen in Südtirol sofort Gas geben: "Sie werden vom ersten Moment an integriert und belastet, weil sie im Verein wenig Einsatzzeiten hatten", kündigt Löw an.

Lahm, der in 53 Pflichtspielen in dieser Saison keine einzige Minute fehlte, und Schweinsteiger dagegen könnten sogar beim Testspiel am Sonnabend in Budapest gegen Ungarn noch geschont werden. Löw bezeichnet das als "durchaus möglich", er wird ansonsten in dieser Partie eine Mannschaft aufbieten, deren Gesicht in etwa seiner Wunschelf entsprechen soll.

Überhaupt sollen die kommenden Tage für zahlreiche Gespräche genutzt werden, und die scheinen auch bitter nötig. Neben dem frustrierten Bayern-Block haben auch Herthas Arne Friedrich (Bundesliga-Abstieg) und die vier Bremer Nationalspieler (Niederlage im Pokalendspiel) mit den Folgen des Saisonfinales zu kämpfen. Immerhin: Außenverteidiger Lahm sagte, die WM sei "ein neues Ziel, das ich mit der Mannschaft angehen will, und auf das ich mich auch absolut freue". Löw wird das gern hören.

Der Bundestrainer hat vor den vergangenen beiden Turnieren bereits einzelne Spieler in solchen Situationen vorgefunden, wenngleich nicht so viele wie anno 2010. Jens Lehmann, die damalige Nummer eins, musste 2006 nach seiner dramatischen Champions-League-Niederlage mit Arsenal gegen den FC Barcelona mental wieder aufgebaut werden. Vor der EM 2008 war Michael Ballack gebeutelt zur Nationalelf gekommen, nachdem er mit Chelsea das Champions-League-Endspiel gegen Manchester United verloren hatte. Nur: Diesmal ist die Zahl der Frustrierten weit höher. Löw holt sich deshalb auch Hilfe von außen, um die Spieler auf die Weltmeisterschaft einzustimmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die mittlerweile ein persönliches Verhältnis mit dem Betreuerstab pflegt, wird wie 2006 zur Mannschaft sprechen.

Nach Informationen der "Welt" ist der Besuch der als Krisenmanagerin durchaus erprobten Regierungschefin für Montag geplant. Es könnte dann zu einer fulminanten Doppelveranstaltung in Südtirol kommen. Denn auch Fomel-1-Pilot Michael Schumacher soll der Mannschaft an jenem Tag einen Besuch abstatten. Er soll direkt nach dem Grand Prix in Istanbul eingeflogen werden, um allen Mut zuzusprechen. Das Team kann es gebrauchen.