Bisheriger Co-Trainer wird bei Hamburgs Eishockeyteam Nachfolger von Chefcoach Laporte, dem ein gestörtes Verhältnis zu Spielern vorgeworfen wird

Hamburg. Serge Aubin hatte seinem entlassenen Vorgänger gerade ein paar Sätze des Dankes hinterhergeschickt, als ihm ein ganz wichtiger Gedanke kam. „Ich habe meine Frau noch nicht benachrichtigt, dass ich jetzt Cheftrainer bin“, sagte er, verabschiedete sich von der kleinen Reportergruppe und verschwand im Kabinentrakt der Volksbank-Arena. Nathalie Aubin, die Ehefrau des 39-Jährigen, dürfte von der Nachricht ebenso überrascht gewesen sein wie ihr Mann, der am Donnerstagmorgen um 7.55 Uhr von Sportdirektor Stéphane Richer das Angebot erhalten hatte, bei den Hamburg Freezers vom Posten des Co-Trainers zum Chefcoach aufzusteigen. Nur wenige Minuten zuvor hatten Richer und Geschäftsführer Uwe Frommhold Amtsinhaber Benoît Laporte mitgeteilt, dass er mit sofortiger Wirkung beurlaubt würde.

Damit endete nach 1375 Tagen die Ära des dienstältesten Trainers in der zwölfjährigen Geschichte des Clubs aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) mit einem Paukenschlag, der für viele Fans und Beobachter überraschend kam. Zwar hatte die Mannschaft mit fünf Niederlagen in fünf Champions-League-Spielen und vier Pleiten in den ersten vier DEL-Partien den schlechtesten Saisonstart ihrer Historie hingelegt. Dieser schien jedoch erklärbar angesichts der vielen Verletzungen insbesondere von wichtigen Abwehrspielern und der durch die Überlastung der verbliebenen Profis entstandenen Unordnung im neuen Spielsystem. Und weil die Hamburger in der vergangenen Saison ebenso schwach gestartet, dann aber vom letzten Tabellenplatz bis zur Hauptrundenmeisterschaft durchmarschiert waren, hätten viele mehr Kredit für Laporte erwartet.

Laporte, der am 20.12.2010 ins Amt kam, war dienstältester Freezers-Coach

Der 54-Jährige zeigte sich entsprechend geschockt. „Ich bin überrascht und tief enttäuscht. Ich habe die Zeit in Hamburg sehr genossen“, lautete seine öffentliche Stellungnahme. Weil die Abfindungsmodalitäten seines bis Saisonende laufenden Vertrags noch ungeklärt sind, wird der Frankokanadier sich zunächst nicht weiter äußern. Frommhold und Richer erklärten auf einer am Donnerstagmittag einberufenen Pressekonferenz, man habe schon von Beginn der Vorbereitung an keine Entwicklung in der Mannschaft gesehen. „Unabhängig von den vielen Verletzungen haben wir eine Unsicherheit festgestellt. Wir haben lange diskutiert und beobachtet und sind dann zu der Ansicht gekommen, dass die Situation nicht mehr umkehrbar ist“, sagte Frommhold. Im Oktober 2013 habe man die meisten Spiele nur knapp verloren, sei aber oft das bessere Team mit mehr Torabschlüssen gewesen. „Das war in dieser Saison anders. Es ist nicht das Problem, dass wir verloren haben, sondern wie wir verloren haben“, sagte Frommhold weiter.

Dass die aktuelle sportliche Krise jedoch bei Weitem nicht der wichtigste Grund für die Trennung war, dazu musste man nicht einmal zwischen den Zeilen lesen. Frommhold sprach von „einer Summe vieler einzelner Faktoren, die zur Entscheidung geführt“ hätten, und dass „das Band, das Trainer und Mannschaft lange verbunden hat, sich nicht mehr hat verknüpfen lassen“. Noch viel aufschlussreicher war der Auftritt von Kapitän Christoph Schubert, der sich nicht einmal Mühe gab, die im Profisport branchenüblichen Bedauernsbekundungen zu formulieren. „Das war ein schleichender Prozess über vier Jahre, es sind viele Dinge passiert, die uns sportlich nicht geholfen haben“, sagte er. Auf die Nachfrage, ob es atmosphärische Störungen zwischen Laporte und dem Team gegeben habe, antwortete Schubert lapidar: „Wenn ich das alles erzählen würde, dann würden wir bis Dezember hier stehen.“

Fakt ist: Die Verbindung zwischen den Freezers und Laporte war nie eine Liebesheirat, sondern eine Zweckehe. Die Vertragsverlängerungen des Trainers zogen sich meist über Monate. Vor allem Richer, dessen Verhältnis zum Cheftrainer unterkühlter war als das Eis in der O2 World, stieß sich daran, dass Laporte die Medien benutzte, um Druck auszuüben. Die letzte Verlängerung im Februar dieses Jahres kam nur zustande, weil die Freezers angesichts des sportlichen Erfolgs keine Argumente hatten, Laporte, der mit seinem Abgang gedroht hatte, ziehen zu lassen. Nach dem Halbfinalaus, das Teile des Teams Laportes Taktik anlasteten, wäre der Kontrakt nicht verlängert worden.

Dennoch hatte die Mannschaft in ihrer Gesamtheit nie den Eindruck hinterlassen, dem Trainer und seinem Team nicht mehr zu folgen. Zwar hatte es in der vergangenen Woche einen Vorfall gegeben, als Nationalstürmer Thomas Oppenheimer im Training Laporte mit den Worten „Wir wollen Spaß haben!“ anbrüllte. Dass die Spieler Laportes für diese Saison ausgegebene, etwas defensivere Grundordnung noch nicht verinnerlicht haben, war ebenso offensichtlich wie das Problem, dass trotz der Zugänge von Kreativspielern wie Marty Sertich und Kevin Clark das Überzahlspiel weiterhin krankt.

Man kann Laporte vorhalten, dass er mit seiner Neigung zu Aktionismus – so veränderte er in der vorigen Woche plötzlich sein Defensivsystem – bisweilen für Unruhe sorgte, wo Gelassenheit angesagt gewesen wäre. Auch sein rauer Umgangston, den er besonders gegenüber ausländischen Stars pflegt, stieß nicht bei allen Profis auf Gefallen. Dennoch hat er unzweifelhaft vor allem die jungen deutschen Spieler, die den Freezers ihr Gesicht geben, weiterentwickelt – und er hat die Bereitschaft gezeigt, auch an sich selbst zu arbeiten.

Nun also soll es Aubin richten. Der frühere NHL-Stürmer, der seine Karriere bei den Freezers im Januar 2013 wegen einer komplizierten Daumenverletzung hatte beenden müssen, war schon in der vorangegangenen Saison, als Laportes Zukunft unsicher war, als Nachfolger gehandelt worden. „Wir vertrauen Serge und glauben, dass er der richtige Mann ist, um die Mannschaft wieder zum Erfolg zu führen“, sagte Richer. Weil Aubin, dessen Vertrag zunächst bis Saisonende läuft, nicht die nötige A-Lizenz besitzt und im nächsten Sommer zunächst die B-Lizenz erwerben wird, darf er nur mit einer Ausnahmegenehmigung auf der Bank sitzen. Richer als Inhaber der A-Lizenz fungiert als Assistenzcoach, bis ein neuer Co-Trainer gefunden ist.

Wie lange auch immer sein erstes Engagement als Cheftrainer eines Eishockeyteams dauern wird: Serge Aubin wird seiner Ehefrau erklären müssen, dass er in den nächsten Monaten sehr wenig Zeit haben wird für die Familie.