Nach einem halben Jahr als Assistenzcoach der Hamburg Freezers ist klar: Serge Aubin hat das Zeug zu mehr. Das sehen auch die Profis so.

Hamburg. Karriereplan? Serge Aubin muss grinsen, als er die Frage hört. Wenn es nach seinem Plan gegangen wäre, dann würde er jetzt bei den Spielen der Hamburg Freezers nicht als Assistent von Cheftrainer Benoît Laporte im Anzug hinter der Bande stehen, sondern im Trikot auf dem Eis. Wie schnell sich eine Karriere verändern kann, hat der 38 Jahre alte Frankokanadier allerdings erfahren müssen, als er im September 2012 einen Spaltbruch im linken Daumen erlitt. Er hat alles versucht, um noch einmal in den Kader zurückzukehren, doch vor genau 367 Tagen musste er einen Schlussstrich ziehen unter sein Leben als Leistungssportler. Deshalb sagt er nun: „Ich mache keine Pläne mehr, sondern lebe und arbeite im Moment.“

Die Momentaufnahme könnte schöner kaum sein, die „Eisschränke“ führen die Tabelle der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) an und können in den Partien gegen die Schwenninger Wild Wings (Freitag, 19.30 Uhr) und die Straubing Tigers (Sonntag, 14.30 Uhr, jeweils O2 World) ihre Heimserie auf 17 Siege in Folge ausbauen. Dennoch muss man Aubin die Sache mit dem Moment nicht glauben, denn wer ihn in diesen Wochen bei der Arbeit beobachtet, der sieht einen Menschen, der täglich einen Plan verfolgt. Noch lautet das Ziel, „die Spieler in jedem Training ein Stückchen besser zu machen“. Aber dass er irgendwann einmal als Cheftrainer arbeiten will, steht nicht infrage, und deshalb ist es angebracht, die neue Rolle des ehemaligen Topcenters zu beleuchten.

Serge Aubin war sich nach dem Karriereende nicht sicher, ob er Trainer werden sollte. Nicht, dass er sich die Fähigkeiten dafür absprach, er zweifelte vielmehr daran, ob es ihm Spaß machen würde. Nach einem knappen halben Jahr sind jedoch alle Zweifel verflogen.

Die Nervosität, die ihn anfangs plagte, diese Angst, im entscheidenden Moment das Falsche zu tun oder zu sagen, ist einer positiven Anspannung gewichen, die ihn sogar das Publikum um sich herum vergessen lässt. „Ich bin in einem Tunnel, in dem ich nichts anderes wahrnehme als das Spiel. Für Aufregung ist kein Platz mehr“, sagt er.

Schon als Aktiver versuchte der dreifache Vater, die jungen Spieler zu führen, ihnen Hilfe anzubieten. Als Assistenzcoach versteht er sich als Bindeglied zwischen Mannschaft und Laporte, auch wenn „ich die Jungs jetzt härter anfassen muss, ich sage ihnen Dinge, die ich als Mannschaftskamerad so nicht gesagt hätte“. Dass viele sich eher ihm anvertrauen als dem Chefcoach, will er nicht überbewertet wissen. „Das ist doch normal, denn der Chef muss die harte Linie durchziehen“, sagt er.

Aubin ist während der Spiele für die Verteidiger zuständig. Außerdem hält er über Funk Kontakt zu Sportchef Stéphane Richer, der das Geschehen aus einer Loge verfolgt und Tipps gibt. Aubin hatte diese Arbeitsweise angeregt, nachdem er im November auf Scoutingtour in Nordamerika Eindrücke gesammelt hatte. In puncto Akribie ergänzt er sich perfekt mit Arbeitstier Laporte, gemeinsam schauen sie morgens vor jedem Training stundenlang NHL-Highlights und Zusammenschnitte von Spielen der kommenden Gegner, um die Mannschaft perfekt einstellen zu können. Aubin ist stolz darauf, dass das Team, seit es am 18. Oktober auf den letzten Tabellenplatz abgerutscht war, „einen unglaublichen Zusammenhalt entwickelt hat. Die Jungs haben vor allem gelernt, nicht die Ruhe zu verlieren. Sie spielen konstant stark, weil sie die kleinen Dinge dauerhaft richtig machen“, sagt er.

Lob von der Mannschaft

Wie groß Aubins Beitrag zu diesem Höhenflug ist, lässt sich aus Gesprächen mit Wegbegleitern heraushören. „Er hat mich zu einem besseren Spieler gemacht. Er hat wahnsinnig viel Erfahrung, behält diese aber nicht für sich, sondern will sie mit uns teilen, damit wir alle besser werden. Das macht ihn so wertvoll“, sagt Stürmer Garrett Festerling. Abwehrspieler Duvie Westcott sagt: „Serge war schon als Spieler jemand, zu dem alle aufgeschaut haben. Er weiß genau, wie wir Spieler ticken und was wir brauchen.“ Diese natürliche Autorität hebt Aubin von seinem Vorgänger Henry Thom ab, der von einigen Spielern aufgrund seiner dünneren Vita kaum ernst genommen wurde. „Serge bringt Dinge ein, die andere nicht können“, sagt Sportdirektor Richer, „deshalb hat er unsere Qualität noch einmal deutlich erhöht“.

Dass Aubin auf dem Weg zum Cheftrainer ist, bezweifelt niemand. Eine Trainerlizenz besitzt er noch nicht, er will jedoch im Sommer zunächst einen Deutschintensivkurs belegen und danach die Trainerschulbank drücken. So könnte, sollte der zum Saisonende auslaufende Vertrag Laportes nicht verlängert werden oder dieser das Zögern der Freezers mit einem Wechsel bestrafen, die Stunde des Lehrlings schlagen. Nicht umsonst hat er im Sommer 2013 einen Zweijahresvertrag erhalten. Aubin will darüber nicht spekulieren. „Da ich es nicht kontrollieren kann, würde es nichts bringen, darüber nachzudenken. Wenn der Tag kommt, an dem ich ein Angebot erhalte, irgendwo Cheftrainer zu werden, werde ich überlegen, ob ich bereit bin“, sagt er. Dass solche Tage schneller kommen als geplant, das weiß kaum jemand besser als Serge Aubin.

Die Angreifer Matt Pettinger (Schulter) und Frédérik Cabana (Gehirnerschütterung) fehlen am Wochenende, fraglich sind die Einsätze der Verteidiger Mathieu Roy (Rücken) und Johan Ejdepalm (Schulter). Im Tor steht Dimitrij Kotschnew.