Der Torhüter der Hamburg Freezers, die an diesem Mittwoch in Köln spielen, war zuletzt in die Kritik geraten. Nun versucht er, sich selbst nicht mehr unter Druck zu setzen

Hamburg. Am Dienstagmittag mimte Niklas Treutle den Ahnungslosen. Nein, er habe keine Zeitungen gelesen und wisse deshalb nichts davon, dass er medial unter Druck geraten war nach dem 3:4 gegen die Iserlohn Roosters am vergangenen Freitagabend. An drei Gegentoren hatte der Keeper der Hamburg Freezers aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) eine Mitschuld gehabt, und in der lokalen Presse wurde er dafür hart angegangen. Diese Zeitung hatte dem 22-Jährigen abgesprochen, ein Rückhalt für sein Team zu sein.

Man muss Niklas Treutle nicht glauben, dass er von alledem nichts mitbekommen haben will. Einer wie er, ein Mensch mit einem fast zwanghaften Drang zum Perfektionismus, interessiert sich zweifelsohne für das, was über ihn geschrieben oder gesagt wird. Die Art und Weise jedoch, mit der der gebürtige Nürnberger der Kritik an seiner zuletzt so unsicheren Spielweise begegnet, nötigt höchsten Respekt ab. Treutle stellte sich nach dem Iserlohn-Spiel den Fragen der Reporter und nahm „mindestens zwei Tore auf meine Kappe“. Er versteckt sich nicht hinter Ausreden, und dass er am Sonntag bei der 3:4-Niederlage in Mannheim eine höchst solide Leistung ablieferte, spricht für ihn und seine Nervenstärke.

Die Aufgabe, die Treutle seit März übernommen hat, ist ja beileibe keine einfache. Der Mann, der als eins der größten deutschen Torwarttalente galt, als er im Sommer 2010 nach Hamburg kam, muss den an einem Kreuzbandriss laborierenden Nationaltorhüter Dimitrij Kotschnew ersetzen. Im Play-off-Viertelfinale der vergangenen Saison gegen den späteren Meister Eisbären Berlin klappte das mäßig, im August startete Treutle deshalb mit einer gehörigen Portion Druck in seine erste Saison als Nummer eins. „Natürlich ist das eine viel größere Belastung, aber ich will beweisen, dass ich das kann“, sagte er damals. Vor dem Saisonstart bat er darum, keinen Welpenschutz mehr zu erhalten, sondern wie eine etablierte Stammkraft bewertet zu werden. Diesem Anspruch muss er sich nun stellen.

Der größte Druck, sagt Niklas Treutle, sei der, den er sich selber mache. Und wahrscheinlich ist das sein größtes Problem: Dass er so sehr perfekt halten und dem mit fünf Niederlagen aus sechs Spielen in die Saison gestarteten Team, das an diesem Mittwoch (19.30 Uhr) in Köln um die Trendwende kämpft, ein Rückhalt sein will, dass er darüber verkrampft. „Es stimmt, dass ich nach den ersten Spielen, die wir verloren haben, zu viel nachgedacht habe, was ich besser machen könnte. Darunter hat meine Leistung gelitten“, sagt er. Konsequenz: „Ich muss lernen, entspannter zu werden, und aufhören, mich selbst unter Druck zu setzen.“

Augentraining für Reaktionsschnelligkeit

Das klingt einfach, doch die Umsetzung eines solchen Vorhabens ist für einen kopfgesteuerten Menschen wie Treutle schwierig. Er ist ein akribischer Arbeiter, der sich vor allem im mentalen Bereich stets weiterentwickelt. Er trainiert regelmäßig sein Gehirn mit Übungen aus der Life-Kinetik. Er absolviert Konzentrationsübungen, in diesem Sommer kam ein spezielles Augentraining dazu, um noch reaktionsschneller zu werden. Die Arbeit mit seinem persönlichen Mentalcoach, der ihm in der Vorsaison zweimal im Monat telefonisch beistand, will er wieder aufnehmen. Große Hoffnung setzt er zudem in die Gespräche mit Torwarttrainer Vincent Riendeau, 47, der seit Sonntag und noch bis nächsten Montag in Hamburg ist. „Nick ist ein junges, sehr hoffnungsvolles Talent, das sich jeden Tag beweisen muss“, sagt Riendeau, „ich versuche ihm zu helfen, nicht zu viel zu denken und sich auf seine Stärken zu konzentrieren.“

Die Rückendeckung, die Treutle dem Team zuletzt nicht geben konnte, erhält er aus dem Verein. Cheftrainer Benoît Laporte setzt bedingungslos auf seinen Youngster, und das nicht nur, weil es alternativlos ist, bis Kotschnew im November zurückkehrt, sondern auch, weil er ihm vertraut. Dass ein 22-Jähriger kein Rückhalt sein kann wie ein Nationaltorwart, ist keine Überraschung. Treutle ist ein guter Torwart, es fehlt ihm schlicht an Erfahrung; die, die er in den vergangenen Wochen gemacht hat, werden ihm jedoch weiterhelfen. „Ich habe viel gelernt und werde dadurch ein besserer Torwart sein“, sagt er. Damit wäre allen geholfen.