Nach der dramatischen 5:6-Niederlage nach Verlängerung gegen die Eisbären Berlin müssen die Hamburg Freezers nun mentale Stärke beweisen.

Hamburg. Es war eine typische Trainingseinheit, die Benoît Laporte am Donnerstagvormittag ansetzte. Kurze prägnante Ansprachen, Umschaltspiel von Offensive auf Defensive und viele Torschussübungen, die zur positiven Grundstimmung beitrugen, standen auf dem Programm der knapp 40-minütigen Einheit. Man bekam nicht den Eindruck, dass dort eine Mannschaft trainierte, die am Vorabend eine Achterbahnfahrt der Gefühle durchlebt hatte. Im ersten Play-off-Viertelfinale führten die Freezers beim amtierenden Deutschen Meister Eisbären Berlin nach dem ersten Drittel mit 4:0, musste sich am Ende aber mit 5:6 nach Verlängerung geschlagen geben. "Es gibt überhaupt keinen Grund zur Panik", sagte Laporte, der bereits am frühen Morgen mit Videostudium und Einzelgesprächen damit begonnen hatte, die denkwürdige Partie aufzuarbeiten.

In der Tat wäre Panik nach dem ersten von möglichen sieben Spielen ein ganz schlechter Ratgeber. Nach der verspielten Vier-Tore-Führung ist Laporte ohnehin nun in erster Linie als Psychologe gefragt. Daher fordert der Frankokanadier, der am Donnerstagnachmittag mit der gesamten Mannschaft eine ausgiebige Videositzung machte, dass die Niederlage sofort aus den Köpfen raus muss. "Wer es in den Play-offs schafft, am schnellsten die Vergangenheit abzuhaken, wird am Ende weiterkommen. Es gibt für mich keinen Grund, auf die Mannschaft einzuprügeln", sagte Laporte, der versucht, negative Grundstimmung im Keim zu ersticken. Es wäre ohnehin verfrüht, schließlich haben die Freezers zu Beginn den Titelfavoriten aus der Hauptstadt nach Belieben beherrscht. In der Folge brachten jedoch unnötige Scheibenverluste, unerklärliche Passivität in der Abwehrzone und zum Teil dumme Strafzeiten die Gastgeber wieder zurück ins Spiel. Daher richtete sich die Wut der Freezers gegen sich selbst und auf die Unparteiischen. Die meisten Vergehen der Hamburger ahndete Roland Aumüller und Daniel Piechaczek richtig, verpassten es aber auch auf Eisbären-Seite ähnliche Fouls zu ahnden. "Wenn man alle Strafzeiten addiert, haben wir 20 Minuten, also quasi ein gesamtes Drittel auf der Strafbank gesessen. So kann man in Berlin nicht gewinnen", sagte Kapitän Christoph Schubert, der unmittelbar nach dem Spiel von einem historischen Abend sprach.

Dabei bezog sich der ehemalige NHL-Profi nicht ausschließlich auf die 71 Minuten Eishockey, viel mehr war es das Drumherum, was diesen 20. März zu einem Tag werden ließ, der in die Geschichtsbücher des deutschen Eishockeys einging. 4000 Anhänger der Eisbären Berlin verließen unmittelbar nach dem Eröffnungsbully die Arena und verfolgten das Spiel im Internetradio. Mit dieser bisher einmaligen Aktion protestierten die Fans gegen die drastische Ticketpreiserhöhung, die der Besitzer der Eisbären, die Anschutz Entertainment Group (AEG), zur neuen Saison beschlossen hatte. "Hut ab vor den Fans der Eisbären. Wenn man überlegt, warum sie protestieren, muss man großen Respekt haben", sagte Schubert. Die Protestwelle ist indes noch nicht beendet. Auch das erste Heimspiel der Freezers an diesem Freitag (19.30 Uhr, O2 World) werden die Eisbären-Fans boykottieren. Lediglich 500 "Streikbrecher" sollen sich auf den Weg nach Hamburg machen, um ihre Mannschaft zu unterstützen. AEG-Kommunikationschef Moritz Hillebrand, der wegen seiner unglücklichen Äußerungen bei den Eisbären-Fans im Fadenkreuz der Kritik steht, war nicht zu einer Stellungnahme zum Thema Fanprotest bereit.

Von all den Begleiterscheinungen wollen sich die Freezers nicht beeindrucken lassen. Jeder weiß, wie wichtig es ist, nach so einem psychologisch harten ersten Spiel sofort die richtige Antwort parat zu haben. Von einem Schlüsselspiel will Trainer Laporte aber dennoch nichts wissen. "Jedes dieser sieben möglichen Spielen ist ein solches für uns", sagte Laporte, der den Kader, sofern es keine verletzungsbedingten Ausfälle geben sollte, unverändert lassen wird. Abwehrspieler James Bettauer und Stürmer Artem Demkov müssen als überzählige Profis auf die Tribüne. Die Spieler selbst geben sich selbstbewusst, wollen sich gar nicht erst einreden lassen, dass die Eisbären nun psychologisch im Vorteil sind. Im Gegenteil: "Wenn wir unsere Fehler abstellen und von der Strafbank fernbleiben, wird Berlin gegen uns kein Land sehen", so die Kampfansage von Kapitän Schubert.

Damit diesen markigen Worten des 30-Jährigen Taten folgen, müssen die Hamburger aus dem ersten Duell lernen. Die Niederlage bot dafür jede Menge Anschauungsmaterial. Vor allem die Disziplin wird ein Schlüssel im zweiten Duell sein. Gerade, weil den Berlinern spätestens seit Mittwoch der Ruf vorauseilt, bei harmlosen Zweikämpfen gerne den sterbenden Schwan zu mimen. "Mein Team ist im positiven Sinne frustriert. Mir gefällt, dass die Führungsspieler ihre Rolle ausfüllen. Ich mache mir keine Sorgen um mein Team", sagte Laporte, lächelte und widmete sich wie immer der Vorbereitung auf das nächste Spiel.