Die Hamburg Freezers verlieren ihr erstes Viertelfinale in Berlin mit 5:6 nach Verlängerung. Die Eisbären haben in einem spektakulären Spiel einen 0:4-Rückstand gedreht

Berlin. Er hatte sich so viel vorgenommen. "Niemand darf mit dem Schiedsrichter diskutieren, besonders ich muss mir auf die Zunge beißen", hatte Benoît Laporte vor dem Beginn der Viertelfinalserie in der Deutschen Eishockey-Liga gegen Titelverteidiger Eisbären Berlin gesagt. Und dann kam Mittwoch, der 20. März, das erste von maximal sieben Spielen der "Best of seven"-Serie (vier Siege zum Weiterkommen nötig), und Laportes Vorhaben war bereits über den Haufen geworfen.

Als seine Mannschaft im dritten Drittel fortwährend zu einseitig auf die Strafbank verbannt wurde, verlor der Cheftrainer der Hamburg Freezers die Nerven, er redete wild gestikulierend auf Schiedsrichter Roland Aumüller ein. Die im ersten Drittel herausgeschossene 4:0-Führung war zu diesem Zeitpunkt auf 4:3 zusammengeschmolzen, und Laporte spürte in diesem Moment wohl, dass ein Weckruf vonnöten war. Allein: Es half nichts. Mit 5:6 (4:0, 0:2, 1:3, 0:1) verloren die Freezers in der ersten Verlängerung ein schon gewonnen geglaubtes Spiel und werden etwas Zeit brauchen, um zum zweiten Spiel der Serie an diesem Freitag (19.30 Uhr) ihr Selbstvertrauen wieder aufzubauen. Zwar haben schon stärkere Mannschaften in Sportarten, in denen ein solcher Vorsprung schwerer aufholbar ist als im Eishockey, Viertoreführungen verspielt. Die Passivität jedoch, mit der sich die Hamburger nach dem ersten Drittel selbst ein Bein stellten, muss ihnen zu denken geben.

Denkwürdig war auch, was vor der Partie in der Berliner O2 World passierte. Die Einlaufshow ging in einem gellenden Pfeifkonzert aus der Berliner Fankurve unter, die sich gegen die Pläne ihres Eigners wehrt. Die Anschutz Entertainment Group, auch Besitzer der Freezers, hatte bekannt gegeben, die Dauerkartenpreise für die kommende Saison drastisch - teilweise bis zu 150 Prozent - zu erhöhen. Da diese Erhöhungen ausschließlich die treuen Dauerkunden und nicht die Käufer von Tagestickets betreffen sollen, rief der Fanbeirat über Flugblätter zum Protest auf, der sich ausdrücklich nicht gegen das Team, sondern die Geschäftsführung richtete. Moritz Hillebrand, Europa-Kommunikationschef bei Anschutz, hatte auf einem Treffen mit den Anhängern verkündet, dass man die Plätze der Dauerkartenkunden lieber im teureren Einzelverkauf absetzen würde. "Wir werden es nicht hinnehmen, dass man uns nicht mehr will", hieß es auf den Flugblättern. Mit dem ersten Bully verließen rund 4000 Fans ihre Plätze und kamen nicht zurück. Eine Aktion, die allerhöchsten Respekt verdient.

Das, was sie zunächst verpassten, hätte den Berliner Eishockeyfreunden allerdings sowieso nicht geschmeckt. Nicht einmal drei Minuten waren gespielt, als Garrett Festerling einen Schuss von Duvie Westcott unhaltbar für Berlins Torhüter Rob Zepp ins Tor abfälschte. Und nur eine Minute später legte Eric Schneider mit einem Handgelenksschuss nach. Der 0:2-Rückstand ließ auch die verbliebenen Berliner Fans verstummen, nur noch das Häuflein von rund 70 mitgereisten Hamburgern war zu hören. Die Eisbären, die in Richtung einer verwaisten Fankurve angreifen mussten, wirkten wie gelähmt.

Die Freezers, bei denen Artem Demkov und James Bettauer als überzählige Spieler auf der Tribüne saßen, wählten genau die richtige Taktik. Sie spielten auch nach dem 2:0 weiter Forechecking und setzten die völlig verunsicherte Defensive des Gegners unter Druck. Die Folge: Nach einem Bauerntrick, bei dem Zepp alt aussah, erhöhte Julian Jakobsen in der 13. Minute auf 3:0, und als Thomas Dolak 120 Sekunden später in Überzahl gar das 4:0 nachlegte, gab es niemanden mehr, der sich nicht verwundert die Augen rieb ob des Spielverlaufs.

Doch dass man die Eisbären niemals abschreiben darf, ist bekannt, und sie unterstrichen es ab dem zweiten Drittel. Angetrieben durch das Anschlusstor nach 45 Sekunden schnürten sie die Gäste in deren Drittel ein und hörten damit erst auf, als Baxmann in der 48. Minute das 5:4 erzielte, bei dem der bis dahin sichere Hamburger Torhüter Niklas Treutle unglücklich aussah. Zu früh jedoch hörten sie auf, wie sich zeigen sollte, denn Schneider schaffte in doppelter Überzahl den Ausgleich für Hamburg, der die Verlängerung brachte. In dieser war es dann nach 10:01 Minuten Tyson James Mulock, der die bessere, weil zwingendere Mannschaft zum Sieg schoss. "Ein historischer Abend. Das muss man erstmal schaffen, nach 4:0-Führung noch zu verlieren", sagte Kapitän Schubert.

Tore: 0:1 (2:46) Festerling (Westcott, Flaake), 0:2 (3:48) Schneider (Pettinger), 0:3 (12:14) Jakobsen (Dolak, Schubert), 0:4 (14:16) Dolak (Collins, Oppenheimer) 5-4, 1:4 (20:45) Talbot (Olver), 2:4 (39:03) Olver (Busch, Tyson Mulock) 5-3, 3:4 (44:11) TJ Mulock (Rankel), 4:4 (46:23) Christensen (Tyson Mulock), 5:4 (47:05) Baxmann (Olver), 5:5 (56:57) Schneider (Collins) 5-3, 6:5 (70:01) TJ Mulock 5-4. Strafminuten: 6/20. SR: Piechaczek/Aumüller (Finning/Planegg). Zuschauer: 13.600 (vor Spielbeginn).