Eishockey-Experte Rick Goldmann analysiert das Play-off-Viertelfinale der Hamburger gegen die Eisbären Berlin. Es sei das reizvollste Playoff-Duell.

Hamburg. Auf dem Papier, da legt sich Erich "Rick" Goldmann fest, ist das Play-off-Duell in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) zwischen den Hamburg Freezers und den Eisbären Berlin das reizvollste unter den Viertelfinalspielen. Zwei Clubs, die mit der Anschutz Entertainment Group (AEG) denselben Eigentümer haben und sich gegenseitig nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen. Auch statistisch liegen die beiden Erzrivalen denkbar nahe beieinander. Punktgleich und mit identischer Tordifferenz liefen die Teams ins Ziel der Hauptrunde ein. Aufgrund der mehr geschossenen Treffer rangierten die Berliner als Vierter einen Platz vor den Hamburgern und genießen zunächst Heimrecht. Im Abendblatt analysiert Goldmann, Fernsehexperte von ServusTV, die Best-of-Seven-Serie. "Diese Serie hat Derbycharakter", sagt er, "ein echtes Prestigeduell."

Und zwar eines auf Augenhöhe, sagen Spieler und Verantwortliche beider Rivalen. Goldmann teilt diese Einschätzung. Die Freezers sind, anders als in den vergangenen Jahren, keineswegs der krasse Außenseiter gegen den "Bruderclub". Im Gegenteil: "Wenn es eine realistische Chance gibt, dass die Freezers die Berliner schlagen können, dann in dieser Play-off-Serie", sagt der frühere Profi, der zum einen die Entwicklung der Hamburger lobt, andererseits aber auch klar anspricht, dass die Dominanz der Eisbären, die in den vergangenen acht Jahren sechs Titel gewannen, der Vergangenheit angehört.

Das Duell der Freezers mit den Eisbären ist vor allem ein Treffen der Gegensätze. Die Berliner, mit 180 Treffern in der Hauptrunde die beste Offensive der DEL, treffen auf ein Hamburger Team, das mit 130 Gegentreffern wiederum die zweitbeste Defensive hatte. Nimmt man den bekannten Spruch "Offensive gewinnt Spiele, Defensive Meisterschaften", könnten die Hamburger im Vorteil sein. "Wenn die Freezers in der Verteidigungszone kompakt stehen, dann ist es wahnsinnig schwer, sie zu schlagen. Vor allem Patrick Köppchen und Mathieu Roy spielen eine ganz starke Saison. Defensiv haben die Hamburger klare Vorteile gegenüber den Eisbären", sagt Goldmann, der davon selbst nach der schweren Knieverletzung von Stammtorhüter Dimitrij Kotschnew nicht abrücken will.

Schließlich verfügt die Mannschaft von Trainer Benoît Laporte mit Niklas Treutle über einen talentierten, wenn auch play-off-unerfahrenen Keeper zwischen den Pfosten. "Treutle hat gezeigt, dass er Spiele gewinnen kann. Dadurch, dass er 18 Spiele absolviert hat, ist eine gewisse Abstimmung mit den Kollegen gegeben. Aber die Berliner haben mit Rob Zepp einen Keeper, der sehr viel Erfahrung hat, und bereits einige Titel gewinnen konnte. Die Eisbären haben auf der Torwartposition einen kleinen Vorteil", so Goldmann.

Die Schlüsselrolle aber werden bei beiden Mannschaften die Importspieler übernehmen. Anders als in den vergangenen Jahren verfügen die Berliner nicht mehr über die Top-Ausländer, die in umkämpften Spielen häufig den Unterschied machen. Profis wie Matt Foy und Mark Katic sind durchschnittliche Spieler, die zwar solide agieren, keinesfalls aber überragen. Die hochgelobte Nachverpflichtung Corey Locke spielt nur noch in der vierten Sturmformation und brilliert lediglich im Powerplay. "Läuferisch und spielerisch sind die Berliner immer noch top", sagt Goldmann. "Die Freezers dürfen sich nicht überrennen lassen. Kommen die Eisbären in der Offensive ins Rollen, wird es schwer. Aber sie sind einfach nicht mehr so stabil."

Zudem verlor der Traditionsverein in den vergangenen beiden Jahren mit Sven Felski, Stefan Ustorf, Denis Pederson und Steve Walker Identifikationsfiguren, die neben ihrer sportlichen Qualität vor allem für die Hierarchie innerhalb der Kabine wichtig waren. "Diese Abgänge konnte Berlin nicht kompensieren", lautet die klare Analyse. "Die heutigen Importspieler haben nicht dieselbe Qualität."

Ein Importproblem gibt es auch aufseiten der Freezers. Außer dem häufig kritisierten Brandon Reid hat kein ausländischer Stürmer in der Punktrunde mehr als zehn Treffer erzielt. Gerade die vermeintlichen Leistungsträger Rob Collins (sieben Saisontore), Colin Murphy (acht) und Matt Pettinger (neun) enttäuschten über weite Strecken der Saison. "Aber gerade die Importspieler im Freezers-Sturm müssen in den Play-offs ihre Rolle ausfüllen", weist Goldmann auf das Problem hin. "Einige spielen noch um Verträge. Es ist jedoch sehr schwierig, nach einer schwachen Hauptrunde den Schalter wieder umzulegen. Man braucht jetzt aber diese Führungsspieler mehr denn je." Goldmann moniert bei den Freezers vor allem die Abhängigkeit von der Paradereihe mit Garrett Festerling, David Wolf und Jerome Flaake. Mit Thomas Oppenheimer kehrt rechtzeitig zu den Play-offs ein abschlussstarker Mann zurück, der dem Team in der Offensive noch mehr Tiefe verleiht. "Er hat vor seiner Fußwurzelverletzung ganz stark gespielt. Man muss schauen, in welchem Zustand er sich jetzt zeigt", sagt Goldmann.

Der frühere DEL-Profi ist überzeugt: Die Fans können sich auf eine packende Viertelfinalserie freuen. "Ich bin mir sicher, dass das Viertelfinale über sieben Spiele gehen wird, und ich glaube, dass die Freezers am Ende mit 4:3 Siegen weiterkommen werden. Wenn man beide Teams vergleicht, haben die Freezers leicht die Nase vorn", sagt Goldmann. Spätestens am 1. April wird man wissen, ob der Experte mit seiner Einschätzung recht behält.

Erich "Rick" Goldmann absolvierte als Abwehrspieler 500 DEL-Partien für Mannheim, Kaufbeuren, Essen, Ingolstadt und Iserlohn. Einmal lief er für den NHL-Club Ottawa Senators auf. Der gebürtige Dingolfinger spielte 126-mal für die deutsche Nationalmannschaft. Am 28. Mai 2011 wurde Goldmann in die "Hall of Fame" des deutschen Eishockeys aufgenommen. Nach seiner Karriere arbeitet der 36-Jährige als Fernsehexperte für ServusTV.