Die Hamburg Freezers wollen nach dem Play-off-Aus ab sofort die nächste Saison planen. Die wichtigste Personalie ist der Trainer.

Hamburg. Am Freitagabend, als die Saison 2011/12 in der Deutschen Eishockey-Liga für die Hamburg Freezers nach einer 1:3-Niederlage im fünften Spiel der Best-of-seven-Viertelfinalserie gegen Mannheim beendet war, hatte Stéphane Richer nur einen Wunsch. "Ruft mich erst am Montag wieder an", sagte der Sportdirektor zu den mitgereisten Journalisten. Das Wochenende wollte er nutzen, um im Kreise der Familie abzuschalten und Kraft zu tanken für die kommenden Wochen, die für die Ausrichtung auf die nächste Saison entscheidend werden dürften.

In den nächsten Tagen wird Richer zunächst zu einem intensiven Gespräch mit Geschäftsführer Michael Pfad zusammenkommen. Wichtigstes Thema ist die Zukunft von Trainer Benoît Laporte, dessen Vertrag ausgelaufen ist. Der 51 Jahre alte Frankokanadier erneuerte noch in Mannheim sein Bekenntnis, seine Arbeit gern weiterführen zu wollen. "Man hat mir versichert, dass wir nach der Saison sprechen und bis dahin mit keinem anderen Kandidaten gesprochen wird. Daran glaube ich, und nun warte ich ab, wie sich der Klub entscheidet", sagte Laporte.

Pfad beteuerte am gestrigen Nachmittag im Gespräch mit dem Abendblatt glaubhaft, sich an die Vereinbarung halten zu wollen. "Wir kennen die Stärken und Schwächen von Laporte, er hat inhaltlich einen Vorsprung, zumal ich grundsätzlich zu Kontinuität neige. Mit Platz fünf in der Hauptrunde haben wir unser internes Saisonziel erreicht. Aber für das, was war, können wir uns nichts kaufen. Ich muss das Gesamtbild sehen und vor allem nach vorn denken, und da gibt es noch einige offene Fragen", sagt Pfad. Er gehe deshalb ergebnisoffen in die Gespräche mit Richer.

1:3 in Mannheim! Erhobenen Hauptes in den Urlaub

Zwei Hauptkriterien entscheiden über die Zukunft des Trainers. Zum einen: Ist Laporte zuzutrauen, die Mannschaft in der kommenden Saison weiterzuentwickeln? Intern wird dem Trainer positiv angerechnet, dass er eine akribische Spielvorbereitung betreibt und vor allem junge Spieler, auf die der Klub verstärkt setzt, zu fördern versteht. Negativ ausgelegt wird Laportes bisweilen zu negative Grundhaltung; auch seine mangelnde Bereitschaft, fachmännischen Rat anzunehmen, hat zu Verdruss geführt. Zudem ist der Fakt, dass die Freezers in der Hauptrunde sowohl in Über- als auch in Unterzahl das schlechteste Team stellten, kein Ruhmesblatt für den Trainer.

Die wichtigste Frage ist jedoch, ob das Vertrauensverhältnis zwischen Laporte und Richer belastbar genug ist, um gemeinsam Erfolg zu haben. Im Lauf der Saison hatte es mehrfach gekriselt. Eine wichtige Rolle spielt Torwarttrainer Vincent Riendeau, ein Vertrauter Richers, zu dem Laporte - gelinde gesagt - nicht den besten Draht hat. Richer setzt auch bei Transfers auf den Rat seines Freundes, was dem Trainer mehrmals negativ aufstieß. Pfad will all diese Fragen offen klären, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Richer, der als Architekt der neuen Freezers gilt und das Konzept, auf junge und erfahrene, aber gleichermaßen erfolgshungrige Deutsche sowie leistungswillige Importspieler zu setzen, maßgeblich geprägt hat, ist unantastbar.

"Wir geben die Richtung vor und verpflichten diejenigen, die dazu passen. Die sportliche Verantwortung liegt bei Stéphane, dem ich vertraue", sagt Pfad. Er wolle jedoch nicht zulassen, dass durch die Verpflichtung eines engen Freundes des Duos Richer/Riendeau eine Cliquenwirtschaft entsteht. "Trainer und Sportdirektor sollen nicht beste Freunde sein. Aber sie müssen einander vertrauen", sagt Pfad.

Sollte dieses Vertrauensverhältnis gefährdet sein, würde er sich nicht scheuen, den Fans die angesichts der sportlichen Entwicklung unpopuläre Trennung zu erklären. Zumal das Verhältnis zu den Anhängern in dieser Saison immens verbessert wurde. Der Zuschauerschnitt erhöhte sich um 30 Prozent auf 9221 Fans pro Hauptrundenpartie, und wer den Schulterschluss zwischen Team und Anhängern in den Play-offs beobachtete, der kann verstehen, warum der Geschäftsführer die neue Liebe der Fans als "wichtigsten Fortschritt der Saison" erachtet.

Dass im Nachgang der abgelaufenen Spielzeit vor allem über den Trainer diskutiert wird, hat auch damit zu tun, dass der Kader für die neue Saison in weiten Teilen steht. 14 Profis, darunter bis auf Torhüter John Curry alle Leistungsträger, haben einen Vertrag. Curry geht auf eigenen Wunsch nach Nordamerika zurück, für ihn steht Nationaltorhüter Dimitrij Kotschnew als Ersatz parat. Mit der Verpflichtung von starken Ausländern, die Jesper Jensen, Brendan Brooks, Patrick Traverse, Brett Engelhardt, Colin Murphy und Ryan Stone ersetzen sollen, will Richer sich Zeit lassen. "Wir überprüfen alle Spieler, auch die, die einen Vertrag haben", sagt Pfad zwar, "aber wir haben eine gute Mannschaft und deshalb keine Not." Dennoch ist klar, dass Stéphane Richer in den nächsten Tagen mit einigen Anrufen zu rechnen hat.

Die Profis der Hamburg Freezers in der Einzelkritik

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