Was bislang eher Thema bei den Skifliegern war, wird jetzt auch unter den Piloten der Formel 1 zur Mode: Im Kampf um die schnellste Runde ist im Rennzirkus der Magerwahn ausgebrochen. Nicht nur Vettel missfällt das.

Shanghai. Nico Rosberg schrumpft der Hintern in der Hose weg, Adrian Sutil traut sich kaum noch zu trinken, und im Fahrerlager sehen immer mehr Piloten aus wie Skispringer: Im Kampf um jede Zehntelsekunde ist in der Formel 1 der Magerwahn ausgebrochen. „Man bekommt immer gesagt, dass man so wenig wiegen sollte wie möglich“, berichtete Weltmeister Sebastian Vettel am Rande des Grand Prix von China. Kalorienbomben sind strikt tabu.

„Wir sind an einer Grenze angekommen“, sagt Ex-Weltmeister Jenson Button. Der McLaren-Fahrer hat nur noch einen Körperfettanteil von etwa sechs Prozent. Sutil verzichtet mittlerweile sogar darauf, eine Trinkflasche mit ins Sauber-Cockpit zu nehmen, nur um ein paar Gramm einzusparen. „Man kann derzeit nicht garantieren, dass jeder Fahrer körperlich zu 100 Prozent in Schuss ist“, sagt er. Und so wird der Magerwahn auch zum Sicherheitsrisiko. Selbst beim Krafttraining gehen die Piloten Kompromisse ein. Muskeln wiegen eben auch.

691 Kilo müssen Wagen und Fahrer in dieser Saison zusammen mindestens wiegen. Wer dieses Limit unterschreitet, darf die begehrten Extra-Gewichte einbauen und so die Straßenlage der PS-Geschosse verbessern – und ist damit einfach schneller im Ziel. Rosberg hat sich deshalb auf „Permanentdiät“ gesetzt: „Jedes Gramm zu viel am Körper kostet echte Rundenzeit.“

Für die Fahrer heißt das: Finger weg von Süßem, Fast Food und anderen Leckereien. Die Teams achten peinlich genau auf das Gewicht ihrer Fahrer und schicken sie regelmäßig auf die Waage. Besonders die langen und damit automatisch „schweren“ Fahrer wie Sutil (1,83 Meter/75 Kilo) oder Nico Hülkenberg (1,84/74) stehen unter Druck.

Ärger mit der besseren Hälfte

Mercedes-Pilot Rosberg riskiert im Ringen um jedes Pfund sogar Ärger mit seiner Verlobten Vivian. Der gefällt der neue Size-Zero-Look ihres Liebsten nämlich gar nicht. „Ihr fehlt definitiv hier und da ein Kilo an den richtigen Stellen. Zum Beispiel am Hintern“, sagte Rosberg unlängst der Bild-Zeitung: „Der ist halt jetzt trainierter und knochiger.“

Für die Saison 2015 wurde das Gewichtslimit bereits um zehn Kilo angehoben. Nicht nur Vettel schüttelt den Kopf darüber, dass man die Anpassung nicht einfach vorzieht. Doch mit der Solidarität unter den egozentrischen Piloten ist das so eine Sache. Zwar wurde laut Vettel „innerhalb des Fahrerkreises besprochen, diese Regel praktisch ein Jahr vorzuziehen“, doch der Vorschlag scheiterte an den „Rennzwergen“ wie Felipe Massa (1,66 m). Der fürchtet um seinen Vorteil: „Warum sollten wir uns das wegnehmen lassen?“

Ein Standpunkt, der nicht nur Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn verzweifeln lässt: „Ich finde es haarsträubend, dass wir im Motorsport über Themen wie Magersucht diskutieren müssen.“