Mercedes geht mit einem runderneuerten Team in die Formel-1-Saison. Mit neuem Sportchef und neuem Fahrer sollen Siege her.

Hamburg/Melbourne. Das schnellste Auto auf der Formel-1-Rennstrecke im Albert Park in Melbourne war am Mittwoch ein Mercedes. Weil die neuen Rennwagen des Jahrgangs 2013 erst beim Training am Freitag das 5303 Meter lange Asphaltband unter die Räder nehmen dürfen, war es dem Safety-Car vom Modell SLS mit Bernd Mayländer vorbehalten, die zehn Rechts- und sechs Linkskurven im Renntempo zu umrunden.

Ein Mercedes-Silberpfeil ganz vorn, als aussichtsreicher Herausforderer des Titelverteidigers Sebastian Vettel. Das sind Träume, in denen das deutsche Nationalteam nach drei mageren Formel-1-Jahren vor dem Großen Preis von Australien (Sonntag, 7 Uhr MEZ/RTL und Sky) schwelgt. Die Rekordzeit von 1:20,130 Minuten, die Mercedes-Pilot Nico Rosberg, 27, zum Abschluss der Testfahrten in Barcelona mit dem neuen Modell AMG W04 auf die Piste zauberte, haben bei den Silbernen neue Hoffnungen geweckt.

Mercedes hat einen starken Eindruck hinterlassen. Aber das war auch schon vor einem Jahr so, als der 2012er-Jahrgang bei den Wintertests überzeugte, am Ende aber nicht mehr als ein Sieg für Rosberg in China heraussprang.

Die Daimler AG, ein Weltkonzern mit 270.000 Mitarbeitern und 114 Milliarden Euro Umsatz, will sich eine weitere Niederlagenserie ("Panne? Mit deinem Mercedes?") in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld nicht mehr leisten. Deswegen forderte Vorstandschef Dieter Zetsche einschneidende Veränderungen. Norbert Haug, 60, über Jahrzehnte das Gesicht des Mercedes-Motorsports, verlor seinen Job als Sportchef. Altmeister Michael Schumacher, 44, ist nach seinem verkorksten Comeback nur noch Ex-Rennfahrer.

Die neuen Farben der Silberpfeile sind Rot-Weiß-Rot. Die Umstrukturierung des Formel-1-Teams ist mit zwei Österreichern verbunden. Der dreimalige Weltmeister Niki Lauda, 63, der seinen messerscharfen analytischen Verstand immer wieder bei seinen Kommentaren für den Fernsehsender RTL aufblitzen lässt, übernahm die neue Rolle eines Aufsichtsratschefs. An den Rennstrecken will er übrigens weiterhin mit RTL-Mann Florian König über seine Erkenntnisse plaudern. "Ich habe kein Problem zu sagen, was die Wahrheit ist." Den Mund will er sich nicht verbieten lassen. Auch nicht von Torger Christian Wolff, 41.

Dieser "Toto" Wolff, ebenfalls Österreicher, ist Haugs Nachfolger als Motorsportchef. Der frühere Rennfahrer kam als Geschäftsmann in die Vollgasbranche. Er führte den britischen Williams-Rennstall an die Börse, hält dort noch ebenso Anteile wie am Team HWA, das die Mercedes-Einsätze in der Tourenwagenserie DTM leitet. Er weiß, was für Mercedes auf dem Spiel steht. Wenn am Sonntag die Startampel auf Grün schalte, sagt Wolff, "steht Mercedes in der Auslage". Erfolge sind Pflicht. Das Bekenntnis zur Formel 1, laut Konzernspitze langfristig ausgerichtet, bedingt Konkurrenzfähigkeit. Ein 58 Jahre alter WM-Titel mit Juan Manuel Fangio zählt nichts. "Mercedes ist mit dem Anspruch in die Formel 1 gekommen, um Meisterschaften mitzufahren und Meisterschaften zu gewinnen. Für nichts anderes wurden wir geholt." Dieses Ziel gab es auch schon vor drei Jahren, als die Silberpfeile mit viel Pomp ihr Comeback verkündeten.

Doch als dann alles schiefging, waren es mal die Reifen, mal Tricks der Konkurrenz, mal simple Pannen, mal Fahrfehler, die Altmeister Schumacher unterliefen. Meistens aber war das Auto nicht gut genug. Für 2013 gilt: keine Ausreden mehr. "Ich werde an den Ergebnissen gemessen", sagt Wolff.

Damit das Versprechen eingelöst werden kann, vollzog Mercedes im Herbst den Königstransfer. Lewis Hamilton, 28, vielleicht die größte Begabung im Feld, suchte nach sechs McLaren-Jahren eine neue Herausforderung und wagt für geschätzte 25 Millionen Euro Jahresgage den ultimativen Vergleich mit seinem Teamgefährten Nico Rosberg. Für Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone war Hamilton der letzte fehlende Baustein für das Mercedes-Team. "Alle glauben jetzt, sie arbeiten in einem Siegerteam." Hamilton sagt: "Ich bin jetzt ein Teil der Mercedes-Welt. Ich möchte hier etwas Neues schaffen."

Der clevere Brite denkt langfristig. Denn Mercedes rüstet sich mit einem neuen V-6-Turbomotor parallel bereits für die von der nächsten Saison an geltende neue Formel-1-Ära. Und Hamilton wird spätestens 2014 wieder mit dem langjährigen McLaren-Technikchef Paddy Lowe, 50, zusammenarbeiten, den es ebenfalls zu Mercedes zieht. Lowe könnte dann Nachfolger des altgedienten Technik-Gurus Ross Brawn, 58, werden, der mit Benetton, Ferrari und seinem eigenen Team Brawn GP Weltmeisterautos baute, für Mercedes jedoch bislang keinen Geniestreich auf die Räder stellte. Für das vielversprechende neue Modell W04 trug Brawn allerdings noch die Verantwortung.

Erst im freien Training am Freitag decken alle Teams ihre Karten auf. Hamilton weiß: "Dann beginnen alle wieder bei null." Der Wetterbericht könnte allerdings die gesammelten Datenaufzeichnungen zur Makulatur machen. Denn statt der gewohnten australischen Hitze sagen die Meteorologen gerade mal 20 Grad voraus - und Regen.