Hamburg. FC Alsterbrüder und SV Rugenbergen wollen sich im Fall eines durch die Statuten nicht gedeckten Abstiegs juristisch wehren.

Manche Dinge im Hamburger Amateurfußball passieren mit erstaunlicher Regelmäßigkeit. Regionalligist FC Teutonia 05 feuert in der Rückrunde seinen Trainer. Oberligist TuS Dassendorf verpflichtet pro Saison mindestens einen Ex-Profi. Und der Spielausschuss des Hamburger Fußball-Verbandes (HFV) ist nicht in der Lage, die Abstiegsregelung für die Oberliga Hamburg und die Aufstiegsmodalitäten für die beiden Landesligen kurz vor Saisonende verbindlich zu benennen.

Abstiege des ETV und von Norderstedt würden anderen Teams schaden

Worum geht es? 18 Teams spielen in der Oberliga Hamburg (5. Liga). Je 16 Mannschaften eine Klasse tiefer in den beiden Landesligen Hansa und Hammonia (jeweils 6. Liga). Drei Oberligisten steigen ab, die beiden Meister der Landesligen auf. Die beiden Landesligazweiten können aufsteigen, wenn genug Plätze in der Oberliga Hamburg vorhanden sind.

Steigen jedoch aus der Regionalliga Nord (4. Liga) Hamburger Clubs in die Oberliga Hamburg ab, beanspruchen sie dort Plätze, die anderen Teams weggenommen werden müssen. Dieses Szenario ist aktuell akut. Der Eimsbütteler TV und auch Eintracht Norderstedt sind in der Regionalliga Nord abstiegsgefährdet, würden sich in die Oberliga Hamburg eingliedern. Der HFV-Spielausschuss kann Abstiege des ETV und/oder von Eintracht Norderstedt auf zwei denkbare Weisen auffangen: Entweder lässt er mehr als drei Teams aus der Oberliga Hamburg absteigen. Oder die beiden Landessligazweiten (oder einer davon) können eben nicht aufsteigen.

Der HFV-Spielausschuss kann Auf- und Abstiegsregeln öffentlich nicht klar benennen

Klingt nicht schwierig, ist es offenbar aber doch. Das Abendblatt sandte dem HFV-Spielausschuss eine schriftliche Anfrage mit darin skizzierten denkbaren Auf- und Abstiegsszenarien für die Oberliga und die Landesligen mit der Bitte um eine klare Stellungnahme. Die Antwort ist ein Schlag ins Gesicht der Vereine. Mit „Was wäre wenn…-Fragen“ würde man sich nicht beschäftigen, heißt es in dem Schreiben.

Es folgt das wenig überzeugende Ausweichmanöver, das erst die Lizensierung der Regionalliga Nord und die Meldung der Oberligisten abgewartet werden müsse. Der Höhepunkt des Schreibens liest sich dann wie folgt: „Daher geben wir erst eine Auswertung der Auf- und Absteiger bekannt, wenn am 02.06.24 die Meldung an den HFV erfolgt ist.“ Die Spielzeiten in den Landesligen enden jedoch am 12. Mai, die Saison in der Oberliga Hamburg am 17. Mai.

Oberligist FC Alsterbrüder erhielt vom Verband keine Antwort - und behält sich eine Klage vor

„Weder unsere Spieler noch unsere Fans wissen, woran sie eigentlich sind. Einige denken, wir haben die Klasse schon gehalten, andere zittern noch“, sagt Gunnar Hitscher, Vorstandsmitglied des auf Tabellenrang 14. platzierten Aufsteigers FC Alsterbrüder. Hitscher hat alles probiert. Er hat in die vom Spielausschuss fixierten schriftlichen Regeln geschaut – und dort für die Abstiegsregelung der Oberliga Hamburg eine sehr dehnbare „Kann-Bestimmung“ für den Fall des Abstiegs von Hamburger Regionalligisten in die Oberliga Hamburg gefunden. Er hat beim HFV um eine schriftliche Auskunft gebeten – und genau wie das Abendblatt keine bekommen.

„Verbandsarbeit ist sicher nicht einfach und manchmal undankbar. Aber der Verband ist der Dienstleister für die Vereine. Er muss in der heißen Phase der Saison benennen können, wer in welchem Fall auf- und absteigt“, fordert Hitscher. „Wenn wir als Viertletzter zugunsten eines Landesligisten runter müssen, obwohl nur ein Hamburger Regionalligist absteigt, werden wir dagegen klagen“, kündigt er an.“

Auch Oberligist SV Rugenbergen denkt über eine Klage nach

Exakt die gleiche Ankündigung machte gegenüber dem Abendblatt Andreas Lätsch, Clubchef des Oberliga-Fünfzehnten SV Rugenbergen. Auch er betont, Verständnis für schwierige Verbandsarbeit zu haben.

„Aber ich kann nicht nachvollziehen, dass der Verband es schon wieder nicht schafft, für die möglichen Szenarien einfach klare Aussagen zu treffen.“

Bereits im Sommer 2022 musste der Spielausschuss eine fehlerhafte Auslegung einräumen

Zumal dieses Versäumnis sich ständig wiederholt. Im Sommer 2022 musste der HFV-Spielausschuss seine fehlerhafte Auslegung der Auf- und Abstiegsregelungen selbst einräumen. Oberligist Hamm United, den der Spielausschuss absteigen lassen wollte, erhielt sechs Wochen nach Saisonende am 28. Juni 2022 recht und durfte als 19. Club in der Oberliga Hamburg mitspielen.

Der HFV-Spielausschussvorsitzende Frank Flatau entschuldigte sich im Dezember 2022 öffentlich in einem Interview mit dem Abendblatt für den unglücklichen Umgang des Spielausschusses mit den Auf- und Abstiegsmodalitäten und gelobte Besserung. Doch nur ein halbes Jahr später schien zum Saisonende der Spielzeit 2022/23 wieder ein katastrophales Szenario möglich, da der Spielausschuss diesmal mit dem Gedanken spielte, in der 19er-Staffel den fünftletzten Oberligisten zugunsten von Landesligisten absteigen zu lassen.

Mehr zum Thema

Der späte Klassenerhalt des FC St. Pauli II in der Regionalliga Nord und der Aufstieg des Oberligisten Eimsbütteler TV machten Plätze frei und verhinderten erneutes Chaos. Der SV Rugenbergen durfte somit als Fünfzehnter der Oberliga Hamburg ebenfalls den Klassenerhalt feiern – und die Landesligisten SV Halstenbek-Rellingen sowie der Düneberger SV stiegen auf.

Nun, zum Ende der Spielzeit 2023/24, läuft die dritte Runde dieses Theaterstücks. Vielleicht gelingt dem Spielausschuss ja diesmal wenigstens schneller als in der Spielzeit 2021/22 eine gültige öffentliche Klarstellung der Auf- und Abstiegsregelung. Seinerzeit wurde diese absurderweise am letzten Spieltag der Oberliga und der Landesligen per Pressemitteilung als „Klarstellung“ versandt – um sechs Wochen später zur Blamage durch den erfolgreichen Protest von Hamm United zu führen.