Hamburg. Auch ohne die Weltserie Global Tour ist das Starterfeld im Springen herausragend. Sorgen gibt es allerdings um die Dressur.

Ein Gewinner scheint schon vor dem 92. Deutschen Springderby am Sonntag (14 Uhr) festzustehen: Veranstalter Volker Wulff und seine Agentur En Garde haben das Klein Flottbeker Pferdefestival mit dem Wettstreit um das Blaue Band als Höhepunkt auf ein neues Fundament gestellt.

Auch ohne die kapitalstarken, indes dominanten Manager der weltweiten Springreitserie Global Champions Tour bieten die kommenden fünf Tage auf der Traditionsanlage Reitsport auf hohem Niveau. Gut die Hälfte der weltbesten 50 Reiter sind vor Ort. Stabilisiert sich die Wettervorhersage, könnte nach Kassenschluss mit mehr als 93.000 Zuschauern ein Besucherrekord verbucht werden.

Darboven rührt Derbychef mit Dankesrede

„Nach Corona lechzen die Leute nach herausragenden Ereignissen wie diesem“, sagte Wulff bei der Präsentation des Programms. Dass er anfangs schlucken musste, hatte einen überraschenden Grund. Als Kaffeekaufmann Albert Darboven, mit seiner Firma Namenspatron der Veranstaltung, das Wort ergriff, sagte der 87-Jährige: „Ich bin beeindruckt vom Top-Starterfeld und danke Volker Wulff ganz persönlich für diese Leistung.“ Es folgten eine Umarmung – und ergriffenes Schweigen.

Tatsächlich deuten die Fakten aktuell auf einen famosen Verlauf des Springreitklassikers hin. Mit vier Millionen Euro ist der Etat höher denn je. 1,2 Millionen Euro Preisgeld bedeuten ebenfalls eine Rekordmarke. Kehrseite der Medaille: Noch nie waren die Eintrittspreise so hoch.

Während der Besuch an diesem Mittwoch mit zwölf Euro günstig ausfällt, kostet eine Stehplatzkarte zu Himmelfahrt 33 und am Derbysonntag 35 Euro. „Wir machen dadurch keineswegs zusätzlichen Gewinn“, tat Wulff kund, „sondern fangen immens gestiegene Preise auf.“

Starterfeld in der Dressur enttäuscht

Problem Nummer zwei ist das 63. Deutsche Dressurderby ebenfalls am Sonntag (11 Uhr). Wulff und seine Mitstreiter machen keinen Hehl daraus, dass die Nennung von nur neun Teilnehmern eine Enttäuschung ist: „Das hat uns selbst überrascht.“ 2022 waren doppelt so viele Dressurpaare vor Ort. Eine Erklärung sieht Wulff in einem veränderten Reglement der nationalen und internationalen Verbände mit strengeren Zugangsbedingungen, von denen selbst die Aktiven überrascht wurden.

Eine Streichung des Dressurderbys von 2024 an komme für ihn nicht infrage, auch wegen der Vereinbarung mit dem gastgebenden Norddeutschen und Flottbeker Reiterverein, das Blaue Band sowohl beim Springen als auch in der Dressur zu vergeben. Am beim Publikum beliebten Pferdewechsel wolle er ebenfalls festhalten. Eine listige Lösung könnte eine deutsche, nicht mehr internationale Ausschreibung der mit 30.000 Euro dotierten Prüfung sein. Daran dürften EU-Ausländer weiterhin teilnehmen.

550 Boxen sind reserviert

Umso attraktiver fällt die Qualität bei den Springreitern aus. Klein Flottbek profitiert am Himmelfahrtswochenende von einer konkurrenzfreien Ausnahmesituation. Rivalisierende Fünfsterneturniere mit Nationenpreisen oder anderen Hochkarätern gibt es in diesem Jahr nicht. Unter dem Strich sagten Reiterinnen und Reiter aus rund 30 Ländern für 40 Prüfungen zu. 550 Boxen sind reserviert.

Volker Wulff hofft, aus einer scheinbaren Not eine offensichtliche Tugend gemacht zu haben. Da die Ausrichter der 14 Jahre in Hamburg präsenten Global Tour den Turniercharakter zusehends gestalten wollten, habe man getrennte Wege gehen müssen. „Jetzt sind wir unabhängig und eigenständig“, sagte Wulff.

Grand Prix lockt mit 300.000 Euro Prämie

Und man könne verstärkt einen Klassiker in den Mittelpunkt stellen, der beim Publikum traditionell über allem rangiere: das Deutsche Springderby. In der ersten Qualifikation am Mittwoch (13.50 Uhr) locken 26.000 Euro, in Durchgang zwei am Freitag (13.30 Uhr) das Doppelte. Bei der finalen Entscheidung, die NDR und ARD übertragen, sind 153.000 Euro ausgelobt.

Am lukrativsten ist der Grand Prix of Hamburg am Sonnabend (15.20 Uhr) mit 300.000 Euro Preisbörse mit dem Schweizer Uhrenhersteller Longines als Namensgeber. „Es war ein Klimmzug, 1,2 Millionen Euro Preisgeld zu stemmen“, sagte Wulff. „Aber wir haben es geschafft.“

Konsequenz: Olympiasieger wie Ben Maher (40/Großbritannien/2012 Team, 2021 Einzel) und Steve Guerdat (40/Schweiz/2012 Einzel), Welt- und Europameister trugen sich in die Nennungslisten ein. Wulffs besondere Genugtuung: Viele namhafte Teilnehmer bringen ein oder zwei Derbypferde mit nach Flottbek.

Tschentscher und Grote kommen zum Derby

Im Vergleich zur Vergangenheit kann sich das nun gut bezahlt machen. Was keiner besser weiß als der dreifache Derbychampion André Thieme (48) aus Mecklenburg. In der Qualifikation sattelt er zwei sehr unterschiedliche Pferde: den Neuling Paule sowie den Routinier Contadur, Dritter im Derby 2022. Eigentlich war der 15-Jährige als Deckhengst im Einsatz, doch entschied ein gewichtiger Pluspunkt für Contadurs fünften Derbyversuch: „Er ist ein alter Fuchs.“

Am Derbysonntag wollen in jedem Fall zwei Ehrengäste dabeisein: Bürgermeister Peter Tschentscher und Innensenator Andy Grote (beide SPD). Das Interesse ist groß. Das Ticketteam registrierte im Vorverkauf ein Plus von 15 Prozent. Nach aktueller Lage kann die Rechnung aufgehen, sportlich wie finanziell.