Al-Rajjan. Marokko schlägt Spanien im Elfmeterschießen und zieht ins WM-Viertelfinale ein. Torwart Bono wird dabei zum Helden.

Torwart Yassine Bono sank überwältigt zu Boden, dann schmissen sich seine Teamkollegen auf ihn. Bald legten sie sich zu einem kurzen Dankesgebet hin, dann warfen sie ihren Trainer Walid Regragui durch die Luft. Die während des gesamten Nachmittags leidenschaftlichen Fans feierten in purer Ekstase. Arabiens Traum lebt, Afrikas Traum lebt. Marokko steht erstmals im Viertelfinale einer Fußball-WM, dank eines 3:0 im Elfmeterschießen gegen Spanien.

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Die Nordafrikaner können am Samstag als erstes Team in der Geschichte ihres Kontinents in die Runde der letzten Vier vordringen. Wer ihren Kampfgeist und ihre Entschlossenheit bei dem über 120 Minuten torlosen Remis gegen Spanien sah, wird nicht an ihrer Chance auf den historischen Coup zweifeln. „Es wie die Europäer und Lateinamerikaner machen“, also knallhart auf Resultat zu spielen, hatte Regragui während des Turniers von seiner Mannschaft gefordert. Am Dienstag taten sie genau das.

Spanien setzt schwarze Serie fort

Spanien dagegen schrieb seine schwarze Serie seit dem WM-Titel 2010 fort. 2014 scheiterte man in der Vorrunde, 2018 ebenfalls im Elfmeterschießen des Achtelfinals an Russland. Nach viel verbreitetem Optimismus von Trainer Luis Enrique lautet das Fazit letztlich: Große Klappe, nicht genug dahinter.

Noch im Vorfeld der Partie hatte Luis Enrique getönt, seinen Spielern schon vor mehr als einem Jahr das Üben von Strafstößen aufgetragen zu haben. Es handele sich nämlich nicht um eine Lotterie: „Sie sollten mit mindestens 1000 geschossenen Elfmetern kommen“, so Luis Enrique, doch dann schoss gleich als erster Schütze der erst kurz vor dem Shootout eingewechselte Pablo Sarabia an den Pfosten.

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Als Carlos Soler als zweiter Spanier antrat, war der Glaube schon so weit im Keller, dass er mit einem schwachen Versuch an Bono scheiterte. Danach vergab zwar Marokkos Badr Banoun, doch postwendend parierte Bono auch den gar nicht mal schlechten Schuss von Sergio Busquets. Der in Spanien geborene und aufgewachsene Marokkaner Achraf Hakimi, der von 2018 bis 2020 für Borussia Dortmund spielte, machte mit einem frechen Schnibbler die Überraschung perfekt, die nach der starken Gruppenphase so überraschend nicht kam.

Luis Enrique lässt Zukunft offen

„Wir sind auf die grausamste Art und Weise ausgeschieden“, sagte Busquets, der 34 Jahre alte Stratege und letzte aktive Nationalspieler der 2010er-Generation. Er wird wohl abtreten, auch wenn er das nach Spielschluss nicht bestätigen wollte. Luis Enrique, dessen Vertrag ausläuft, ließ seine Zukunft ebenso offen. Die Schuld für das verlorene Elfmeterschießen nahm er auf sich, „ich habe die ersten drei Schützen ausgesucht“. Er fügte hinzu: „Bono ist ein spektakulärer Torwart.“

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Spanien also ging ohne ein einziges Tor, dabei hatte es zuvor über 1000 Pässe gespielt in einer intensiven, angespannten, mitunter auch zähen Partie vor 44.667 Zuschauern. Spanien wollte Marokko müde spielen; und Marokko hielt leidenschaftlich dagegen. Für eigene Offensivbemühungen fehlte meist die Kraft. Denn wenn es mal in Ballbesitz kam, dann tief in der eigenen Hälfte.

Spanien im Handball-Stil

Spanien belagerte den marokkanischen Strafraum vor allem ab Mitte der zweiten Halbzeit fast im Handball-Stil. Doch die marokkanischen Zuschauer hatten immer noch genug Puste, gegen die Angriffe anzupfeifen – und die Verteidiger, irgendwie ein Bein dazwischen zu bringen. Es wurde immer mehr zu einem Spiel der Geduld und der Nerven.

Erst in der 104. Minute war sie plötzlich da – die eine große Chance, um das Spiel zu gewinnen. Es gab sie allerdings für Marokko. Nach einem starken Spielzug des eingewechselten Azzedine Ounahi war der ebenfalls eingewechselte Walid Cheddira frei vor Torwart Unai Simon. Er wollte ihm den Ball durch die Beine schieben, doch der Spanier blieb standhaft und konnte mit dem rechten Fuß parieren. Danach gab es auf der anderen Seite noch eine letzte Gelegenheit durch einen Volleyschuss von Sarabia – bis es zu der Lotterie kam, die am Ende eben doch wieder eine war.