Doha. Trotz der Niederlage gegen Polen kann Saudi-Arabien noch ins WM-Achtelfinale einziehen. Großen Anteil daran hat ihr Trainer Hervé Renard.

Hervé Renard kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. „Ich könnte eine Stunde über ihn reden. Wie er den Ball kontrolliert, wie er sich bewegt, wie er im Strafraum ist – er ist einer der besten Stürmer in der Welt“, meinte der Trainer Saudi-Arabiens. Diesmal musste Franzose nicht einen seiner Spieler überschwänglich loben, sondern ausgerechnet den Gegner. Robert Lewandowski erzielte beim 2:0 (1:0)-Sieg seiner Polen gegen das Renard-Team seinen ersten Treffer bei einer WM-Endrunde.

Gefeiert nach dem WM-Coup gegen Argentinien

Vor dem letzten Gruppenspiel am Mittwoch gegen Mexiko haben jedoch auch die Saudis beste Chancen aufs Weiterkommen. Als „blonder Zauberer“ ist Renard nach dem Coup gegen Argentinien gefeiert worden. Der Einzug ins Achtelfinale mit den Saudis wäre nun ein weiteres verrücktes Kapitel in seiner unglaublichen Karriere, zuzutrauen ist ihm das aber in jedem Fall.

Hervé Renard mit seinen Spielern der Mannschaft Saudi-Arabiens bei der WM.
Hervé Renard mit seinen Spielern der Mannschaft Saudi-Arabiens bei der WM. © Getty

Denn seit seinem erstaunlichen Turniersieg beim Afrika-Cup mit Sambia 2012 und einem zweiten Erfolg in diesem Wettbewerb mit den chronisch zerstrittenen Ivorern gilt Renard als Spezialist für Missionen, die eigentlich unmöglich sind. Aber irgendwie ist dieser Mann vom Glück geküsst, jedenfalls seit ein paar Jahren.

Vom Gebäudereiniger zum Afrika-Cup-Sieger mit Sambia

Bis vor ein paar Jahren war das noch anders. Der 54 Jahre alte Renard ist ein Fußballer ohne besonders großes Talent gewesen. In der Jugendakademie der AS Cannes trifft er Didier Deschamps und Marcel Desailly, die 1998 Weltmeister wurden, und weiß schnell, dass er nie ein ähnliches Niveau erreichen würde: Als Fußballer hinterlässt er kaum Spuren in Cannes, bei Stade Vallauris und dem SC Draguignan.

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Am Karriere-Ende wird er Gebäudereiniger und putzt Büros, Fußball ist nur noch ein Hobby. „Nie werde ich diese Zeit vergessen, als ich jeden Morgen um drei aufstehen musste, um arbeiten zu gehen“, sagt er einmal, „acht Jahre lang habe ich den Müll rausgetragen“. Abends trainiert er die Amateure des SC Draguignan an der Cote d‘ Azur bis er von dem Fußball-Globetrotter Claude Le Roy als Assistent angeheuert wird und eine Reise durch exotische Gefilde der Fußballwelt beginnt.

Renard mehr als nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort

2012 gelingt ihm das unglaubliche Kunststück, mit dem Außenseiterteam Sambia dem Afrika-Cup zu gewinnen, das Pendant zur Europameisterschaft. Drei Jahre später wird er beim Afrika-Cup-Sieg mit den Ivorern zum ersten und bislang einzigen Trainer, der die Kontinentalmeisterschaft mit zwei unterschiedlichen Mannschaften gewonnen hat. Kenner des afrikanischen Fußballs sagen, er sei einer dieser Typen, dem es irgendwie gelinge, immer im genau richtigen Moment am richtigen Ort zu sein.

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Wahrscheinlich ist er nebenbei auch noch ein ganz guter Trainer, aber die These vom richtigen Ort und der richtigen Zeit trifft nun abermals zu. Weil auch Saudi-Arabien bei dieser WM mit einer besonders talentierten Fußballergeneration antritt und weil überdies die erste WM in einem muslimischen Land gespielt wird.

Versöhnung zwischen Katar und Saudi-Arabien

So trist dieses Turnier aus europäischer Perspektive erscheinen mag, so leuchtend ist es in den Augen großer Teile der arabischen Welt. Die Partie der Saudis gegen Argentinien war wohl das bis dahin stimmungsvollste Spiel der bisherigen WM, am Abend feierten auf den Straßen von Doha Tausende Saudis gemeinsam mit Katarern, Tunesiern, Marokkanern.

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Sogar Katars Emir Tamim Bin Hamad al-Thani legte sich eine saudische Flagge um die Schultern, was als große Geste der Versöhnung begriffen werden kann. Denn 2017 eskalierte ein Konflikt zwischen Katar und einer vom saudischen Kronprinzen Mohammad bin Salman angeführten Allianz mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Ägypten. Nach 2021 entspannte sich die Lage, diese WM treibt die Versöhnung nun weiter an. Zumindest für einen kurzen historischen Moment.

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