Doha. Das DFB-Team braucht zum Weiterkommen bei der WM einen Sieg über Spanien. Die Iberer sind seit Jahren großes Vorbild – und Angstgegner.

Der Mann kann vieles, aber ob er auch als Geisterbeschwörer taugt, ist unbekannt. Hansi Flick ist zweifelsfrei ein hochdekorierter Klubtrainer (sieben Titel in anderthalb Jahren!) und erfolgreicher Bundes-Co-Trainer (Weltmeister!). Ob er auch als erfolgreicher Bundestrainer in die Annalen des deutschen Fußballs eingeht, wird sich schon an diesem Sonntag (20 Uhr/ZDF) zeigen – wenn bei der Weltmeisterschaft in Katar eine Partie gegen Spanien ansteht, die offiziell als zweites Gruppenspiel firmiert, in Wahrheit aber das erste Endspiel für Flick ist.

Spanien sorgte für herbe deutsche Niederlagen

Mit einem Sieg bleibt man vorerst im Turnier – mit einer Niederlage ist man höchstwahrscheinlich raus, und das schon nach zwei Spielen. Es wäre, um es mit einem von Flicks Vorgängern zu sagen, der noch tiefere Tiefpunkt des deutschen Fußballs.

Hansi Flick war am Samstag alleine auf der Pressekonferenz der deutschen Nationalmannschaft vor dem Spanien-Duell.
Hansi Flick war am Samstag alleine auf der Pressekonferenz der deutschen Nationalmannschaft vor dem Spanien-Duell. © dpa

Und in dieser prekären Lage wird Flick nun wieder und wieder mit den Geistern der Vergangenheit konfrontiert, und diese Geister hören nicht auf Namen, sondern auf Jahreszahlen: 2008, 2010, 2018, 2020. Bei der Europameisterschaft 2008 die Niederlage im Finale gegen Spanien. 2010 das Aus im WM-Halbfinale gegen Spanien. 2018 der Vorrunden-K.o., ausnahmsweise nicht gegen Spanien, das sich nun aber gegen Spanien zu wiederholen droht. Und 2020 ein 0:6 in der Nations League gegen – natürlich – Spanien, die höchste Pflichtspiel-Niederlage der deutschen Länderspielgeschichte.

Spanien - Nemesis des deutschen Fußballs

Spanien, immer wieder Spanien, die Furia Roja ist so etwas wie die Nemesis des deutschen Fußballs. Flick aber, der 2008 und 2010 als Co-Trainer dabei war, will solche Gedanken gar nicht erst aufkommen lassen. „Das ist Vergangenheit“, sagt der Bundestrainer einen Tag vor dem bislang wichtigsten Spiel seiner Amtszeit. „Morgen ist die Zukunft und da gucken wir, dass wir Spanien besiegen.“

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Leicht gesagt, in der Umsetzung komplizierter. Der letzte Pflichtspielsieg gegen die Iberer gelang bei der EM 1988, in den zehn Begegnungen danach kam noch ein kümmerliches 1:0 in einem Testspiel im Herbst 2014 hinzu. Auch in die aktuelle Begegnung gehen die Spanier als Favoriten. Sein Gegenüber Luis Enrique habe „eine junge Mannschaft mit fantastischer Qualität geformt“, lobt Flick.

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„Mein Lieblingsspieler Thiago ist gar nicht dabei – da lässt sich erahnen, welche Qualität diese Mannschaft hat.“ Die ja gerade auch Costa Rica in ihrem ersten Gruppenspiel 7:0 weggefiedelt hat. Als hätte man im deutschen Lager nicht ohnehin schon genügend Respekt vor der anstehenden Aufgabe.

Für Löw war Spanien das große Vorbild

Dieser Respekt war unter Flicks Vorgänger Joachim Löw vielleicht sogar noch etwas größer. Erstens wurde die Mannschaft mit den roten Trikots viel zu oft zum Stolperstein auf dem Weg zum Titel, bis sie 2014 netterweise in der Vorrunde selbst stolperte. Und zweitens war Spanien für Löw immer das große Vorbild, der Fixstern am Fußball-Firmament, das gelobte Land des feinen Spiels.

Die Spanier, das waren die, die nie den Ball verloren, die allesamt herausragende Techniker waren, die Tore zum Zungeschnalzen herauskombinierten und dabei nur selten zur Flanke-Kopfball-Tor-Methode griffen, die in den Augen des Ästheten Löw immer etwas Anrüchiges hatten.

Abheben beim Jubeln: Die Spanier strotzen nach ihrem 7:0-Auftaktsieg bei der WM vor Selbstvertrauen.
Abheben beim Jubeln: Die Spanier strotzen nach ihrem 7:0-Auftaktsieg bei der WM vor Selbstvertrauen. © firo

Flick ist da anders. Natürlich, den spanischen Trainer Enrique schätzt er sehr, schon einige Male hat er sich mit ihm getroffen und über Fußball gefachsimpelt. Auch den Kapitän Sergio Busquets, „das Herz dieser Mannschaft“. Und grundsätzlich das Spiel, das „unabhängig vom Gegner klare Automatismen hat“. Aber Vorbild? So weit würde Flick nie gehen.

Deutschland kann sich noch immer Einiges bei Spanien abschauen

Erstens ist der 57-Jährige deutlich pragmatischer veranlagt als sein Vorgänger. Er arbeitet mit den Spielern, die er hat, statt sich an einem Ideal auszurichten, so nah oder fern das auch sein mag. Und er redet diese Spieler lieber stark, anstatt ihnen vor dem Duell das Gefühl zu vermitteln, dass der Gegner eh viel stärker ist. „Ich bin absolut froh mit der Mannschaft, die ich betreuen darf“, beteuert der Bundestrainer.

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Aber so ganz weg ist der spanische Vorbildstatus dann doch nicht: „Bei der Ausbildung in Sachen Technik und Taktik können wir uns schon etwas abschauen“, findet Flick. Der Gegner vom Sonntag kann sich über einen steten Zustrom an Talenten freuen – wie Gavi und Pedri, die beim 7:0 gegen Costa Rica in der Startelf standen und im Mittelfeld brillierten. Luis Enrique hat es sich sogar leisten können, einen wie Sergio Ramos zu Hause zu lassen, den scheinbar ewigen Abwehrchef, der die Mannschaft zu einem WM- und zwei EM-Titeln führte.

Wichtiger Sieg für Flick als Bundestrainer

Statt der Platzhirsche von einst steht die Mannschaft im Vordergrund, Spanien setzt auf junge, hungrige Spieler – und auf einen Fußball, der dem deutschen gar nicht so unähnlich ist. „In ihrem System geht es auf jeder Position auf Eins-gegen-eins-Duelle – und genau das fordern wir auch von unseren Spielern“, sagt Flick. „Wir müssen in der Lage sein, unsere Duelle zu gewinnen, darauf kommt es an.“

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Für Flick wäre es der wichtigste Sieg seiner noch jungen Bundestrainer-Karriere. Für den deutschen Fußball die Emanzipation vom großen Vorbild der jüngeren Vergangenheit. Und auch die vielen bösen Geister wären erst einmal vertrieben.