Hamburg. Werner Kernebeck, neuer Cheftrainer beim Zweitliga-Aufsteiger ETV, führt hauptberuflich in Achim ein Tischlerunternehmen.

Das Schönste an Bremen, so sagen die, die es mit Hamburgs hassgeliebter Hanseatenschwester nicht so gut meinen, sei die Autobahn nach Hamburg. Werner Kernebeck wäre zumindest in der Lage, diese Aussage fundiert zu untermauern, schließlich fährt der 54-Jährige die gut 110 Kilometer zwischen seiner Heimatstadt Achim und Eimsbüttel mehrmals in der Woche hin und zurück. Der Grund der Pendelei ist die Mission Klassenerhalt, die er mit den in die Zweite Liga aufgestiegenen Volleyballmännern des Eimsbütteler TV erfüllen möchte.

Als Werner Kernebeck im Frühjahr den Bremer Club TV Baden nach zwölf Jahren Trainertätigkeit und dessen Rückzug aus der zweithöchsten Spielklasse verließ, war ihm noch nicht klar, dass sein Weg regelmäßig auf die Autobahn 1 führen würde. „Ich habe gespürt, dass ich etwas Neues ausprobieren wollte“, sagt er. Über den vom TV Baden zum ETV abgewanderten Libero Nils Mallon (32) entstand der Kontakt zum Aufsteiger, der nach dem Abgang von Cheftrainerin Ines Laube (32) zu den ETV-Zweitligafrauen Ersatz suchte.

Eimsbütteler TV: Kernebeck fand Aufgabe sofort reizvoll

„Mich hat die Aufgabe sofort gereizt“, sagt Werner Kernebeck, „zum einen, weil ich die Mischung aus hungrigen Talenten und älteren Haudegen gut finde. Zum anderen, weil es mich interessiert, wie es sich im Hamburger Landesverband und einem Großverein wie dem ETV arbeiten lässt.“

Nachdem die Vorbereitung absolviert ist und an diesem Sonnabend (19.30 Uhr) mit einem Gastspiel beim VV Humann Essen die Saison 2022/23 startet, sieht sich der neue Übungsleiter in seiner Entscheidung bestätigt. „Die Unterstützung, die ich aus dem Verein bekomme, ist großartig. Wir sind auf einem ziemlich guten Weg. Der Kader ist in der Breite absolut vernünftig aufgestellt. Das erste Ziel eines Aufsteigers ist immer der Klassenerhalt, den ich für absolut realistisch halte. Alles, was darüber hinaus möglich ist, nehmen wir gern mit“, sagt er.

"Die Geschlechter werden gleichrangig behandelt"

Besonders angetan ist Kernebeck, der vor drei Jahren seine A-Lizenz erwarb, von der familiären Atmosphäre, die der ETV trotz seiner fast 14.500 Mitglieder ausstrahle. Die Beziehung zum Frauenteam, das 2020 erstmals in der Vereinshistorie in die Zweite Liga aufgestiegen war – die Männer spielten zuletzt 2007/2008 zweitklassig –, sei außergewöhnlich. Dass ein Verein zugleich Teams in den Zweiten Ligen der Frauen und Männer stellt, ist ein bundesweites Alleinstellungsmerkmal. „Das unterstreicht, worum es dem Verein geht: dass die Geschlechter gleichrangig behandelt und gefördert werden“, sagt er.

Ausgebaut werden soll das Binnenverhältnis mit Doppelspieltagen, an denen beide Teams hintereinander in der Sporthalle Hoheluft zu Heimspielen antreten. Nebenbei spart diese Synergie Kosten und Personal; ein nicht unwichtiger Fakt angesichts der Tatsache, dass der Gesamtetat von rund 150.000 Euro für beide Teams auf Kante genäht ist. Ihren Heimspielauftakt bestreiten die Männer am 1. Oktober (19 Uhr) gegen den Kieler TV allerdings allein. Die Frauen, die ihr erstes Spiel am vergangenen Sonnabend 3:0 beim Schweriner SC II gewannen, empfangen erst eine Woche später um 15 Uhr Dingden.

Eimsbütteler TV: Was Kernebecks Kernaufgabe ist

Seine Kernaufgabe beschreibt Werner Kernebeck darin, die zu großen Teilen neu aufgestellte Mannschaft zu einer Einheit zu formen. Aus dem Aufstiegsteam sind mit Mittelblocker Leo Hauschild (24), Diagonalangreifer Andrej German (28) und Außenangreifer Stefan Köhler (33) lediglich drei Spieler verblieben. Hauschild führt die Mannschaft als Kapitän an und wird dabei von Köhler und Zuspieler Tim Sevecke (19) unterstützt. „Ich mag es, Talente zu entwickeln und dabei zu helfen, Mannschaften zu formen“, sagt der im westfälischen Gronau geborene Cheftrainer, für den sein Wirken im Leistungssport zwar Herzensangelegenheit, aber auch nicht mehr als eine Nebentätigkeit ist.

Im Hauptberuf führt er in Achim, wohin es ihn vor 25 Jahren der Liebe wegen verschlug, ein Tischlerunternehmen. Harte, ehrliche Handarbeit kennt er also nicht nur vom Volleyballfeld. „Der Sport ist für mich eine tolle Abwechslung zum Alltag. Ich hatte nie einen Plan dafür, alles hat sich ergeben, weil ich großes Interesse daran habe, Neues kennenzulernen“, sagt er. Dafür nimmt er die Pendelei in Kauf, auch wenn es in Bremen viel Schöneres gibt als die Autobahn nach Hamburg.