Berlin. Die deutschen Basketballer haben bei der EM in Berlin die Bronzemedaille geholt. Sieg zum Abschluss gegen Außenseiter Polen.

Dass das Ergebnis im Spiel um den dritten Platz letztlich sogar Makulatur gewesen wäre, ist das größte Kompliment, das diese deutsche Basketballnationalmannschaft erhalten kann. Zwei Wochen hatte sie Sport-Deutschland begeistert, in dieser Zeit mehr für ihre Sportart bewirkt, als es sämtliche intern wie extern gesteuerte Kampagnen vermochten. Dass letztlich aber EM-Bronze durch den 82:69 (19:14, 17:9, 18:26, 28:20)-Sieg gegen den Außenseiter Polen in der mit 12.913 nicht ausverkauften Berliner Mercedes-Benz-Arena gewonnen wurde, ist nach sieben Siegen aus neun Spielen und Leidenschaftslevel 700 vor allem für die Mannschaft und Bundestrainer Gordon Herbert hoch verdient.

Bundestrainer Gordon Herbert überzeugt

Herbert ist einer der Gewinner dieser EM. Bevor der Kanadier im September 2021 seine Arbeit als Bundestrainer aufgenommen hatte, galt er bestenfalls als dritte Wahl. Favorit des Deutschen Basketball Bundes (DBB) war der damalige Ludwigsburger Coach John Patrick (54), der seit dieser Saison bei den Chiba Jets Funabashi in Japan arbeitet. Doch eine Vereinbarung zwischen DBB und der Bundesliga schließt die Doppelfunktion als Vereins- und Bundestrainer aus. Ludwigsburg ließ Patrick nicht aus seinem Vertrag, und der DBB fragte beim früheren Kölner Meistertrainer Sasa Obradovic (53/AS Monaco) an. Auch zum griechischen Nationaltrainer Dimitrios Itoudis (52/Fenerbahce Istanbul), einer der besten seines Faches, soll es Kontakt gegeben haben. Erst als mit sämtlichen Kandidaten keine Einigung erzielt werden konnte, kristallisierte sich der damals arbeitslose Herbert als beste verfügbare Variante heraus.

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Nach der 86:91-Niederlage im Halbfinale gegen Weltmeister Spanien, der nach Redaktionsschluss im Finale auf Frankreich traf (Aktualität im E-Paper), nahm er die Schuld wegen der seiner Meinung nach schwachen Coachingleistung auf sich. Punktuell korrekt, in der Gesamtbetrachtung vollkommen überzogen. Der 63-Jährige ist der Architekt dieses herausragenden Turniers. Im Team kannte jeder seine Rolle bis ins Detail und hielt sich vor allem daran. Herbert ermutigte seine Spieler, ihre Stärken auf dem Feld zu präsentieren, zugleich aber nicht zu überdrehen. Alle zwölf Akteure sahen die EM als Medaillenmission an, die es äußerst diszipliniert zu bewältigen galt. Dies war nicht bei allen Mannschaften der Fall. So mutete das Turnier für den im Viertelfinale überraschend an Polen gescheiterten Titelverteidiger Slowenien beispielsweise an wie eine Klassenfahrt, die in Ausflügen ins Kölner und Berliner Nachleben mündete.

Das hätte ein Leader Dennis Schröder niemals zugelassen. Ja, richtig gelesen. Ein Anführer Dennis Schröder, ein wahrer Kapitän. Für ihn zahlte sich sein bärenstarkes Turnier auch monetär aus. Am Freitagabend wurde bekannt, dass der bis dato vertraglose Braunschweiger für die kommende NBA-Saison einen Einjahresvertrag über 2,64 Millionen US-Dollar bei den Los Angeles Lakers unterschrieben hat. Für den schillernden Club hatte Schröder bereits 2020/21 gespielt, jedoch ein Angebot über vier Jahre und 84 Millionen Dollar ausgeschlagen, um stattdessen andernorts einen noch besser dotierten Kontrakt einzuheimsen. Er verpokerte sich, erhielt stattdessen nur knapp 5,9 Millionen für ein Jahr von den Boston Celtics.

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Das brachte dem Spielmacher viel Häme in Deutschland ein. In seiner Heimat wird Schröder oft kritisch beäugt, sein überbordendes Selbstbewusstsein sowie sein Hang zum Extrovertierten werden auf unfaire Weise mit den sportlichen Leistungen vermengt. Dabei gab es gerade an diesen bei der EM nichts auszusetzen. Als sein Wurf in der Vorrunde zu selten fiel, brillierte der 29-Jährige als Vorbereiter. Vom Achtelfinale an übernahm der zweifache Vater komplett und zeigte, weswegen er noch immer der profilierteste aktive deutsche Basketballprofi ist. 22 Punkte gegen Montenegro, 26 gegen Griechenland, 30 gegen Spanien. Gegen Polen waren es 26 Zähler für Bronze.

Die Medaille an vorderster Front feierte DBB-Präsident Ingo Weiss. Sein größter Erfolg in 16 Jahren Regentschaft, in denen der 58-Jährige nicht immer unumstritten war, aber zugleich stets unantastbar. Während der Vorrunde in Köln fingen Kameras ein, wie er sich kurz vor Spielbeginn ein Wortgefecht mit dem als besonnen geltenden Johannes Voigtmann (29/Emporio Armani Mailand) lieferte. Dass der gelegentlich aufbrausende Münsteraner bei einem Trainingsbesuch einschlief, sorgte teils für Verwunderung, teils für Belustigung im Nationalteam. Allerdings muss man dem Träger des Bundesverdienstkreuzes zugestehen, dass es ihm mit Erfolg gelungen ist, die EM nach Deutschland zu holen – und mit noch größerem, durch einen reibungslosen Ablauf und vor allem eine öffentlichwirksame Einbettung die Saat für eine nachhaltige Entwicklung des deutschen Basketballs zu säen. Ob diese Saat aufgeht, ist nun die spannendste nach Ende der sportlich stärksten Kontinentalmeisterschaft jemals.

Zur Saatpflege gebe es Pläne, ließ Weiss wissen, und wurde dabei semi-konkret. Immerhin rechnet der DBB-Präsident mit einem Zuwachs der Mitgliederzahlen im Nachwuchsbereich. Und: „Im Gegensatz zu 1993, wo uns der EM-Gewinn überrascht hat, sind wir in den Vereinen diesmal vorbereitet. Nicht umsonst haben wir im Umfeld des Turniers hochwertige Schiedsrichter- und Trainerfortbildungen durchgeführt, in Köln 400 Minis die EM nachspielen lassen“, so Weiss. Zuwächse im Sponsoringbereich sind in Folge der medialen Präsenz wahrscheinlich. Als nächste konkrete Maßnahmen wolle der DBB primär den weiblichen Bereich stärken, der größtenteils noch brachliegt.

Basketball Nummer zwei in Deutschland?

Sich anzumaßen, nun den Platz als Sportart Nummer zwei zu beanspruchen, wollte Weiss jedoch nicht: „In Deutschland haben wir eine Regel: Erstens Fußball, zweitens Fußball, drittens Fußball, viertens Fußball.“ Dass diese Aussage für einige Tage nicht stimmte, war das Meisterwerk von Herbert und seinen Bronzemedaillengewinnern.

Punkte: Schröder (26), Voigtmann (14), Obst (9), Theis (9), Wagner (8), Thiemann (6), Lo (5), Weiler-Babb (3), Giffey (2), Wohlfarth-Bottermann, Sengfelder, Hollatz.