Hamburg. Susann Beucke will mit Kampagne „This race is female“ Vorbild für junge Frauen sein. Nach 15 Jahren verabschiedet sie sich von Olympia.

Krasser könnten die beiden Welten von Susann Beucke nicht auseinanderliegen: Vor einem Jahr krönte sie ihre olympische Karriere an der Seite von Tina Lutz im Segelskiff 49erFX in Japan mit Silber. Jetzt steuert sie im Heckwasser von Boris Herrmann den Start bei der übernächsten Solo-Weltumseglung Vendée Globe 2028 an. Sechs Jahre Zeit hat sich die Kielerin vom Norddeutschen Regatta Verein dafür gegeben. Ihre neue Kampagne heißt „This race is female“. Als Neu-Auszubildende im Seesegelsport will Beucke zeigen, zu was Frauen imstande sind. Sie will andere Frauen beflügeln und Vorbild sein. Und sie folgt ihrer großen Leidenschaft: „Mein Herz schlägt lange ganz laut für den Offshore-Segelsport.“

Beuckes Wechsel vom olympischen Segeln zum Solo-Hochseesport, von der Kurzstrecke zur Marathon-Distanz, ist vergleichbar mit einem Sprung aus der Formel 1 zur Rallye Dakar. Waren bei Olympia vor allem Dynamik, Athletik und Balance gefragt, so sind jetzt Ausdauer, Härte, handwerkliches Können und navigatorische Güte gefordert.

Segeln im Haifischbecken: Die Figaros

Vieles ist für Beucke neu, doch der Anfang ist gemacht: Zu Jahresbeginn absolvierte sie ihren ersten Trainingsmonat in der französischen Herzschlagkammer des Solosegelns in Lorient. Für ihren Einstieg hat sich die 30-Jährige mit den Figaros die anspruchsvollsten Yachten ausgewählt, die es Einhand zu bändigen gilt. Der Figaro-Circuit gilt als Wiege künftiger Vendée-Globe-Stars und ist hart umkämpft. „Anfang Februar habe ich mich ins Haifischbecken gewagt“, erzählt sie über die Einsätze in ruppigen winterlichen Atlantikbedingungen.

Als zweimalige Europameisterin muss sich Beucke nun wieder hinten einreihen. Bei ihrem ersten Figaro-Solorennen im April war nur Ankommen das Ziel. Über Platz 29 unter 32 Startern jubelte sie: „Ich bin happy, stolz und zufrieden.“ Susann Beucke weiß, dass sie in den kommenden Lehrjahren Nehmerqualitäten beweisen muss, und sagt: „Ich bin nicht in der Figaro-Klasse, um Medaillen und Pokale abzusahnen, sondern um zu lernen und richtig, richtig gut zu werden.“

Überrascht hat Beucke im ersten halben Jahr ihres neuen Segellebens, dass sie ihr olympisches Können auf hoher See kaum nutzen kann: „Ich hatte gedacht, dass ich vielleicht 30 Prozent meiner Fähigkeiten aus dem olympischen Segelsport einsetzen kann. Dann findest du raus: Wenn es fünf Prozent sind, ist es schon viel.“

Hochseesegeln sei, stellt die Athletin augenzwinkernd fest, das Ungesündeste, was man sich vorstellen könne: zu wenig Schlaf, zu wenig Bewegung, zu wenig von vielem. Warum sie sich das antut? „Ich bin ein Mensch, der Herausforderungen und Wandel mag. Ich will das jetzt durchziehen und machen.“ Zu ihren eigenen Idolen zählt sie die in Frankreich lebende britische Weltumseglerin Samantha Davies, weil sie „als Seglerin Familie und erfolgreiches Hochseesegeln erfolgreich vereint“.

Nach 15 Jahren: Beucke nimmt Abschied von Lutz

Mit Beginn der neuen Profikarriere nimmt Beucke Abschied von 15 Jahren olympischem Leistungssport an der Seite von Tina Lutz. Das Duo hatte zweimal die Olympia-Qualifikation verpasst, bevor die beiden ihren Traum im dritten Anlauf wahr machen und mit Silber in Enoshima krönen konnten. Mit Tina Lutz wird Susann Beucke bei der Kieler Woche (18. bis 26. Juni) eine letzte Regatta in ihrem Lieblingsrevier vor der eigenen Haustür in Strande bestreiten.

Außerdem stellte Beucke am 21. Juni in Kiel ihre ersten beiden Partner aus der Wirtschaft vor, die sie mithilfe der Hamburger Agentur Krugmedia GmbH gewinnen konnte. Vor dem Heimspiel in Kiel wird Susann Beucke am Freitag auf der Außenalster den Startschuss zur weltgrößten Frauen-Regatta abfeuern. Anschließend nimmt sie selbst mit der Rollstuhlbasketball-Silbermedaillengewinnerin Anne Patzwald am Helga Cup teil, den sie 2018 gewinnen konnte.