Hamburg. Die Führung des Hamburger Sportbundes stellt mit dem „Arbeitsprogramm 2021–2025“ einen Leitfaden für alle Mitgliedsorganisationen vor.

Er werde Zeit brauchen, um die wichtigsten Themenbereiche zu definieren und Zielstellungen für seine bis Ende 2026 datierte erste Amtszeit als Vorstandsvorsitzender des Hamburger Sportbundes (HSB) zu formulieren, hatte Daniel Knoblich wenige Wochen nach seinem Amtsantritt im Januar im Abendblatt-Interview gesagt.

Vier Monate später hat der 42-Jährige geliefert. Mit dem „Arbeitsprogramm 2021–2025“ haben Präsidium und Vorstand der Dachorganisation des Hamburger Sports, die 790 Vereine, 52 Landesfachverbände und 23 Mitglieder mit besonderen Aufgaben vertritt, einen Leitfaden erarbeitet, der in der kommenden Woche der Öffentlichkeit im Internet zugänglich gemacht werden soll.

Hamburger Sportbund: Ambitioniert, aber unkonkret

Auf den ersten Blick lesen sich die zehn Themenbereiche, die in ihrer Reihenfolge die Prioritäten in der HSB-Führung widerspiegeln, zwar ambitioniert, aber gleichzeitig in Teilen zu wenig konkret. Um dem Abhilfe zu schaffen, empfingen Knoblich, HSB-Pressechefin Steffi Klein und Maarten Malczak, Referatsleiter Politik, Kommunikation und Marketing, das Abendblatt im „Haus des Sports“ am Schlump.

Schließlich ist der neuen Führung – an der Spitze des HSB steht mit Katharina von Kodolitsch (51) seit November 2021 erstmals eine Präsidentin – eins besonders wichtig: dass das neue Arbeitsprogramm keine in Stein gemeißelte Handlungsanweisung darstellt, sondern ein Angebot an alle Mitgliedsorganisationen des HSB, sich in dessen Gestaltung einzubringen. „Wir sehen uns als Impulsgeber und sind uns bewusst, dass wir nicht alle für unsere Mitglieder relevanten Themen bereits erfasst haben“, sagt Daniel Knoblich.

Safe-Sport-Konzept soll Kinder schützen

Dessen Handschrift ist in dem Zehn-Punkte-Manifest deutlich erkennbar. Als langjähriger Geschäftsführer der Hamburger Sportjugend hatte der passionierte Läufer dafür gekämpft, Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt zu schützen. An Punkt zwei des Arbeitsprogramms findet sich deshalb das Bekenntnis, bis Juni ein umfassendes Safe-Sport-Konzept für den organisierten Sport in Hamburg zu erstellen. Dafür wird in diesem Jahr bereits eine halbe Stelle finanziert, 2023 soll diese Personalressource ausgebaut werden. Man plane, so Knob­lich, alle vom HSB geförderten Mitgliedsorganisationen zur Einhaltung dieses Konzepts zu verpflichten, „damit allen klar wird, welche Bedeutung das Thema für die Gesellschaft hat“.

Höher priorisiert ist im neuen Leitfaden lediglich das Motto „Zurück zu alter Mitgliederstärke“. Mehr als 34.000 Mitgliedschaften waren während der zwei Jahre anhaltenden Pandemie verloren gegangen. Zwar melden viele Vereine mittlerweile moderate Anstiege, manche führen bereits wieder Wartelisten. Aber gerade im hochpreisigen Fitness-Segment bleibt die Kundschaft in Teilen lieber beim Onlinekurs im heimischen Wohnzimmer. „Wir befinden uns auf dem Weg der Besserung, sind aber noch lange nicht genesen“, sagt Knoblich.

500.000 Euro für Förderung von Frauen und Mädchen

Die Genesung beschleunigen soll die Ausbildung zusätzlicher qualifizierter Trainer und Übungsleiterinnen – 100.000 Euro Zuschuss für rund 400 Lizenzen sind mündlich zugesagt. Außerdem will der HSB neue Entwicklungen frühzeitig erkennen und entsprechend bedarfsgerechte Angebote entwickeln (Punkt acht) – und sich über den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) auch bundesweit für in Hamburg relevante Themen wie die Förderung des E-Sports einsetzen (Punkt fünf).

Insbesondere der Rückgang an weiblichen Mitgliedern – verursacht mutmaßlich dadurch, dass Frauen in der Pandemie vermehrt zu Hause gefordert und als mehrheitlich Indoor-Sporttreibende länger vom Vereinsbetrieb ausgeschlossen waren – soll nun umgekehrt werden. Die Bürgerschaft hat 500.000 Euro zusätzliche Mittel für Maßnahmen bereitgestellt, um Mädchen und Frauen zurück in den organisierten Sport zu holen. „Außerdem sehen wir, dass die Gutscheinkampagne sehr erfolgreich ist. Unsere Mitgliedschaft teilt sich in zwei Drittel männlich und ein Drittel weiblich, bei den Gutscheinen haben wir ein Verhältnis von 50:50. Das macht Mut“, sagt Knoblich.

Auch Nachhaltigkeitskonzept ist vorgesehen

Über die Kampagne „#sportVEREINtuns“ hatten Stadt, HSB und der Verband für Turnen und Freizeit (VTF) 20.000 Gutscheine im Wert von 80 Euro ausgegeben, Ende vergangener Woche wurden 2500 weitere freigeschaltet. Die explodierenden Energiekosten, die insbesondere Vereine mit eigenen Sportanlagen zu teils massiven Beitragserhöhungen zwingen könnten, drohen die Gutscheinkampagne zu konterkarieren. Knoblich will deshalb in Verhandlungen mit der Stadt nachschärfen, um Energiekostenzuschüsse zu erreichen.

Große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang Punkt vier zu, der Erarbeitung eines Nachhaltigkeitskonzeptes, für das sich die HSB-Führung bis 2025 Zeit geben möchte. Da die Stadt künftig die Vergabe von Fördermitteln im Sport an den Nachweis eines Nachhaltigkeitskonzeptes knüpft, ist schnelles Handeln gefragt – doch wie die meisten Vereine, Verbände und Veranstalter ist auch der HSB auf diesem Feld nicht adäquat aufgestellt. „Das Nachhaltigkeitskonzept ist die größte Herausforderung im gesamten Arbeitsprogramm“, sagt Daniel Knoblich, „wir sind noch nicht dafür aufgestellt, unseren Mitgliedern hier adäquate Hilfe anbieten zu können.“

Kein Wunder, schließlich sind von 60 Mitarbeitenden im HSB, der seinen Jahreshaushalt mit rund 20 Millionen Euro bestreitet, nur etwas mehr als die Hälfte in Vollzeit mit ihren Aufgaben betraut. Für sechs der zehn Themenfelder bestehen bereits Ideen oder Konzepte, an denen gearbeitet wird. Allerdings binden die regulären Aufgaben wie die Förderung des Nachwuchsleistungssports – der unter wegen Corona ausgefallenen Sichtungsmaßnahmen stark gelitten hat – oder die Beschäftigung mit sportinfrastrukturellen Projekten viele Kräfte. Letzteres ist zwar nicht primär Aufgabe des HSB, der allerdings mit Tina Hartz Anfang April eine neue Referatsleiterin für Sportinfrastruktur eingestellt und als Mittler zwischen Bezirken und Vereinen eine wichtige Rolle eingenommen hat.

Ein Budget für die Umsetzung des Arbeitsprogramms kann noch nicht beziffert werden, „wir werden erst 2025 genau sagen können, welche Mittel wir benötigt haben, bis dahin fahren wir auf Sicht“, sagt Daniel Knoblich. Nachdem in den Pandemiejahren die Zuschüsse der Stadt sprudelten, erwartet Maarten Malczak für den organisierten Sport von Herbst an schwere Zeiten. Der aktuell gültige Sportfördervertrag läuft noch bis 2024. Für 2022 sind Zuwendungen von 10.611.000 Euro zugesagt.

Hamburger Sportbund gibt Infoveranstaltungen

Dass Corona trotz aller Härten auch etwas Gutes hatte, kann Steffi Klein berichten. „Wir haben in der Krise ein neues Level der Kommunikation erreicht, sowohl mit der Stadt als auch mit unseren Mitgliedsorganisationen sind wir deutlich intensiver im Austausch“, sagt die HSB-Sprecherin. Dennoch wolle man versuchen, auch die kleineren Vereine, die nicht über eine Presse- oder Kommunikationsfachkraft verfügen, noch besser zu erreichen. Im Sommer sollen auf einer Informationsveranstaltung alle Förderprogramme des HSB und der Sportjugend vorgestellt werden.

„Es geht ums Zuhören, Dasein und Verständnisaufbringen. Auf diesem Weg wollen wir alle mitnehmen“, sagt Daniel Knoblich. Wer den Hamburger Sport kennt, der weiß, welch harte Arbeit auf diesem Weg wartet. Aber die Grundlage dafür, dass der Weg ins Ziel führt, ist mit dem Programmentwurf gelegt.

Zehn-Punkte-Plan

  1. Zurück zu alter Mitgliederstärke
  2. Schutz der Mitgliedschaften im organisierten Sport (Safe Sport)
  3. Förderung der Geschlechtergerechtigkeit
  4. Erarbeitung eines Nachhaltigkeitskonzepts bis 2025
  5. Strategische Entwicklung des politischen Netzwerks
  6. Strukturelle Förderung des freiwilligen Engagements
  7. Ausweitung der Digitalisierungsmaßnahmen
  8. Neue Angebotsformate (be)fördern
  9. Erarbeitung eines Zukunftsbildes für den Sport in 2040
  10. Weiterentwicklung bestehender Handlungsfelder