Hamburg. In Teil drei der Olympiaserie beschreibt Sportschützin Monika Karsch, warum sie keine Beziehung zu ihren Waffen hat.

Am 23. Juli beginnen in Japans Hauptstadt Tokio die Olympischen Sommerspiele. 434 Aktive wird das Team Deutschland umfassen, und eine ganze Reihe von diesen Sportlerinnen und Sportlern kann sich nicht allein auf die Stärke ihres Körpers verlassen. Sie sind angewiesen auf ihr sportliches Werkzeug, um Höchstleistung zu bringen. In dieser Serie stellen bis zum Start der Spiele sechs Tokio-Reisende die Geheimnisse ihres Sportgeräts vor. Heute Teil drei mit der Regensburger Sportschützin Monika Karsch.

Ihre Erwartung ist groß. „Ich freu mich wahnsinnig“, sagt Monika Karsch. Die Olympiazweite von Rio de Janeiro 2016 ist eine empathische, offenherzige und positive Frau, die ihre Gefühle mit ihrer Umwelt teilt. Es gibt vieles, über das sie ganz enthusiastisch spricht. Es gibt jedoch eine Ausnahme, die sogar sehr vernünftig klingt: Ihr Sportgerät entlockt der 38 Jahre alten Soldatin gar keine Emotionen. Auf die Frage, ob sie denn eine Beziehung zu ihrer Waffe habe, antwortet die Pistolenschützin nur mit einem „Nee.“ In Zeiten, in denen der Missbrauch von Waffen immer wieder für negative Schlagzeilen sorgt, ist dies eine beruhigende Einschätzung.

Gefährliche Waffe

Karschs Pistolen haben weder Kosenamen noch Erkennungszeichen. „Die sind so identisch. Ich erkenne sie, wenn sie im Koffer liegen, nur an der Nummer“, erklärt die Sportlerin, die seit 2014 unter den besten zehn der Weltrangliste steht und derzeit Achte ist. Nicht einmal den genauen Typ kann sie nennen; wann sie die Waffen der Marke Pardini erhalten hat, auch nicht genau: „Die Pistolen habe ich seit 2014 oder 2015.“

Es ist eine gefährliche Waffe, mit der Monika Karsch ihren Sport betreibt, Kaliber 22. Daher bekommt ihre Sportgeräte zu Hause in Regensburg niemand zu Gesicht. „Wenn ich vom Training heimkomme, werden als Erstes die Pistolen weggeschlossen“, berichtet die Mutter zweier Schulkinder. Im Reihenhaus von Monika und Thomas Karsch, ihrem Ehemann und Heimtrainer, gibt es im Keller zwei Tresore, und „nur ich weiß, wo der Schlüssel deponiert ist“. Der zweite Safe ist für die getrennt zu lagernden Patronen, die der Hersteller kostenlos zur Verfügung stellt.

Monika Karsch strebt eine Medaille an

In Tokio strebt Monika Karsch, Europameisterin 2017 in Baku und 2019 in Bologna, eine Medaille an und hofft auf weniger Stress mit ihrer etwa 2500 Euro teuren Waffe als 2016 im Goldfinale gegen die Griechin Anna Korakaki, mit der sie wie mit manchen Konkurrentinnen befreundet ist. Nach 0:6 glich Karsch zum 6:6 aus, unterlag aber mit 6:8. „Da hatte ich eine Waffenstörung“, berichtet die Silbermedaillengewinnerin. „Was genau war, wissen wir nicht.“

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Anders als mit der Luftpistole (Wert etwa 2000 Euro), mit der sie in Tokio auch antreten wird, „ist bei der Sportpistole öfter mal was“. Deshalb sind Haupt- und Zweitwaffe im Training ihrer Spezialdisziplin immer dabei: „Die ersten Einheiten mache ich mit der Ersatzwaffe. wenn es Richtung Wettkämpfe geht, steige ich auf die Hauptwaffe um.“

Eigens angefertigter Griff

Ein eigens angefertigter Griff aus Holz ist das wichtigste Element. Davon hat sie eine Kopie und auch zwei Pistolenläufe unterschiedlicher Qualität, dazu Laufgewichte und Abzüge, die händisch eingestellt werden müssen. Vor der Europameisterschaft im Frühling machte die Hauptwaffe „Zicken mit dem Abzug“. Also ist jetzt die Ersatzwaffe ihre Hauptwaffe. Geputzt wird etwa alle drei Wochen, Öl und Reste des Pulvers werden mit dem Schraubendreher herausgekratzt. Karsch: „Durch das Kleinkaliber verdreckt sie schon ganz schön, bei der Luftpistole schießt man nur ab und zu Filzpfropfen durch und ölt sie, damit sie keinen Rost ansetzt.“

Vier Pistolen sind im Gepäck, wenn am 17. Juli das Abenteuer Tokio beginnt. Ein Playbook des IOC schreibt genau vor, wo sich die Sportlerinnen werden bewegen dürfen: nur im olympischem Dorf und zum Wettkampfort, Ausflüge sind tabu. „Ich glaube, dass es einen Olympic Spirit geben wird“, hofft Monika Karsch, obwohl sie auch darüber nachdenkt, wie sinnvoll die Spiele angesichts der Pandemie sind. „Ich freue mich dennoch fast mehr als vor Rio, weil es so schön ist, wenn man endlich wieder dieses Wettkampfgeschehen hat.“