Hamburg. Erst 21, aber schon Rückhalt im Hockeytor: Alexander Stadler will sich am Sonnabend im EM-Finale gegen Niederlande beweisen.

Sollte Alexander Stadler an diesem Sonnabendmittag verdursten, dann hätten wenigstens seine Vorderleute alles richtig gemacht. Nach Gegentoren pflegt der Torhüter der deutschen Hockeyherren hinter seinem Kasten eine kurze Trinkpause einzulegen, um die Konzentration neu zu schärfen. Je weniger er das tun muss, desto höher ist die Chance, dass es im Finale der Feld-EM in Amsterdam gegen Gastgeber Niederlande (12.30 Uhr/sportschau.de) zum Sieg reicht.

Es wäre der erste internationale Titel für ein deutsches Herrenteam seit der EM 2013, und auch wenn in den Olympischen Sommerspielen in Tokio (23. Juli bis 8. August) der Jahreshöhepunkt noch ansteht, lässt Alexander Stadler keinen Zweifel daran zu, dass die Auswahl des Hamburger Bundestrainers Kais al Saadi derzeit ausnahmslos auf den EM-Triumph fixiert ist.

EM-Finale ist zehntes A-Länderspiel für Stadler

„Olympia wird nicht in unseren Köpfen sein. Wir haben schon im Halbfinale gegen England gezeigt, dass wir alles investieren, um hier ganz oben zu stehen“, sagt der 21-Jährige vom TSV Mannheim, dessen Nominierung für viele Beobachter überraschend kam. Das EM-Finale gegen den Erzrivalen ist schließlich erst das zehnte A-Länderspiel für ihn. Stadler wird zum Start der Sommerspiele 7953 Tage alt sein – und wäre damit der zweitjüngste Hockeytorwart der deutschen Olympiageschichte. Lediglich der Nürnberger Wolfgang End war bei den Spielen in Italiens Hauptstadt Rom 1960 mit 7905 Tagen jünger.

Gerade auf einer so herausgehobenen Position setzen Trainerteams häufig auf erfahrene Spieler, die Ruhe und Souveränität ausstrahlen. Aber wer Alexander Stadler bei den bisherigen Auftritten im Wagener-Stadion beobachtete, der wäre nie auf die Idee gekommen, dass dort der zweitjüngste Akteur des Kaders zwischen den Pfosten steht.

Stadler setzte sich gegen Hamburger Konkurrenten durch

Vor allem beim 2:2 im Gruppenspiel gegen die Niederlande und beim 3:2-Halbfinalsieg gegen England unterstrich der gebürtige Heidelberger, der Fitnessökonomie und Fitnesswissenschaften studiert, warum er sich im extrem engen Kandidatenrennen gegen die Hamburger Konkurrenten Mark Appel (26/Club an der Alster) und Victor Aly (26/Großflottbeker THGC) durchgesetzt hatte. Mit überragenden Reflexen auf der Linie, einer guten Übersicht und seiner lautstarken Art im Dirigieren seiner Abwehr weiß Stadler sich in Szene zu setzen.

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„Es zeichnet ihn aus, dass er unbekümmert und mit großer Klarheit eine vielleicht vorhandene Unerfahrenheit wettmacht“, sagt Bundestrainer al Saadi. „Alex hat in der Vorbereitung die kon­stantesten Leistungen gezeigt. Wir haben alle darauf gewartet, dass er mal wackelt und Nerven zeigt, aber das ist bislang nicht passiert. Deshalb sehe ich auch kein Risiko darin, einen so jungen Torhüter zu nominieren.“ Stadler selbst führt seine Ausstrahlung darauf zurück, dass er mit den Juniorennationalteams bereits zwei EM-Turniere gespielt hat. „Auch da war ich oft einer der Jüngsten, deshalb ist das keine Rolle, die für mich ungewohnt ist“, sagt er. Zudem sei sein Selbstbewusstsein dank der Nominierung gewachsen. „Dass das Trainerteam mir trotz meiner fehlenden Erfahrung das Vertrauen schenkt, bedeutet mir sehr viel und gibt mir Stärke“, sagt er.

Stadler nennt Oliver Kahn als Vorbild

Seit er während der Corona-Krise den Sprung in den A-Kader geschafft hat, habe er so hart wie nie an seiner Entwicklung gearbeitet. „Ich habe das Trainingspensum ebenso erhöht wie die Qualität meines Trainings. Ich habe sehr viel dafür getan, um jetzt bereit zu sein für die Herausforderungen, die in diesem Sommer auf uns warten“, sagt er.

Ein unbändiger Ehrgeiz, der ihm manchmal selbst als zu groß erscheine, treibe ihn an, sagt der Mann, der den früheren Fußball-Nationaltorhüter Oliver Kahn („Weiter, immer weiter!“) als sein größtes Vorbild nennt. Auch vom aktuellen DFB-Auswahlkeeper Manuel Neuer und dem langjährigen deutschen Hockey-Nationaltorwart Max Weinhold habe er versucht, sich einiges abzuschauen.

Torhüter pflegt ein kleines Ritual

Alexander Stadler braucht, wie so viele Torhüter, ein kleines Ritual, um sich optimal auf das bevorstehende Spiel einzustellen. „Ich ziehe meine Ausrüstung immer erst auf der rechten Seite an. Das gehört irgendwie dazu“, sagt er. Um während der Spiele stets konzentriert zu bleiben – „online“, wie es im Hockey gern heißt –, helfe ihm die stetige Kommunikation mit den Vorderleuten.

Mit Paraden zum Helden zu werden und im Mittelpunkt zu stehen, das sei dagegen kein besonderer Antrieb für ihn. „Natürlich ist es toll, mit einer geilen Parade dem Team zu helfen. Aber man ist ja genauso schnell der Depp, wenn man einen Fehler macht“, sagt er. Viel wichtiger sei, als Team zusammenzustehen. „Wenn wir das im Finale wieder schaffen, dann werden wir auch den Titel holen.“

Deutsche Hockeydamen könnten Herren nacheifern

Die deutschen Damen hatten am Freitagabend die Chance, den Herren nachzueifern und ebenfalls das Finale zu erreichen. Die Auswahl von Bundestrainer Xavier Reckinger traf nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe auf Spanien. Bei einem Sieg käme es am Sonntag (12.30 Uhr) zur Neuauflage des EM-Endspiels von 2019. Titelverteidiger und Weltmeister Niederlande besiegte im ersten Halbfinale Belgien mit 3:1.