Hamburg/London. Der Hamburger Profi war bei seiner Niederlage in London chancenlos und muss nun analysieren, was in seiner Karriere noch möglich ist.

Die Enttäuschung saß tief, und sie schmerzte mehr als die sichtbaren Wunden, die ihm Conor Benn im Gesicht geschlagen hatte. „Ich bin schwer enttäuscht. Auch wenn die Vorbereitung kurz war, haben wir den Kampf angenommen, weil wir die Chance gesehen haben, Benn in seiner Heimat zu besiegen. Leider konnte ich nichts aus dem Training und dem guten Sparring umsetzen“, zog Sebastian Formella eine schonungslos selbstkritische Bilanz aus einem Auftritt, der Fragen aufwarf.

Das Urteil, das die drei britischen Punktrichter in der Nacht zu Sonntag nach dem Hauptkampf in der Wembley-Arena fällten, sprach eine deutliche Sprache. Mit 100:91, 99:91 und 99:92 hatten sie den 24 Jahre alten WBA-Kontinentalmeister im Weltergewicht vorn, was das Kräfteverhältnis im Ring angemessen widerspiegelte.

Formella, 33 Jahre alter Profiboxer vom Hamburger EC-Stall, hatte lediglich im Mitteldrittel des auf zehn Runden angesetzten Kampfes seine Momente, als Benn dem hohen Anfangstempo Tribut zollen musste und seine Deckung vernachlässigte. Die meiste Zeit jedoch war der Herausforderer nicht mehr als ein Spielball für den Sohn der britischen Boxlegende Nigel Benn (56), der sich in allen Belangen überlegen und Formella entsprechend gnadenlos dessen Grenzen gezeigt hatte.

Formella zollt gegen Connor der Doppelbelastung Tribut

Die in dieser Deutlichkeit unerwartete Schlappe dürfte Konsequenzen nach sich ziehen. Formella wirkte drei Monate nach der ersten Niederlage seiner Karriere Ende August gegen US-Topstar Shawn Porter (33) physisch und mental ausgelaugt. Dass er die Chance, nach dem beherzten Auftritt in den USA im Gespräch bleiben und sich mit einem Sieg über Benn für einen WM-Kampf empfehlen zu können, nutzen wollte, ist verständlich. Die Doppelbelastung jedoch, die sich der im Hauptberuf als Containerfahrer im Hamburger Hafen engagierte Athlet aufbürdet, ist auf Weltklasseniveau nicht durchzuhalten.

Diese Erkenntnis hat auch im Team Formella Einzug gehalten. „Es war nicht Bastis Tag. Wir werden mit etwas Abstand analysieren, was noch möglich ist für ihn, und dann über die nächsten Schritte entscheiden“, sagte Cheftrainer Mark Haupt. Um noch zwei, drei große Kämpfe zu bestreiten, müsste Formella sich komplett auf den Sport konzentrieren, was er aus guten Gründen nicht möchte. Deshalb bleibt, auch mangels solventer TV-Partner, wohl nur, sich als Lokalheld in der zweiten Reihe einzuordnen. Das mag noch immer mehr sein, als viele 2014 bei Formellas Einstieg ins Profiboxen für möglich gehalten hatten. Die Erkenntnis schmerzt trotzdem. ​