Quickborn-Renzel. Brigitta Wurnig und Magdalena Overmann führen gemeinsam den Club. Ein Novum im noch von Männern dominierten Sport.

Einen wichtigen Termin hatten Brigitta Wurnig und Magdalena Overmann am Dienstag vergangener Woche. Ein Notar in Halstenbek beglaubigte offiziell einen schon fast revolutionären Vorgang im deutschen Golfsport. Ende August hatte die Mitgliederversammlung des Golf-Clubs an der Pinnau, der in Quickborn-Renzel beheimatet ist und dem Hamburger Golf Verband (HGV) angehört, die beiden zur 1. und 2. Vorsitzenden gewählt. Mehr noch: Es gab für beide ein einstimmiges Votum von den rund 120 erschienenen Mitgliedern, die meisten waren Männer.

Obwohl unter den knapp 642.677 organisierten Golfern in Deutschland 233.472 weiblich sind (Erhebung von 2019), also mehr als 36 Prozent, stellen Frauen an der Spitze der Führungsgremien eine absolute Rarität dar. Brigitta Wurnig ist im HGV die einzige Clubvorsitzende. Eine weibliche Doppelspitze gab es bislang gesamten Deutschen Golf Verband (DGV) nicht.

Clubs und Verbände sind stark von Männern dominiert

„Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich einstimmig gewählt werde. Darüber habe ich mich riesig gefreut. Ich erkenne daran, dass die Mitglieder den neuen Weg mitgehen wollen. Gleichzeitig sehe ich das Votum aber auch als Auftrag für uns“, sagt die 59 Jahre alte Brigitta Wurnig, die bereits 1990 das Golfen in Irland für sich entdeckt und lieben gelernt hat. Da ihre Kandidatur vorher bekannt war, gab es offenbar auch unter denen, die nicht zur Versammlung in der Aula des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums in Quickborn erschienen waren, keinen nennenswerten Widerstand.

Eigentlich sollte es nicht so völlig ungewöhnlich sein, dass auch Frauen an der Spitze eines Vereins stehen, wenn mehr als Drittel der Mitglieder in dieser Sportart weiblich sind. Doch im Golf ist hierzulande manches eben doch noch anders, die Clubs und Verbände sind stark von Männern dominiert. Wie also kam es nun beim GC an der Pinnau dazu, dass es gleich zwei Frauen an die Spitze geschafft haben?

Seit 20 Jahren ist Wurnig als Führungskräfte- und Team-Coach tätig

Auslöser war, dass der bisherige 1. Vorsitzende Helmut Grafe frühzeitig erklärt hatte, nicht wieder kandidieren zu wollen. In einer Sitzung von Vorstand und Mitgliederrat, dem Brigitta Wurnig bereits zuvor angehörte, wurde über die Nachfolge beratschlagt. „Da warf ich ein, es könne ja mal eine Frau machen. Aus einer Ecke kam sofort: Dann mach du es doch“, berichtet Wurnig. Im kleineren Kreis nach der Sitzung kamen noch mehr zu ihr und sagten, dass es toll wäre, wenn sie kandidieren würde. „Daraufhin habe ich es mir überlegt, Gespräche geführt und das künftige Team zu mir nach Hause eingeladen. Ich wollte sehen, ob wir zusammenpassen und inhaltlich in die richtige Richtung gehen. Um 23 Uhr haben wir gesagt: Das passt“, erzählt sie.

Die studierte Juristin ist seit nunmehr 20 Jahren als Führungskräfte- und Team-Coach tätig und seit 14 Jahren selbstständig. „Ich begleite Veränderungsprozesse. Dabei coache ich Teams oder ganze Bereiche mit Workshops, Moderation und Kommunikation. Meine Aufgabe verstehe ich darin, Leute an einen Tisch zu bringen, damit sie mitein­ander reden“, sagt die neue Club-Vorsitzende. Diese Kompetenzen will sie nun auch in ihr neues, verantwortungsvolles Ehrenamt einbringen. Der GC an der Pinnau hat derzeit rund 1300 Mitglieder. Da liegt es auf der Hand, dass es höchst unterschiedliche Interessen und Befindlichkeiten gibt, die es gilt, so gut wie möglich unter einen Hut zu bringen. Es allen recht zu machen, das wissen Wurnig und Overmann, ist schlicht nicht möglich. Aber die Mitglieder an Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen ist machbar, wie die jüngste Online-Umfrage zeigt, in der es darum ging, ob die aufgrund der Corona-Regeln derzeit vorgeschriebene Startzeiten-Buchung auch nach Überwindung der Pandemie beibehalten werden solle.

Große Kompetenz von Frauen

„Eine große Kompetenz von Frauen allgemein und speziell von uns beiden ist die Kommunikation. Zum Beispiel habe ich unseren Newsletter ins Leben gerufen. Ich finde es wichtig, den Mitgliedern gegenüber Transparenz zu schaffen. Man muss keine Angst haben, Nachrichten zu verbreiten“, sagt Brigitta Wurnig. „Ich denke, Freundlichkeit, Offenheit und das Zugehen auf Mitglieder sind Kompetenzen, die uns auszeichnen.“

„Ich finde es wichtig, dass die Mitglieder erfahren, was los ist, gerade weil wir ein gemeinnütziger Verein sind und keine Betreibergesellschaft. Es hilft sicherlich, dass wir hier sehr präsent und ansprechbar sind und nicht irgendwo im Verborgenen sitzen“, ergänzt Magdalena Overmann. Die 46 Jahre alte Flugbegleiterin wurde bereits mit ihrem Wechsel zur Pinnau 2011 zur Kapitänin der Damen-Mannschaft berufen und ist seit drei Jahren als Spielführerin auch im Vorstand tätig. Auch als 2. Vorsitzende wird sie dieses arbeitsintensive Amt weiter bekleiden. Ihr ehrenamtliches Engagement hinderte die mit dem Top-Handicap von -5,0 ausgestattete Overmann allerdings nicht daran, kürzlich wieder einmal Clubmeisterin zu werden.

DGV-Präsident für mehr Frauen in den Clubführungen

Auch an der Spitze des Deutschen Golf Verbandes ist das Novum beim GC an der Pinnau wahrgenommen worden. „Grundsätzlich freut sich der DGV über Frauen in Führungspositionen in der Golfwelt. Deutschland hat mit einem Anteil von mehr als 36 Prozent einen der höchsten Anteile von Frauen unter den Aktiven weltweit. Von daher ist es nur folgerichtig, dass Frauen auch zunehmend eine gestaltende Rolle in der Golfgemeinschaft einnehmen. Leider sind Frauen an der Spitze von Golfclubs nach wie vor die Ausnahme“, sagt Claus M. Kobold, der Präsident des DGV. „Wir können als Dachverband nur alle Frauen ermuntern, mehr Verantwortung zu übernehmen und dem Frauengolf zu mehr Einfluss zu verhelfen.“

Zudem verweist der DGV-Präsident auf die Entwicklung im Leistungssport. „Dass die deutschen Frauen auf dem Vormarsch sind, zeigt sich auch in sportlicher Hinsicht“, sagt er und denkt vor allem an den sensationellen Sieg von Sophia Popov bei den Ladies British Open.

Die Freude über ihre Wahl ist bei den beiden Damen an der Clubspitze des GC an der Pinnau zwar noch immer vorhanden, doch längst steht die Umsetzung der selbst gesteckten Ziele im Vordergrund. „Wir legen einen großen Schwerpunkt auf die Gewinnung von neuen Mitgliedern. Gleichzeitig möchten wir ganz viel dafür tun, die Mitglieder, die da sind, zu binden. Viele haben sich zuletzt etwas vernachlässigt gefühlt“, sagt Brigitta Wurnig.

Erste hoffnungsvolle Signale

Maßgeblich helfen soll dabei ein Marketing-Konzept, für dessen Umsetzung in den kommenden zwei Jahren sich sogar schon ein Sponsor gefunden hat. So kann jetzt eine externe Agentur in diese Aufgabe eingebunden werden. Die gut 1300 Mitglieder sind für eine 27-Loch-Anlage tendenziell zu wenig, um bei akzeptablen Mitgliedsbeiträgen die Kosten decken zu können.

Erste hoffnungsvolle Signale gab es schon in diesem Sommer. „Weil Golf neben Tennis der erste Sport war, der nach dem Lockdown wieder betrieben werden durfte, haben sich viele Leute plötzlich für Golf interessiert, die sonst keinen Gedanken daran verschwendet hätten“, sagt Magdalena Overmann. „Das Schöne am Golf ist ja, dass man es als reinen Freizeit-, aber auch als intensiven Wettkampfsport betreiben kann.“

Bereits an diesem Sonntag lädt der GC an der Pinnau zwischen 11 und 15 Uhr alle Interessierten zum Tag der offenen Tür ein. Es gibt Schnupperkurse und einen Putt-Wettbewerb sowie Fahrten mit dem Cart über die Anlage, um einen Eindruck von den drei Neun-Loch-Kursen zu bekommen. „Unser Club hat so viele tolle Sachen wie zum Beispiel einen von nur zwei Links-Kursen in Hamburg“, schwärmt Brigitta Wurnig vom C-Kurs, der einer Dünenlandschaft an der Küste nachempfunden ist.

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Entscheidend wird dann sein, diejenigen, die auf Anhieb Spaß am Golfen haben, auch an einen Club zu binden. Das ist bisher ganz allgemein eines der größten Probleme dieser Sportart. „Der Golfsport muss flexibler werden. Immer weniger Menschen haben Zeit, 18 Löcher zu spielen. Daher müssen auch wir zum Beispiel an eine Neun-Loch-Mitgliedschaft denken. Wir müssen uns von alten Modellen lösen. Wenn wir neue Menschen auf den Golfplatz locken wollen, müssen wir die Türen öffnen und flexible Angebote machen“, sagt Magdalena Overmann. „Golf muss für alle bezahlbar sein. Aber für 300 Euro im Jahr wird es nicht machbar sein, auch nicht für 500 Euro“, stellt die neue 2. Vorsitzende klar.