Hamburg. Experte Alexander Böker über richtige Gänge, passende Kleidung, ideale Strecken und eine Bergtour im Westen der Stadt.

In Deutschland gibt es rund 76 Millionen Fahrräder, darunter etwa fünf Millionen E-Bikes, spätestens jetzt könnten sie aus den Kellern oder Garagen geholt werden. Die Sonne soll zu Ostern scheinen, der Wind ist zwar manchmal noch eisig und bläst einem kalt ins Gesicht, doch Straßen und Wege bleiben laut Wettervorhersage trocken, der Autoverkehr übersichtlich. In Zeiten der Entschleunigung ist ein nettes Gespräch über die Lenkstange hinweg mit dem Vorder- oder Hintermann immer möglich – der jetzt vorgeschriebene Abstand wird allein schon durch die Länge des fahrbaren Untersatzes eingehalten.

Radfahren, damit sind wir beim Thema, macht und hält fit. Selbst der Einsteiger spürt schnell erste Effekte. „Von der ersten Sekunde an wird die Durchblutung der Muskeln und Organe angeregt, Stoffwechsel, Herz und Kreislauf kommen auf Touren, das Immunsystem wird aktiviert“, sagt Ingo Froböse (63), TV-bekannter Professor an der Deutschen Sporthochschule in Köln für Prävention und Rehabilitation.

Radfahren kann Viren und Bakterien schützen

Hinzu kommt, und das sagen Lungenfachärzte: Beim Radfahren atmen sie intensiver, die frische Luft pustet die Lungen durch, reinigt sie. Das kann ein guter Schutz vor Viren und Bakterien sein.

Alexander Böker (47), Vizepräsident Leistungssport und Offroad des Radsport-Verbandes Hamburg, hat für die Abendblatt-Leserinnen und -Leser zehn Tipps zusammengestellt, die vor allem Anfängern und Gelegenheitsradlern, aber auch „Profis“ Lust auf die erste oder die nächste Radtour machen sollen.

Radfahren macht Spaß

Und das auch ohne einen megateuren Carbonrenner mit elektronischer Schaltung. Ein halbwegs fahrtüchtiges Rad hat fast jeder irgendwo rumstehen. Die Kette geölt, die Bremsen kontrolliert, die Reifen aufgepumpt, schon kann es losgehen. Wer es doch etwas edler, leichter und schneller haben möchte: Bald machen Hamburgs Fahrradläden wieder auf (im Augenblick dürfen sie nur reparieren). Dort gibt es jede Menge Auswahl. Supermodern sind sogenannte Gravel­bikes. Die sehen aus wie Rennräder mit etwas dickeren Reifen, sodass man mit ihnen auch über Schotter fahren kann.

Radhose und Helm

Wer längere Strecken plant, für den ist eine Radhose empfehlenswert. Die hat ein Polster am Gesäß. Man trägt sie übrigens ohne Unterhose. Ein Helm ist vom Gesetzgeber (noch) nicht vorgeschrieben, sollte aber für jeden Radfahrer Pflicht sein! Ohne Helm kann man kurz mal zum Bäcker und Zeitungskiosk fahren, wer sportlich Rad fahren möchte, sollte das niemals ohne Kopfschutz tun.

Kleine Gänge

Keine großen Gänge treten! Lieber häufig treten, dafür mit weniger Kraft. Faustregel für Anfänger: 80 bis 90 Umdrehungen pro Minute. Fortgeschrittene fahren mit mehr als 100 Umdrehungen.

logo hamburg macht sich fit

Anfänger

Wer das erste Mal oder nach langer Zeit wieder aufs Rad steigt, sollte mit Grundlagenausdauer beginnen. Nicht drauflostreten, sondern mit eher niedriger Intensität starten, dafür aber länger fahren, ideal wären 90 Minuten oder mehr, zum Einstieg reichen auch 30. Kleine, kurze Kraftimpulse kann man immer wieder einbauen, indem man an der Ampel bei Grün ein bisschen schneller losfährt als gewöhnlich. Fünf bis acht kraftvolle Pedalumdrehungen, danach ruhig weiterfahren. Momentan sind die Straßen frei, und auf den inzwischen zahlreichen Schutzstreifen für Radfahrer darf sich jeder sicher fühlen. Aber natürlich sollte man andere Verkehrsteilnehmer stets im Auge behalten, Rücksicht und Vorsicht walten lassen.

Trainingsstrecken

Ein Klassiker beginnt an den Deichtorhallen, führt von dort am Wasser hinterm Großmarkt entlang, dann unter den Elbbrücken hindurch bis zum Sperrwerk Billwerder Bucht in Rothenburgs­ort. Von dort über Kaltehofe bis zur Dove Elbe, dann in den Ruschorter Hauptdeich. Hier verläuft die Straße immer hinterm Deich lang schnurstracks bis zum Zollenspieker Fährhaus, dem südlichsten Punkt Hamburgs. Zurück kann man durchs Landesinnere radeln. Vorsicht mit dem Wind! Bläst der auf dem Hinweg von hinten, kommt er zurück von vorn.

Abstand halten

Immer schön Coronadistanz, also zwei Meter, zum Vorder- oder Hintermann wahren und in diesen Tagen maximal zu zweit fahren. Normalerweise sieht man auf der beschriebenen Strecke unzählige Kleingruppen, die dürften sich in der Nach-Coronazeit wieder bilden. Man findet dann schnell einen Pulk, dessen Tempo passt, dem man sich – im Windschatten – anschließen kann.

Hamburger Berge

Wer sich mal bergauf ausprobieren möchte, fährt zum Beispiel die Elbchaussee Richtung Blankenese und tummelt sich am Kösterberg. Der hat es ganz schön in sich, versprochen! Wer richtig hart drauf ist, gibt sich die volle Dröhnung auf der Minirunde Kösterberg­straße (stadtauswärts), links den Falkensteiner Weg runter (Vorsicht, steil!), unten links dann an der Elbe entlang, wieder links, Richtung Kösterberg. Den fahren auch die Profis bei den Cyclassics hinauf – 16 Prozent Steigung, das geht richtig in die Beine. Oben wieder links halten, wieder Richtung Kösterbergstraße. Wer die Runde 13-mal fährt, hat 1000 Höhenmeter voll. Und am nächsten Tag Muskelkater. Das ist kein Grundlagentraining bei Puls 120, sondern hartes Intervalltraining für Fortgeschrittene.

Informationen zum Coronavirus:

Radsport im Verein

Wer in diesen Tagen Spaß am Radfahren findet: Es gibt mehr als 20 Radvereine in Hamburg, mit Ablegern in fast allen Stadtteilen, mit regelmäßigen Übungsangeboten, sobald das Gruppentraining wieder erlaubt ist. Infos: www.radsport-hh.de

Radrennbahn Stellingen

Auf der Radrennbahn an der Hagenbeckstraße kann jeder ohne Angst vor Autos und ohne Gefahr, bei Regen nass zu werden, trainieren – sobald die Sperrungen aufgehoben sind. Leihräder zum Reinschnuppern gibt es beim Verband.

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Quarantäne

Für den, der zu Hause bleiben muss, kann das Fahren auf dem Rollentrainer inzwischen richtig kurzweilig sein; weil man jetzt mit Programmen wie „Zwift“ in virtuellen Welten mit anderen echten Menschen auf der ganzen Welt gemeinsam radeln kann. Viel Spaß dabei!