Hamburg. Im dritten Teil unserer Serie geht es um die gesundheitsfördernden Effekte des Joggens – und warum es sogar die Stimmung aufhellt.

„Du glaubst, du könntest ewig weiterlaufen. Es fühlt sich an, als würdest du schweben. Ein außergewöhnliches Glücksgefühl, mit nichts vorher Erlebtem vergleichbar, nicht plan- und deshalb auch nicht willentlich reproduzierbar, aber so ein starkes emotionales Erlebnis, dass man es immer wieder spüren möchte!“ So beschreibt Philipp Pflieger, einer der besten deutschen Marathonläufer, in seinem 2019 erschienenen Buch „Laufen am Limit“ sein erstes Runner’s High – jenes Hochgefühl während des Sporttreibens, das Langstreckenläufer als Zustand vollkommener Glückseligkeit erleben.

Es wäre falsch, liebe Leserinnen und Leser, Sie mit der Aussicht auf derlei emotionale Höhenflüge vom Einstieg ins Joggen überzeugen zu wollen. Das Runner’s High, das durch die Ausschüttung körpereigener Cannabinoide erreicht wird, tritt erst ab einer Belastungsintensität von 80 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme auf; Dauerlauftempo reicht dafür nicht. Dennoch hat das gemächliche Traben, das wir als Jogging bezeichnen, einen Effekt, der gerade in düsteren Zeiten einer grassierenden Gesundheits- und aufziehenden Wirtschaftskrise nicht zu unterschätzen ist. „Joggen bewirkt die Aktivierung schützender Stresshormone wie DHEA. Durch die verstärkte Anregung der Serotoninausschüttung wird zusätzlich die Stimmung aufgehellt und die Stresstoleranz erhöht“, sagt Michael Ehnert.

Joggen fördert Durchblutung und die Belüftung der Lunge

Der 57-Jährige leitet das Institut für Sportmedizin und Prävention an der Asklepios-Klinik St. Georg und kann deshalb aus fachmännischer Sicht die weiteren Vorzüge des Joggens erklären. „Es verbessert die Anpassungs- und Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems, fördert die Durchblutung der Muskulatur und die Belüftung der Lunge. Durch die Aktivierung von Zellen der weißen Blutreihe wird zudem das Immunsystem gestärkt“, sagt er. Dazu kommt, dass das Laufen an frischer Luft kein kostenintensiver Sport ist.

Im Gegenteil: Wer nie oder lange nicht Sport getrieben hat, braucht nicht mehr als ein Paar Turnschuhe, Jogginghose und Oberteil, um loszulegen. Eine Altersbeschränkung gibt es nicht; jeder, der laufen kann, kann grundsätzlich joggen, und zwar überall. Ein paar Einschränkungen gelte es dennoch zu beachten, um der Gesundheit nicht zu schaden, sagt Ehnert: „Für Menschen mit starkem Übergewicht, Hüft-, Knie- oder Sprunggelenksschäden, stark erhöhtem Blutdruck oder Herzrhythmusstörungen dürften Walking, Schwimmen oder Radfahren die bessere Wahl sein.“

Zum Start des Lauftrainings das richtige Maß an Belastung wählen

Philipp Pflieger begleitete als Kind seinen Vater auf Läufen durch die Wälder ihrer schwäbischen Heimat. Für den 32-Jährigen, der seit dieser Saison für das Laufteam Haspa Marathon Hamburg startet, war das der Einstieg in den Leistungssport. Ein Anfängerfehler, sagt er, sei, dass viele, die mit dem Joggen beginnen, ebenfalls glaubten, sofort viel leisten zu müssen. „Aber wer zu schnell zu viel will, der überlastet damit nicht nur seinen Körper, sondern verliert auch die Lust, weil sich erhoffte Erfolge nicht einstellen.“ Sein Rat, um zum Start des Lauftrainings das richtige Maß an Belastung zu wählen: „Man sollte nur so schnell laufen, dass man sich dabei entspannt unterhalten könnte. Und es ist keine Schande, wenn man zunächst nicht 30 Minuten durchlaufen kann. Lieber fünf Minuten joggen und fünf Minuten gehen und diesen Ablauf mehrmals wiederholen, als nach 15 Minuten Joggen völlig fertig aufzugeben.“

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Ehnert kann diese Herangehensweise nur unterstreichen. „Es muss raus aus den Köpfen, dass man beim Sport kaputt sein und sich komplett auspowern muss. Es geht um gesundheitsförderliche Bewegung. Als sehr grober Anhalt sollte der Belastungspuls zu Beginn 120 Schläge pro Minute nicht überschreiten. Der Körper signalisiert, wenn er zur Steigerung der Belastung bereit ist. Ein durch Sportmediziner bestimmter, individueller Puls wäre allerdings optimal“, sagt er.

Stabilisierende Kraftübungen

Ehnert als Verfechter von Regeneration und Prävention empfiehlt Anfängern, nicht mehr als dreimal pro Woche und nicht länger als eine Stunde am Stück zu joggen, stattdessen lieber an zwei zusätzlichen Tagen stabilisierende Kraftübungen zu absolvieren und an zwei Tagen zu ruhen, damit die Trainingseffekte eintreten können. Ein lockeres Aufwärmprogramm mit leichtem Stretching sei anfangs ebenfalls wichtig, Anfänger und Fortgeschrittene sollten zusätzlich stets intensiv nachdehnen.

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Die Frage, ob man auf hartem Untergrund wie einer Straße oder auf weichem Waldboden mit dem Joggen beginnen sollte, beantwortet er zweigeteilt. „Die Risikobereiche beim Joggen sind Knie- und Sprunggelenke, die bei jedem Schritt ein Vielfaches des Körpergewichts abfedern. Da bei Anfängern die Beinmuskeln nicht ausreichend trainiert sind, die Stabilität noch fehlt und die koordinativen Fähigkeiten unausgereift sind, kann der unruhige Waldboden ein zusätzliches Verletzungsrisiko darstellen. Aber für die Förderung der Eigenwahrnehmung der körperlichen Bewegungsmuster empfehle ich eher weichen Untergrund.“

Weiteres Problem von Neu-Joggern

Auch für ein weiteres Problem, das Neu-Jogger oft quält, hat der Mediziner eine Lösung: Seitenstiche. „Sie reflektieren einen Zustand der Übersäuerung der bei ungewohnter Belastung weniger mit Sauerstoff versorgten Zwerchfellmuskulatur, den man, wie im Übrigen jeden anderen plötzlich auftretenden Schmerz, ernst nehmen muss. Um Seitenstechen zu verhindern, braucht es moderates Tempo und tiefe, ruhige Atemzüge, die letztlich auch der Lunge ermöglichen, sich bestmöglich zu dehnen und zu reinigen“, sagt er. Wer dennoch Seitenstechen verspürt, der solle in den Gehmodus schalten, den Oberkörper dehnen und eine ruhige, tiefe Atmung einleiten.

Viele, die die ersten Wochen hinter sich gebracht haben, machen die Erfahrung, dass sie die Belastung erhöhen möchten. Michael Ehnert rät dann dringend dazu, sich in einem Fachgeschäft einer Laufstilanalyse zu unterziehen, um den passenden Laufschuh erwerben zu können. Auch eine sportmedizinische Untersuchung regt er an, um Risikofaktoren und Optimierungspotenziale frühzeitig zu erkennen. Beachten solle jeder Laufende, dass nicht die Erhöhung der Geschwindigkeit die besten Grundlageneffekte erzielt, sondern die Erhöhung der Dauer des Trainings. „Wer längere Distanzen in längerer Zeit schafft, kurbelt zudem die Fettverbrennung an, die erst nach circa 45 Minuten einsetzt. Und für die Herzgesundheit ist eine moderate Steigerung unerlässlich“, sagt er.

Ultimative Herausforderung

Philipp Pflieger hat sich für die ultimative Herausforderung entschieden, den Marathon. Aber auch er genießt es bis heute, im gemächlichen Trabtempo seine Runden durch die Natur zu ziehen. „Egal, wie das Wetter ist oder die Laune: Ich kenne niemanden, dem es nach einer Joggingrunde schlechter geht als davor. Der größte Anfängerfehler wäre deshalb der, gar nicht erst anzufangen“, sagt er. Und deshalb, liebe Leserinnen und Leser, machen Sie sich auf den Weg, Ihr persönliches Läuferhoch zu erleben.

Liebe Leserinnen und Leser, schicken Sie uns Ihre Sportmomente in Coronazeiten: Fotos, Anekdoten, Übungen, Anregungen, per Mail an sport@abendblatt.de. Danke! Lesen Sie morgen ein Interview mit Sportsenator Andy Grote.