Pinneberg/Hamburg. Die Hamburger Springreiterin und Pferd Minimax müssen sich in der Qualifikation noch beweisen. Der Bundestrainer macht ihr Hoffnung.

Es gibt eine hübsche Anekdote, die viel über das Selbstbewusstsein erzählt, das Janne Friederike Meyer-Zimmermann auszeichnet. Als Hamburgs beste Springreiterin im Januar 2017 den Pferdekaufmann Christoph Zimmermann heiratete, berieten die beiden über die Reiseroute für ihre Flitterwochen, die sie rund um die Welt führen sollten. Ihr Mann schlug Japan als Ziel vor, kam damit aber nicht weit. „Ich habe ihm gesagt, dass ich Tokio doch 2020 zu den Olympischen Spielen erleben werde. Also haben wir Japan von der Liste gestrichen“, sagt die 39-Jährige.

Janne Meyer sitzt an dem verregneten Vormittag, an dem sie das Abendblatt zum Gespräch empfängt, in der Lounge des Hofs Waterkant im Pinneberger Ortsteil Waldenau, den sie seit dreieinhalb Jahren mit ihrem Mann betreibt. Es ist ein stressiger Morgen. In wenigen Tagen beginnt das Trainingslager im spanischen Oliva Nova, und der Lkw, mit dem fünf ihrer 14 Turnierpferde dort hingebracht werden sollen, ist kaputt. Eine Besprechung mit einem Elektriker, der eine Solebox mit Licht- und Musiktherapie für ihre Tiere einrichten soll, steht an. Und trotzdem nimmt sich die Hausherrin Zeit, um ausführlich zu plaudern über das, was in den kommenden Monaten in sportlicher Hinsicht auf sie wartet.

Auf dem Weg nach Olympia mit neuer Betriebsleiterin

Die Tokio-Anekdote erzählt sie mit dem für sie typischen Augenzwinkern, das ihren Charme unterstreicht. Natürlich weiß Janne Meyer, dass der Weg zu den Olympischen Spielen, die vom 24. Juli bis 9. August in Japans Hauptstadt stattfinden, noch viele Hindernisse bereithält. Aber nachdem Bundestrainer Otto Becker sie mit ihrem elfjährigen Schimmel Buettner’s Minimax in den Perspektivkader berufen hat, ist wenigstens die Perspektive gegeben, um sich dem Kampf um die vier Tickets mit vollem Elan zu verschreiben. „Es ist ein Wahnsinnsaufwand, man muss sich sehr früh intensiv um Olympia kümmern, ohne zu wissen, wie groß die Chance letztlich ist“, sagt sie.

Die Weichen dafür hat Janne Meyer gestellt, indem sie Imke Willenbrock (51) in ihr Team geholt hat. Willenbrock war zuletzt im Verband Schleswig-Holstein für die Leistungssportentwicklung verantwortlich. Als Betriebsleiterin nimmt sie Janne Meyer all die administrativen Aufgaben ab, die das fünf Hektar große Gelände mit seinen 42 komplett belegten Boxen einfordert.

„Ich bin körperlich zwar in bester Verfassung, weil ich wegen früherer Rückenprobleme sehr viel präventiv an meiner Fitness und Athletik arbeite. Aber ich brauche den Kopf komplett frei für den Sport, wenn ich es nach Tokio schaffen will“, sagt sie.

Diese Kandidaten haben noch Nasen und Nüstern vorne

Die größte Herausforderung liegt darin, mit Minimax zu einer Einheit zu verschmelzen, die in der Lage ist, zwei der Kandidaten zu verdrängen, die derzeit Beckers Olympiakader bilden. Christian Ahlmann (45/Marl) mit Clintrexo Z, Simone Blum (30/Freising) mit Alice, Daniel Deußer (38/Wiesbaden) mit Tobago Z, Marcus Ehning (45/Borken) mit Comme il faut und Maurice Tebbel (25/Emsbüren) mit Don Diarado – das sind aktuell diejenigen, die Nasen und Nüstern vorn haben. „Das ist auch vollkommen okay so, sie waren im vergangenen Jahr einfach die Besten“, gesteht Janne Meyer offen ein.

Dass sie nicht dort steht, wo sie stehen könnte, lag auch daran, dass Minimax sich bei der EM-Sichtung in Geesteren (Niederlande) im Juni vergangenen Jahres vertrat und deshalb mehrere Monate pausieren musste. Doch weil erstens der Bundestrainer langfristig auf seine Paare setzt und zweitens Goja, ihr zweites Pferd mit Olympianiveau, ebenfalls mit einer Rückenblessur lange ausgefallen war, ist die Planung für die kommenden Monate voll darauf ausgerichtet, Minimax zum Saisonhöhepunkt in Topform präsentieren zu können.

Ihr Spitzenpferd Minimax hasst aufgespannte Schirme

Grundsätzlich liebt Janne Meyer derartige Herausforderungen. „Ich glaube, dass es vielleicht meine größte Stärke ist, mich auf meine Pferde einzustellen“, sagt sie. Ihr Credo ist, dass nicht die Pferde ihrem Reiter folgen sollen, sondern der Reiter die Eigenarten seiner Tiere herausfinden und sich auf sie einstellen muss. Ihren Minimax kennt sie seit sechs Jahren, deshalb sei die Gewöhnung schon weit gediehen. Zum Beispiel weiß sie, dass der sprung- und galoppstarke Schimmel aufgespannte Regenschirme im Publikum hasst. „Die bringen ihn als Pferd, das alles sieht und auf alles reagiert, richtig aus der Ruhe.“

Doch obwohl es im schwülheißen Tokio durchaus stark regnen könnte, sind Schirme wohl eher das kleinste Problem. Vielmehr belastet Janne Meyer die Tatsache, dass Minimax und ihr nur eine kurze Zeitspanne von wenigen Monaten bleibt, um ohne jegliche Vorleistung aus der vergangenen Saison den Bundestrainer zu überzeugen. „Aufgrund seiner Verletzung müssen wir Mini ganz behutsam aufbauen. Deshalb ist er auch nicht mit im Trainingslager, sondern wird erst im März im zweiten Camp in Oliva erste kleine Turniere gehen. Den Januar und Februar nutzen wir zum Aufbautraining, im März und April steigern wir die Belastung, und im Mai und Juni müssen wir dann alles abrufen. Das ist schon ein hoher Leistungsdruck“, sagt sie.

Die wichtigsten Olympiasichtungen werden das Springderby in Hamburg (20. bis 24. Mai) und das CHIO in Aachen (29. Mai bis 7. Juni) sein. Ende Juni muss Becker sein Tokio-Team benennen. Er sagt: „Der Olympiakader ist keine geschlossene Gesellschaft. Wenn Janne es schafft, sich mit Minimax in Topform zu präsentieren, dann hat sie gute Chancen, es zu Olympia zu schaffen.“ Es wären nach London 2012 die zweiten Sommerspiele für die Hobby-Pilotin, die keinesfalls vorhat, nur als Touristin nach Japan zu fliegen. Das hätte sie schließlich schon vor drei Jahren haben können.