Hamburg. Zweimal gewann Achaz von Buchwaldt das Springderby. Lokalmatadorin Janne Friederike Meyer-Zimmermann will am Sonntag siegen.

Sehen so Derbysieger aus? An Stolz und Klasse mangelt es dieser Stute jedenfalls nicht. Cellagon Anna ist ein Bild von einem Pferd. Lebenslustig tollt die zehnjährige Braune mit der weißen Blesse auf der Koppel, wiehert fröhlich, lässt sich dann aber doch friedfertig am Halfter führen. Ihre Besitzerin Janne Friederike Meyer-Zimmermann (36) hat ein erstklassiges Händchen für selbstbewusste Pferdedamen. Vielleicht glückt beiden im 88. Deutschen Springderby an diesem Sonntag der ganz große Coup.

„Es ist ein eingespieltes Duo“, sagt Achaz von Buchwaldt anerkennend. „Nach dem vierten Platz im Vorjahr erwarte ich es wieder ganz weit vorne.“ Der zweifache Derbysieger, eine Reiterlegende par excellence, weiß, wovon er spricht. Gut und gerne 50-mal war der heute 72-Jährige beim Wettstreit um das Blaue Band auf dem weltberühmten Parcours im Westen der Hansestadt dabei – davon etwa die Hälfte aktiv im Sattel. Aus eigener Erfahrung kennt er jedes Hindernis. Und er weiß um die Tücken problematischer Hürden wie Pulvermanns Grab, dem Holsteiner Wegesprung oder dem Großen Wall.

Vor dem Derby haben sie sich zu einem Fachgespräch zwischen den Generationen in Meyer-Zimmermanns Reitanlage im Pinneberger Ortsteil Waldenau getroffen. Gemeinsam mit ihrem seit Januar dieses Jahres angetrauten Ehemann Christoph Zimmermann, einem erfolgreichen Pferdehändler und Unternehmer, erwarb sie vor einem Jahr das traumhaft gelegene Areal. Auf vier Hektar sind Stallungen mit 35 Boxen untergebracht – für Tier und Mensch paradiesische Zustände.

Kennengelernt haben sich die beiden Springreiter vor mehr als 20 Jahren bei einem Reitturnier in Harburg. „Mir fiel ein großer, unheimlich heißer Brauner mit einer jungen, couragierten Reiterin auf“, erinnert sich Achaz von Buchwaldt. Am Tag darauf griff er zum Telefon und informierte Bundestrainer Herbert Meyer über seinen Eindruck.

Meyer-Zimmermann hört erstmals von dieser Begebenheit. 15 Jahre alt war sie damals, und das Pferd hieß L’Esprit. Seitdem verlief ihre Karriere im Sauseschritt. Viermal war sie deutsche Meisterin, außerdem mit der Mannschaft Europa- und Weltmeisterin, 2011 Siegerin beim Grand Prix in Aachen. Sie nahm an den Olympischen Sommerspielen 2012 in London teil, belegte im Vorjahr Rang eins beim Nationenpreisfinale in Barcelona. Aktuell ist sie Mitglied des deutschen A-Kaders und belegt in der Weltrangliste den 49. Platz. In der Global Champions Tour an diesem Sonnabend will die Lokalmatadorin mit ihrem Fuchswallach Goja angreifen.

Von Buchwaldt kennt sie seit ihrer Kindheit – aber nur einseitig. „Früher habe ich seine Ritte im Fernsehen verfolgt“, sagt sie. „Später habe ich ihm auf den Turnierplätzen zugeguckt und seinen Stil bewundert.“ Anfangs habe sie nicht gewagt ihn anzusprechen. „Achaz war anders als andere Reiter“, meint sie rückblickend. Er sei professionell, aber nicht verbissen gewesen. Unvergessen ist ihr eine Shownummer in Kiel, als von Buchwaldt ohne Sattel und Trense über die Sprünge ging: „Wer das wagt und kann, verfügt über enormes Gefühl und richtig Mumm.“ Auch 1982 und 1996 begeisterte der Reiter aus Blankenese das Flottbeker Publikum im Deutschen Derby mit Husarenritten – mit langer Leine, bedächtig gestrafften Zügeln, einfach filigran. 1982 hatte kaum einer mit Achaz von Buchwaldt und der Hannoveraner Stute Wendy gerechnet. Erstmals in der Geschichte des Traditionswettstreits wurde ein Reiter aus der gastgebenden Hansestadt vor der Haupttribüne als Triumphator geehrt.

14 Jahre später folgte mit Lausbub der zweite Streich. Der 18 Jahre alte Kämpfer wurde mit Lorbeer, Möhren und einer Extraportion Hafer in den Ruhestand verabschiedet. Anschließend genoss er seinen Ruhestand zwölf Jahre auf einer Weide am Falkenstein in den Elbvororten. Buchwaldts Credo, damals wie heute: „Man muss Achtung vor der Kreatur haben. Ein Pferd ist kein Sportgerät.“ Bei dieser Feststellung nickt sein Gegenüber zustimmend. „Nur wenn man seine Pferde liebt und respektiert, kann man sie zu Höchstleistungen bewegen“, sagt Janne Meyer-Zimmermann. Sie saß schon auf einem Pferderücken, bevor sie laufen konnte. Als sie fünf Jahre alt war, schenkte ihr der Vater das Pony Mücke. Fortan ging es aufwärts – Sprung um Sprung.

Nur beim Derby wird zwischen den Sprüngen applaudiert

Bei Achaz von Buchwaldt verlief die Entwicklung ähnlich. In Grömitz geboren, wuchs er von Anfang an mit Pferden auf. In Muggesfeld bei Bad Segeberg war sein Vater als Gutsverwalter aktiv. „Als kleines Kind setzten mich meine Eltern auf ein Pony. Schon ging’s los“, erinnert er sich. Diese Begeisterung halte lebenslang. Selbstverständlich, dass er nach wie vor in den Sattel steigt. „Ein Dasein ohne Pferde kann ich mir nicht vorstellen“, ergänzt sie. Beide sprechen von einem „Virus, der fasziniert“. Pferde in ihrer Entwicklung zu begleiten, sei außerordentlich erfüllend.

Das Derby nimmt sie gefangen. So und so. „Anderswo gibt es vielleicht viel mehr Geld zu gewinnen“, befindet einer wie die andere, „doch sind Tradition und Renommee unbezahlbar.“ Meyer-Zimmermann stellt fest: „Das Publikum in Klein Flottbek ist einmalig, das beste der Welt. Nirgendwo sonst fiebert und geht es derart mit.“

Und Achaz von Buchwaldt sagt: „Hier passiert eine Menge, hier ereignen sich Dramen und Triumphe.“ Das Derby sei eben keine Abfolge schwieriger Hürden, sondern ein mit vielen einzelnen Höhepunkten gespickter Parcours. Spontanen Applaus zwischen den Sprüngen gebe es ausschließlich in Hamburg. Die ausreichende Zeit zwischen den Hindernissen sei nur ein Grund dafür. „Die Zuschauer halten dem Derby die Treue“, fügt er hinzu. Das beweisen die Quoten im Fernsehen.

Im Gastraum neben der großen Reithalle in Pinneberg-Waldenau wird Kaffee nachgeschenkt. „Wenn ich mir als Zuschauerin ein Turnier auf der ganzen Welt aussuchen dürfte“, meint Janne Friederike Meyer-Zimmermann, „würde ich Klein Flottbek wählen.“

Erneut besteht Einigkeit: Im Vergleich zum großen Ganzen fällt Kritik nicht so stark ins Gewicht. Sie beklagt den kleinen Abreiteplatz zum Vorbereiten und zu wenig Platz für Pferdetransporter. Die Ablehnung Olympischer Spiele stimme sie nach wie vor „sehr, sehr traurig“. Er stellt fest, dass viele Weltstars zwar nach Hamburg kommen, dort jedoch an der hochdotierten Global Champions Tour teilnehmen und mangels passender Pferde und Vorbereitung auf das Derby verzichten. Zudem liefen Springreiten und Dressur allzu sehr getrennt. Nicht nur in Flottbek.

Zum Schluss noch die Frage nach einem kleinen Ritual, im Reiterlager in der Regel präsent gepflegt. Richtig abergläubisch, sagen beide, seien sie nicht. Janne Friederike Meyer-Zimmermann gibt jedoch augenzwinkernd zu, durchaus Glücksbringern zu huldigen. Und zwar so lange, wie damit Erfolg verbunden ist. Danach müsse ein anderer Talisman die Glücksarbeit erledigen.

Achaz von Buchwaldt, seit 47 Jahren mit der aus Rio de Janeiro stammenden Elisabeth verheiratet, freute sich zu aktiven Zeiten über eine „Figa“. Diese winzige Faust aus Gold oder Silber wird nach südamerikanischem Brauch am Zaumzeug befestigt. Das bringt Glück, wenn man große Sprünge schaffen will.

Zum Abschied wird auf der Koppel draußen ein gemeinsames Foto gemacht. Mit wem? Natürlich mit Cellagon Anna, dem Derbypferd. Als die Stute nicht Richtung Kamera blickt, greift Assistentin Valena Werner zu einem Trick. Der wirkt fast immer. Auf ihrem Smartphone ist eine App mit Pferdewiehern installiert. Und siehe da: Cellagon Anna spitzt die Ohren und guckt wunschgemäß geradeaus.

Angesichts dieses Tricks aus der digitalen Welt reagiert sogar ein offizieller Reitmeister, der als bisher einziger Deutscher dem Bundeskader 25 Jahre in Folge angehörte, verblüfft. „Man lernt tatsächlich nie aus“, sagt Achaz von Buchwaldt. Auch nicht mit 72.

Das Derby live im ZDF

Programm: Sonnabend: Erste Springprüfung 7.05 Uhr. Höhepunkte: Global Champions League 12.40 Uhr, Global Champions Tour 16 Uhr. 17.40 Uhr Verabschiedung des Holsteiner Hengstes Casall. 18 Uhr Speedderby. Sonntag: Erste Prüfung 7.10 Uhr. Dressurderby 11 Uhr. Springderby 14.20 Uhr.

Eintrittspreise: Die Haupttribüne ist bis auf Einzelplätze ausverkauft. Stehplatz Erwachsene Sonnabend 27 Euro, Sonntag 28 Euro. Schüler, Studenten, Rentner 15 und 23 Euro.

Fernsehen: Sonnabend 15.30 bis 17.30 Uhr NDR Sportclub live, Global Champions Tour. Sonntag 15.55 Uhr bis 17 Uhr ZDF live, Deutsches Springderby.