Hamburg. Bundesliga-Rollstuhlbasketballer verzichten aus Geldnot auf teure Stars, kämpfen künftig um den Klassenerhalt.

Vor einigen Wochen rief Alireza Ahmadi, den alle beim HSV nur „Ali“ nennen, bei Holger Glinicki (66) an. Ob er das machen solle, Spielertrainer, fragte er den ausgeschiedenen Erfolgscoach der BG Baskets. Denn eigentlich wollte der 41-Jährige seine Trainerkarriere zunächst mit Jugendlichen beginnen und gleichzeitig als Spieler in der Bundesligamannschaft für die Rollstuhlbasketballer aktiv sein. Jetzt aber wagt er doch den großen Sprung und coacht das Bundesligateam des Clubs. „Es ist mir eine große Ehre, Teil dieser Familie zu sein – als Trainer wie auch als Spieler“, sagt der Iraner.

Dass er die schwierige Aufgabe nun wagt, liegt auch an der Zusammenarbeit mit Peter Richarz. Der HSV hat da aus der Not eine Tugend gemacht und dem populären Trainer-Novizen Ahmadi einen Mentor an die Seite gestellt, der im Rollstuhlbasketball schon so ziemlich alles erlebt hat. Richarz war jahrelang im Deutschen Rollstuhl-Sportverband als verantwortlicher Trainerausbilder tätig. Er war vor Glinicki Bundestrainer der Frauen-Nationalmannschaft, arbeitet derzeit als Diplom-Sportlehrer beim HSV-Partner BG Klinikum und ist seit 2007 Junioren-Bundestrainer. „Ich unterstütze Ali und das Team bei Ausbildung und Entwicklung sehr gerne“, teilt Richarz mit.

Notwendiger Umbruch

Mit seiner Neuausrichtung zementiert der HSV den auch durch finanzielle Zwänge notwendig gewordenen Umbruch. Das Konzept, teure Spitzenspieler zu verpflichten, ist mangelns potenter Sponsoren gestorben. Ein Grund, warum Glinicki seinen Trainerjob aufgegeben hat, er wollte um Platz eins bis vier spielen. Das scheint nun unmöglich, Klassenerhalt muss das oberste Ziel der Mannschaft sein. Ausbildung und Entwicklung von jungen Spielern sind notwendig und gewünscht. Die Durchlässigkeit aus dem Nachwuchsbereich soll größer werden. „Als U-22-Nationaltrainer freue ich mich über den Umbruch, der jungen Spielern große Chancen bietet“, erklärt Richarz.

„Die neue Saison wird sehr intensiv, daher müssen wir mehr trainieren“, ahnt Coach Ahmadi, „aber ich bin sicher, dass wir es als Team zusammen schaffen können.“ Nur, dass das Team noch gar nicht vollständig ist. Zahlreichen Abgängen stehen bislang keine Neuzugänge gegenüber. Nationalspielerin Anne Patzwald hat um ein Jahr verlängert, ebenso der Pole Marcin Balcerowski. Mit Mareike Miller laufen Gespräche. Eine Mannschaft aber ist das noch nicht. Insbesondere fehlen noch große Centerspieler mit geringer Behinderung, die normalerweise den Großteil der Punkte erzielen. Teamkoordinator David Schulze hat da bis Saisonbeginn am 29. September noch eine Mammutaufgabe vor sich. Er hat einige ausländische Profis auch schon fest an der Angel, nur muss der Papierkram noch erledigt werden.

Empathie und Begeisterungsfähigkeit

Der neue Trainer Ahmadi kann mit seiner Empathie und Begeisterungsfähigkeit beim Aufbau dieses neuen Teams Gold wert sein. Wer ihn als Coach bei Schulprojekten des HSV erlebt hat, weiß welch ein Trainertalent in ihm steckt. Immer positiv, immer aufbauend, sein Glas ist immer halb voll. 2017 kam der dreimalige Paralympics-Teilnehmer zu den BG Baskets, 2018 war er bereits Kapitän und leistete wertvolle Inte­grationsarbeit. Ahmadi und seine Frau haben in Hamburg eine neue Heimat gefunden, die ihm nun eine weitere berufliche Chance ermöglicht. Seinen C-Trainerschein hat er in diesem Frühjahr gemacht – auf Deutsch. „Wir sehen in Ali einen Trainer, der großes Interesse an der Entwicklung von jungen Spielern hat, sehr wissbegierig und zielstrebig ist“, begründet HSV-Amateursportleiter Kumar Tschana seine Entscheidung.

So beginnt bei den BG Baskets im HSV ein völlig neuer Abschnitt. „Nach 26 Jahren als Spieler ist das für mich ein neues Kapitel in meiner Sportlerlaufbahn“, sagt Alireza Ahmadi. Gut für den HSV, dass er sich entschlossen hat, diese Aufgabe zu wagen.