Hamburg. Turnierdirektorin zieht trotz hohen Defizits eine positive Bilanz ihrer Premiere. Tennis-Bund lobt die Kooperation überschwänglich.

Mehrere Minuten brauchte Sandra Reichel am Sonntagmorgen, um ihre erste Woche als Turnierdirektorin am Rothenbaum zu bilanzieren, ehe Fragen der Medien zugelassen wurden. Und wer der 48-Jährigen zuhörte, der konnte den Druck ermessen, der vor dem Start der Hamburg European Open auf ihr gelastet hatte. „Wir wussten gar nicht, was auf uns zukommen würde. Jetzt kann ich sagen, dass ich überwältigt bin von all den Eindrücken“, sagte die Österreicherin, die gemeinsam mit ihrem Vater Peter-Michael Reichel (66) die Organisation des Turniers übernommen hat.

Besonders der Zuspruch der Zuschauer – an den neun Turniertagen kamen rund 60.000 zahlende Besucher, damit nur geringfügig weniger als in den vergangenen Jahren bei zum Teil freiem Eintritt – habe sie beeindruckt. Aber auch die Kooperation mit dem Deutschen Tennis-Bund (DTB) als Inhaber der Turnierlizenz habe reibungslos funktioniert. „Wir wollen dieses Turnier gemeinsam weiterentwickeln“, sagte sie.

Tennisbund ist zufrieden mit Turnierleitung

Der DTB weiß die neue Partnerschaft sehr zu schätzen. „Wir fühlen uns von der Familie Reichel bestens mitgenommen, finden uns in dem Turnier deutlich wieder“, sagte Präsident Ulrich Klaus. Der 69-Jährige vermied erneut namentliche Kritik an Reichel-Vorgänger Michael Stich, der seit Jahren mit dem Verband über Kreuz liegt, sagte aber: „Die Turnierlizenz ist sehr viel Geld wert. Wir wollen als Lizenzinhaber an unserem Verbandssitz wahrgenommen werden, und das ist jetzt wieder der Fall.“ Besonders wichtig ist dem DTB, dass er bei der Vergabe der Wildcards wieder ein deutliches Mitspracherecht hat. Außerdem habe man im Center-Court-Restaurant im dritten Stock des DTB-Bürogebäudes einen eigenen VIP-Bereich einrichten dürfen, den Stich als Spielerrestaurant und für eigene Gäste genutzt hatte. „Dadurch konnten wir jeden Tag Vertreter der Landesverbände, Partner oder Sponsoren einladen, die sich auch ganz anders wertgeschätzt fühlen“, sagte Klaus.

Die Neugestaltung der Anlage, insbesondere auch der Innenbereiche, habe ihm schon in diesem Jahr sehr gut gefallen. „Die Komplettrenovierung steht ja für 2020 noch an. Aber der gesamte Auftritt und das Erscheinungsbild waren sehr gelungen“, sagte der DTB-Chef, der die gesamte Turnierwoche vor Ort verbrachte. „Ich kenne die Reichels schon lange, habe viele Events besucht, die sie organisieren. Die können das, aber was sie hier geschaffen haben, das hat mich überwältigt. Und sie haben schon viele Dinge bemerkt, die sie im nächsten Jahr noch besser machen wollen.“

Damenlizenz für Hamburg

Eine Änderung, die den neuen Machern vorschwebt, ist der Erwerb oder die Übertragung einer Damenlizenz für Hamburg. Auch wenn aktuell darüber diskutiert wird, in der Rasensaison vor Wimbledon zwei neue Damen-Events in Bad Homburg und Berlin zu installieren, hätte Hamburg Priorität. „Terminlich würden wir uns damit ja nicht in die Quere kommen“, sagte Klaus.

Tatsächlich sei die optimale Terminierung ein permanentes Thema. „Beim bestehenden Termin ein Damenturnier vor- oder nachzulagern, das ist praktisch nicht umsetzbar. Und ein kombiniertes Turnier genehmigt zu bekommen, ist sehr schwierig. Deshalb konzentrieren wir uns zunächst auf das Herrenturnier, das wir haben“, sagte Klaus.

Gespräche mit potenziellen Sponsoren

Das ist im Sinne der neuen Turnierdirektion. „Es sind viele Varianten im Gespräch. Aber wir sollten nicht zu viel über Änderungen diskutieren, wo wir in diesem Jahr gesehen haben, wie toll das Turnier im bestehenden Rahmen funktioniert“, sagte Sandra Reichel, die betonte, sich finanziell nicht übernommen zu haben, auch wenn in diesem Jahr ein hohes sechsstelliges Defizit zu verbuchen sein wird.

„Wir wussten, dass wir im ersten Jahr investieren müssen. Aber wir hatten so viele gute Gespräche mit potenziellen Sponsoren, von denen einige mündlich schon ihre Unterstützung für das nächste Jahr zugesagt haben, sodass ich überzeugt davon bin, dass das Finanzielle in den kommenden Jahren kein Thema mehr sein wird“, sagte sie.