Hamburg. Jetzt kicken sie in der Landesliga. Der Abstieg des SC Condor ist das Paradebeispiel einer verloren gegangenen Identität.

Die Finanzen spielten keine Rolle. „Die Kaderzusammenstellung war unglücklich. Am Geld lag der Abstieg nicht“, sagt Heiko Gevert, Vorstandsvorsitzender des SC Condor. Trotz des laut Vereinschefs höchsten Oberligaetats in der Geschichte des 1956 gegründeten Clubs aus Oldenfelde ereilte die „Raubvögel“ der Abstieg. Zum ersten Mal seit dem Aufstieg 1991 treten sie vom Sommer an in der Landesliga an.

Condors Abstieg ist das Paradebeispiel einer verloren gegangenen Identität. „In den vergangenen zwei Jahrzehnten konntest du sofort sieben, acht Spieler und auch Offizielle aufzählen, die durch und durch Condoraner waren. Der Verein legte viel Wert auf ein gewisses Wohlfühlklima. Das zog die Spieler an“, erinnert sich Ex-Trainer Christian Woike. Auf dem Platz standen „keinesfalls nur pflegeleichte“ (Woike) Kämpfer wie Torwart Sascha Kleinschmidt, Abwehrkante Max Anders und Kapitän Alexander Krohn. Raffael Kamalow zauberte im Mittelfeld, vorne traf Portugiese Carlos Flores.

Angebot des HSV abgelehnt

Clubikone Matthias Bub, heute 54, verschmähte als Spieler sogar ein Angebot des HSV mit der Aussicht auf eine Profikarriere, um bei Condor mit seinen Freunden zu kicken. Berner Heerweg – das war Heimat! Verdiente Ex-Spieler wie Bub, Kai Koch oder Marcel Müller wurden in verschiedenen Funktionen an den Verein gebunden. Der 2012 verstorbene Helmut Bielfeldt, der unter anderem als Trainer und Stadionsprecher gewirkt hatte, blieb gar ein Leben lang.

Doch in den vergangenen Jahren wirkte der Club immer gesichtsloser. Nach und nach zerbrach die „Condor-Familie“. Im „Team ums Team“ wurde es dünn, auf dem Feld fehlte den Spielern das Condor-Gen. „Das ist auch ein Problem des Amateurfußballs insgesamt. Identifikation kann man nicht per Dekret verordnen“, erklärt Vereinsboss Gevert. Woike macht dies als Missstand in dieser Saison aus. „Auf dem Platz standen kaum noch Charakterspieler. Echte Typen fehlten“, klagt er.

Hausgemachte Fehler

Dazu kamen hausgemachte Fehler. Das engagierte Trainerteam der beiden Ex-St.-Pauli-Profis Olufemi Smith und Fabian Boll wurde nach dem letzten Spiel des Jahres 2018, einem 6:1-Sieg gegen Concordia, entlassen. Der von Condor verkündete Nachfolger Nico Peters erhielt vom WSV Tangstedt keine Freigabe. Daraufhin soll er versucht haben, den Tangstedter Vereinsvorsitzenden Gerhard Pelzer an dessen Haustür zur Vertragsauflösung zu nötigen. Pelzer weigerte sich, Condor sagte Peters ab, der Skandal war perfekt. „So etwas ist früher nicht passiert, weil damals im Verein Leute etwas zu sagen hatten, die Ahnung hatten“, sagt Ex-Trainer Woike. Gevert verteidigt die Entlassung des Duos Smith/Boll noch heute, der Zeitpunkt sei aber „diskutabel“ gewesen.

Die Rückrunde mit Coach Florian Neumann, immerhin Ex-Condoraner, wurde zum Desaster. Die Mannschaft stieg chancenlos ab. Das Projekt für die neue Saison ist nun schnell ausgemacht: wieder Condor werden. „Der neue Trainer Ralph Kainzberger hat für den Verein gespielt. Er weiß, was es bedeutet, für Condor aufzulaufen. Auch im Team ums Team wollen wir viel tun, damit wir wieder Identifikation schaffen“, verspricht Gevert. Der Etat wurde allerdings folgerichtig gekürzt. Geverts Prognose: „Mit der richtigen Mentalität können wir eine gute Rolle in der nächsten Landesligasaison spielen.“