Hamburg. Vor dem Bundestag gehen tiefe Risse durch den erfolgreichsten olympischen Teamsportverband. Die Probleme sind vielfältig.

Am Sonntagnachmittag war Wolfgang Hillmann ganz in seinem Element. Mit warmen Worten bedankte sich der Präsident des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) bei den Krefelder Organisatoren der deutschen Feld-Endrunde. Er überreichte den siegreichen Mülheimer Herren den Meisterpokal, er lobte „die fantastische Arbeit der Veranstalter“ und "das europäische Spitzenhockey, das unsere Clubs hier wieder geboten haben“. Und wer es nicht besser wusste, der konnte glauben, dass die kleine Welt der deutschen Hockeyfamilie in bester Ordnung sei.

Erbitterter Streit um die Ausrichtung

Heile Welt? Weit gefehlt! An diesem Sonnabend wartet im rheinland-pfälzischen Grünstadt das Kontrastprogramm auf Hillmann. Der 67-Jährige stellt sich auf dem DHB-Bundestag zur Wiederwahl, die allerdings vielmehr eine Zerreißprobe für den erfolgreichsten olympischen Teamsportverband des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) darstellt. Seit Monaten wird hinter den Kulissen erbittert über die Ausrichtung des DHB gestritten.

In anonymen und offenen Briefen sowie Interviews wurde dieser Streit allerdings auch in die Öffentlichkeit ge-tragen. Im Mittelpunkt: Das schlechte Klima zwischen Präsidium, geschäftsführendem Vorstand und den Vereinen, das dazu geführt hat, dass mit dem "Team Aufbruch" unter Führung von Europaverbands-Vizepräsidentin Carola Meyer (69) eine Alternative zu Hillmanns Mannschaft zur Wahl steht.

Hillmann beruft sich auf Basisdemokratie

Wer mit dem Präsidenten, der sich bislang nur im Fachmagazin "Deutsche Hockey-Zeitung" geäußert hatte, über die diversen Probleme spricht, erhält überraschende Antworten. "Die Äußerungen Einzelner malen nicht das Gesamtbild. Ich habe zahlreiche Gespräche auf unterschiedlichen Ebenen aller Gremien geführt, und das, was in der Öffentlichkeit an negativen Dingen verbreitet worden ist, habe ich so nicht erlebt", sagt er.

Den Vorgang, dass sich eine breite Front innerhalb des Verbands gegen seine Führung stellt und mit Marie Gnauert die amtierende Vizepräsidentin Leistungssport sogar ins "Team Aufbruch“ übergelaufen ist, hält Hillmann für basisdemokratisch. "Es ist doch gut, dass es eine Auswahl gibt", sagt er.

Ex-DHB-Präsident "erstaunt und enttäuscht"

DHB-Ehrenpräsident Stephan Abel (Archiv)
DHB-Ehrenpräsident Stephan Abel (Archiv) © Witters

Es sind Aussagen wie diese, die Stephan Abel nur noch mit dem Kopf schütteln lassen. Der frühere DHB-Präsident, der seinen Posten 2015 an Hillmann übergeben hatte, gilt seit Monaten als scharfer Kritiker seines Nachfolgers. Nun sagt er: "Der amtierende Präsident hat mittlerweile eine Wahrnehmung, die mit der Realität nichts mehr zu tun hat. Dass sich aus einem Präsidium heraus zwei Teams entwickeln, die gegeneinander arbeiten, anstatt miteinander die Probleme anzupacken, erstaunt und enttäuscht mich. Verantwortlich dafür ist die miserable Führung durch den Präsidenten.“

Mehrere Themen haben die Basis des DHB in den vergangenen Tagen in Aufruhr versetzt. Da ist zum einen die Gewinnwarnung, die die mit der Vermarktung des neu eingeführten Nationalmannschaftswettbewerbs Pro League beauftragte Agentur Apollo 18 herausgegeben hat. Darin ist von einem „finanziellen Delta von circa 486.000 Euro brutto“ die Rede. Selbst bei optimalem Verlauf der Ticketverkäufe, von dem man vor den Heimspielen der Damen und Herren gegen Argentinien an diesem Mittwoch in Krefeld weit entfernt sei, müsse mit einem Verlust von 186.000 Euro brutto gerechnet werden.

Was wird aus Finanzchef Laschet?

Zahlen sind das, die die Mitglieder alarmieren. Auf der Sitzung des Bundesausschusses, den die Präsidenten der Landesverbände bilden, wurde am vergangenen Freitag in Düsseldorf die Nicht-Entlastung des für das Ressort Finanzen zuständigen Vizepräsidenten Remo Laschet thematisiert. Laschet hatte die Unruhen im DHB mit seiner umstrittenen Geschäftspolitik, die wichtigen Ressorts Finanzen und Recht auf seine Person zu vereinigen und eine Agentur, an der er beteiligt gewesen sein soll, mit DHB-Vermarktungsaufgaben zu betrauen, ins Rollen gebracht. Er hat bereits angekündigt, in Grünstadt nicht wieder für ein Amt zu kandidieren.

Präsident Hillmann sagt, er wisse nichts von einem Ansinnen, Laschet nicht zu entlasten. „Ich habe an keiner Stelle gelesen, dass wir über ein nicht beherrschbares finanzielles Minus reden. Im Gegenteil, wir haben hervorragende Marketingergebnisse, ich werde aber vor dem Bundestag als unserem Souverän und nicht öffentlich dazu Stellung nehmen“, sagte er.

Bork und die Compliance-Problematik

Für große Verwirrung sorgt zum anderen die Zusammenstellung von Hillmanns neuem Team. Dass er mit Michael Bork einen Vizepräsidenten für das Finanzressort stellen will, der mit seiner Firma Equistone einen DHB-Sponsor als Kunden betreut, halten Kritiker angesichts der Compliance-Problematik und der Vorgeschichten um Laschet zumindest für fragwürdig und ungeschickt. Hillmann hält es für "schlechten Stil, Herrn Bork in dieser Richtung anzugreifen“.

Aus rechtlichen und Compliance-Gesichtspunkten sei auch bislang kein Vorgang angreifbar gewesen. Mit dem früheren NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP), vorgesehen für das Ressort Sportpolitik & Verbände, habe er einen Compliance-Experten im Team. Dass Wolf jüngst im „Kölner Stadtanzeiger“ Verbindungen zu einem Geschäftspartner angelastet wurden, der sich wegen Insolvenzverschleppung vor Gericht verantworten muss, könnte allerdings weitere Fragen der Mitglieder aufwerfen.

Deckenbrock von Nominierung überrumpelt

Für einen kommunikativen Fauxpas sorgte Hillmann selbst, als er in der vergangenen Woche für das Ressort Recht mit Christian Deckenbrock den Mann nominierte, der sich Wochen zuvor schon für das „Team Aufbruch“ verpflichtet hatte. Deckenbrock sah sich genötigt, eine Richtigstellung zu verbreiten, in der er erklärte, Hillmann weder eine Zusage gegeben zu haben noch in den vergangenen zwei Monaten mit ihm darüber im Austausch gewesen zu sein. Hillmann räumt ein, Deckenbrock vor der Veröffentlichung seines Teams nicht um eine Zusage seines Mitwirkens gebeten zu haben. „Es gab aber von ihm eine Bereitschaft, in meinem neuen Team mitzuwirken, und keine deutliche Absage“, sagt er.

Hillmann im Juni 2017 bei der Verabschiedung von Hockey-Legende Moritz Fürste (l.).
Hillmann im Juni 2017 bei der Verabschiedung von Hockey-Legende Moritz Fürste (l.). © Witters

Dass in seinem Team sechs Tage vor der Wahl weder das Ressort Recht noch der immens wichtige Posten des Vizepräsidenten Leistungssport nominell besetzt sind, halten viele Mitglieder für ein schweres Versäumnis. Nicht so Hillmann. Er werde die entsprechenden Kandidaten kurzfristig mitteilen. Als Vize Leistungssport werden die ehemaligen Auswahlakteure Fanny Rinne, Tibor Weißenborn und Philipp Crone gehandelt. Hillmann wollte diese Namen nicht kommentieren.

Vize-Kandidat propagiert Kontinuität

Warum er sich trotz aller Querelen der vergangenen Monate für weitere zwei Jahre zur Wahl stellt, erklärt der Kunstrasen-Experte mit der Verpflichtung, die unter seiner Ägide angeschobenen Veränderungen fortzuführen. "Wir müssen die Umsetzung der Leistungssportreform forcieren, den Bau eines nationalen Leistungszentrums anschieben und die Ausgliederung des Bundesligen-Spielbetriebs in einen eigenen Ligaverband umsetzen“, sagt er.

Dazu sei kein Aufbruch nötig, sondern Kontinuität und Erfahrung, sagt Steffen Lorenz, von Hillmann als Vizepräsident Kommunikation nominiert. "Die Aufgaben, die vor uns stehen, sind sehr wichtig, und ich glaube, dass wir als Team deutlich mehr bewegen können als alle anderen.“

Ehrenpräsident flüchtet sich in Fatalismus

Stephan Abel hat große Zweifel, dass von der Wahl am Sonnabend das benötigte Signal einer neuen Geschlossenheit ausgehen wird. Die Geschäftsstelle, so heißt es, werde mit Hillmann nicht weiter zusammenarbeiten. "Wir brauchen eine neue Struktur und eine Rückbesinnung auf die Werte, die den DHB immer ausgezeichnet haben“, sagt Abel. Er sehe in beiden Teams zwar "Leute, die in der Lage sind, richtige Dinge anzustoßen. Aber in keiner Konstellation ist die Bereitschaft zu einer grundlegenden Veränderung erkennbar.“

Das passt zum diffusen Stimmungsbild, das auf dem Bundesausschuss deutlich wurde. Ein Landeschef sagt: „Niemand weiß so richtig, wie es weitergehen soll. Aber alle wissen, dass die Lage absolut prekär ist.“ Stephan Abel flüchtet sich deshalb vor dem Showdown in Grünstadt in Fatalismus. „Ich bin froh, dass ich als Ehrenpräsident keine Stimme habe“, sagt er, „ich wüsste nicht, wem ich sie geben sollte.“