Hamburg. 2016 nahm sich Lars Wicherts Zweierpartner das Leben. 32-Jähriger gründete einen Verein – und ist jetzt auch DRV-Athletensprecher.

Die WM in Linz Ende August als Saisonhöhepunkt, dann vielleicht noch ein letzter Anlauf in Richtung Olympischer Spiele 2020 in Tokio – so hatte Lars Wichert sich sein Karriereende vorgestellt. Dann aber kam Tinus, und alle Pläne waren nichtig. Nach der Geburt seines zweiten Sohnes am 16. März entschied der zweimalige Olympiateilnehmer vom Hamburger Ruderclub Alle­mannia nun, den Leistungssport aufzugeben. „Meine Freundin hat mir in den vergangenen Jahren sehr viel Freiraum für das Rudern gegeben. Mit zwei kleinen Kindern wollte ich sie nicht mehr allein lassen“, sagt der 32-Jährige. Genau das aber hätte er nach seinem geplanten Umstieg vom Leichtgewichtseiner in den „schweren“ Riemenbereich tun müssen, da dieser in Dortmund ansässig ist.

Überraschender Vize-Weltmeister in neuer Disziplin

Gefahr, dass ihm nach der Entscheidung, mit der er vor allem seine Partnerin überraschte, nun langweilig werden könnte, besteht nicht. Ende des Jahres will Wichert, der noch bis September der Sportfördergruppe der Bundeswehr angehört, sein Studium der Gesundheitsforschung mit der Masterarbeit abschließen und ins Berufsleben einsteigen. Vor allem aber hat er zwei neue Projekte, die ihn zumindest mittelfristig weiter an das Leistungsrudern binden. Zum einen hat er im vergangenen Jahr das Coastal Rowing – Rudern an der Meeresküste – für sich entdeckt, das aufgrund der äußeren Einflüsse mit Wellengang und Wind hohe Robustheit von Mensch und Material erfordert. 2018 wurde er bei der WM vor Vancouver Island (Kanada) völlig überraschend Vizeweltmeister, in diesem Jahr will er in Hongkong einen neuen Anlauf auf den Titel starten.

Wichert ist jetzt Athletenvertreter des DRV

Zum anderen wurde der gebürtige Berliner, der mit seiner Familie in Ohlendorf in der Nordheide lebt, als neuer Athletenvertreter in das Präsidium des Deutschen Ruderverbands (DRV) gewählt. Seit 2012 war er Kadersprecher für die Leichtgewichtler gewesen, die vergangenen zwei Jahre zudem Stellvertreter von Aktivensprecher Richard Schmidt. „Richard hatte mich nun gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, für das DRV-Präsidium zu kandidieren. Die Resonanz von den Athleten und den Funktionären war gut, nun bin ich von den Athletensprechern für zwei Jahre gewählt worden“, sagt er.

Der besondere Reiz des neuen Amtes sei, dass der Athletenvertreter erstmals in der DRV-Historie Stimmrecht im Präsidium hat. „Dadurch kann ich unmittelbar über alle Belange der Athletinnen und Athleten wie Wettkampfsport, Nominierungskriterien oder Trainingsbedingungen mitbestimmen“, sagt Wichert, der als meinungsstark und durchsetzungsfähig, gleichzeitig aber auch als integer und sehr kommunikativ gilt.

Zweierpartner nahm sich 2016 das Leben

Letztere Eigenschaften beweist der passionierte Radsportler in der ehrenamtlichen Arbeit für den gemeinnützigen Verein „Wir für Yannic“. In Erinnerung an seinen ehemaligen Zweierpartner Yannic Corinth, der sich unter dem Eindruck einer schweren Depression im Juni 2016 das Leben genommen hatte, arbeiten Vereinsgründer Wichert und seine Mitstreiter Philipp Birkner und Patrick Pilz daran, Aufklärung, Prävention und Hilfe rund um die psychische Erkrankung anzubieten.

Viele der rund 250 Vereinsmitglieder sind aktive oder ehemalige Leistungssportler und treten gemeinsam als Team bei Wettkämpfen auf der ganzen Welt an, um auf die Arbeit des Vereins aufmerksam zu machen. „Wir sind im dritten Jahr des Bestehens vor allem im Rudern und Radsport sehr bekannt“, sagt Wichert, der in Vereinen und Verbänden Vorträge hält, „das Bewusstsein für das Thema wächst, aber es gibt noch sehr viel zu tun.“ Er wird es anpacken.